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Nigel Slater´s Küchentagebuch

Mit 250 Rezepten durch das Jahr

31.08.14 @ 11:26

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Ich konsumiere Kochsendungen wie ein Junkie seinen Stoff. Ich kann nicht anders und lehne Therapie grundsätzlich ab. Wirklich high machen mich Anthony Bourdain und Heston Blumenthal. Jamie Oliver ist ok, Rick Stein und Raymond Blanc machen ihre Sache gut. Und dann gibt es da drei Sonderfälle: Nigella Lawson, Yotam Ottolenghi und Nigel Slater.

Yotam Ottolenghi ist Koch und hat fantastische Kochbücher geschrieben (Jerusalem, Genussvoll vegetarisch, ...). Nigel Slater ist kein Koch, sondern Food-Journalist. Und sein Buch Tender/Gemüse ist meines Erachtens das Beste, was je über Gemüse und deren Verarbeitung geschrieben worden ist.
Was beide für mich verbindet, ist die Ablehnung gegenüber ihren Kochsendungen. Ich kann weder Ottolenghi noch Slater beim Essen zusehen. Beim Kochen ja, beim Essen nein. Und Nigella Lawson verkörpert so was von anziehend/abstoßend die Britische Upperclass "Ach, bei mir muss alles unkompliziert und einfach sein" (während sie in ihrer 300.000 Pfund-Küche steht), dass ich mir beim Hinsehen schwertue, sie ernst zu nehmen. Trotzdem sehe ich ihr gerne bei ihrer leicht befremdschämenden Selbstinszenierung zu - und neide ihr den Gasherd.

Slater`s Sendung
Einfach kochen ist ein Tranquilizer der besonderen Art. So was von betulich, das halt ich im Kopf nicht aus. Jeder Handgriff wird in Zeitlupe gesetzt, alles geschieht beschaulich langsam und gesetzt. Erhitzt wird langsam, gerührt wird vorsichtig, lauwarm ist das neue Heiß ... Slater strahlt Ruhe aus wie ein Kachelofen Wärme. In Wahrheit müsste er in einem Flanellpyjama kochen, zumindest einen Nicki-Pulli dabei anhaben. Und seine Gerichte sind sehr einfach, nahezu schlicht. Und trotzdem muss ich die Sendung ansehen, wenn sie gerade läuft. Irgendwie kann ich mich nicht entziehen. Nur wenn er seine Bissen kaut, wenn er seine Finger abschleckt, dann beutelt es mich. Das ist aber mein Thema. Die Sendung hat große Klasse.

Nach Tender/Gemüse und Tender/Obst (das habe ich noch nicht) ist nun Slater`s Küchentagebuch vom DuMont-Verlag am Markt. Ein schön dickes Kochbuch, das optisch wie haptisch nahtlos an die beiden erstgenannten Werke anschließt. Ein Buch, das ich sofort durchblättern muss, an dem ich schnuppern muss, bei dem ich mich sofort auf die Suche nach dem Besonderen, dem Einzigartigen begebe. Und ich suche, und suche und suche ... und merke, dass das wohl nicht die Absicht des Autors war. "Quite the contrary", flüstert mir Slater ins Ohr (Menschen wie Slater würden niemals laut werden), es handelt sich um eine Zusammenstellung seiner einfachen Rezepte, wie ich sie aus seiner Kochserie kenne. Er schreibt über sich, dass er weder schludrig noch pedantisch beim Kochen sei, dass er mit den Rezepten Inspiration liefern wolle. Und da er selbst gerne Kochbücher liest, die von zusätzlichen Notizen geprägt sind, die von Tipps und kleinen Geschichten rund um das Kochen leben, schreibt auch er jede Menge allgemeine Betrachtungen zwischen den Rezepten, meist ein- und herleitender Natur. Ein Absatz über weiße Dosenbohnen, über das Bändigen süßer, roter Rüben, über die Freude von heiß und kalt ... und über seinen Lieblingsschneebesen und Betrachtungen zur Dörrpflaume. Slater´s Texte lesen sich wie süßes Karamell, das langsam im Mund schmilzt. Manchmal wünsche ich mir ein paar Kristalle Meersalz darauf.

Die Rezepte klingen größtenteils so:
26. September:
Im Kühlschrank ist eine Schüssel Linsen. Letzte Nacht gekocht und in Olivenöl geschwenkt, damit sie nicht verkleben, müssen sie aufgebraucht werden. Ich dünste bei niedriger Hitze ein wenig Zwiebeln in Rapsöl, werfe vier in Streifen geschnittene Speckscheiben dazu und mische sie mit den Linsen und einem Dressing aus Rapsöl, Dijon-Senf, Rotweinessig und gehackter Petersilie. Ein billiges, herzhaftes Essen. ... inspiring, isn`t it?.

Die Brücke
zu Nigella Lawson, oder gar den Schulterschluss mit ihr und den gemeinsamen Kunden/Lesern wird beim 15. Juni deutlich, wenn er über seinen neuen Küchentisch schreibt und in einer einweihenden Speisenfolge endet:

... eigentlich könne er überall essen, aber für seinen neuen Küchentisch hat er ein Jahr im Internet, bei Altwarentandlern und Antiquitätenhänderln recherchiert und gesucht. Weil er nichts gefunden hat (what a pitty), kam ihm die Idee, sich einen Tisch schreinern zu lassen (wicked!). Jetzt fährt er im Zug (natürlich) nach Berkshire, um sich das Holz dafür auszusuchen. Nicht irgendein Holz. Es muss von natürlicher Schönheit sein, Brandflecken und Weinringe ertragen und Fettflecken als Ehrenabzeichen stolz präsentieren können. Nicht poliert, glanzvoll - nein! Es muss daher von einer Eiche sein, die 4000 Jahre im Moor mariniert wurde und nach der Bergung fünf Jahre getrocknet und dazu in Sackleinen gewickelt mit immer weniger Wasser besprüht wurde.
Slater frug sich im Stillen, beim Betasten der Planke, welche Mahlzeit die Planke wohl als Erste erleben würde - hier die Antwort: Grob geschnittene Avocados mit Limettensaft, Frühlingszwiebeln und einem Klacks Tubenwasabi auf getoastetes Sauerteigbrot, das mit Olivenöl beträufelt wurde. Danach Schokolade und Nutella-Kuchen.
So geht Bescheidenheit nach Slater.

Ich kann,
zusammenfassend, den Zeilen der Zeit-Magazin-Rezension, die der Verlag stolz auf die Buchrückseite gedruckt hat, nichts hinzufügen: ... man kann darin stundenlang lesen ohne die geringste Absicht, etwas daraus zu kochen.
Bei Tender/Gemüse ist das ganz anders.

Gregor Fauma

Nigel Slater
Das Küchentagebuch.
Mit 250 Rezepten durch das Jahr
532 Seiten, Hardcover
H24,0 x B17,0 cm
180 farbige Abbildungen
Originaltitel: Kitchen Diaries II
Originalverlag: Harper Collins
EUR 39,99 [D] / 53,90 sFr.
Erstverkaufstag: 13.08.2014
ISBN 978-3-8321-9477-2

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