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Altösterreichs Riviera
22.08.06 @ 08:22
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Am Schnittpunkt von Istrien und Dalmatien entfaltet die Kvarner Bucht mit ihrer magischen Inselwelt im Golf von Rijeka nicht nur den nostalgischen Charme des Fin-de-Siècle, sondern auch einen höchst schmeckbaren kulinarischen Reiz.
Manche nennen den Kvarner zwischen den Städten Opatija und Rijeka sowie den Hauptinseln Krk, Rab, Cres und Losinj die „schönste Bucht der Adria”. Die 30 km lange „Riviera von Opatija” ist aber keineswegs nur ein zauberhaftes Reisziel, sondern auch ein bemerkenswerter Treffpunkt von Berg- und Meeresküche. Mit den „Kvarner Skampi” können sich, was Fleischigkeit und Geschmack betrifft, nur jene Norwegens messen. Und auf den meerumspülten Inseln gedeiht Lammfleisch, dessen Qualität jenem des französischen Presalé-Lamms durchaus ebenbürtig ist. Besonders gerühmt wird das Lamm von der „Blauen Insel” Cres, das man am authentischsten und mit majestätischem Meerblick im einfach-gemütlichen Restaurant Bukaleta speist, wo es frisch vom Holzkohlenrost, aus dem Backofen oder gesotten aus dem Topf kommt.
Doch es gibt nicht nur „fleischeslustige” Attraktionen: Allenthalben in dieser Bucht duftet es nach Lorbeer, wildem Spargel und Olivenöl, und auf der Insel Krk keltert man mit dem Zlahtina einen der erfrischendsten Weine des gesamten kroatischen Küchenlandes, den man am besten vor Ort im urigen Restaurant Nada oder in der Konoba Gospoja des lokalen Top-Winzers Frano Toljanic verkostet.
Einer der schönsten Stützpunkte für Ausflüge in dieses schon vom Geist der Levante geprägten Schlaraffenlandes befindet sich in Lovran, der Lorbeer- und Maronistadt, die mit dem benachbarten Opatija (früher: Abbazia) durch einen „Lungomare” verbunden ist, der zu den schönsten Seepromenaden des Mittelmeers zählt. Unmittelbar an diesem traumverlorenen Uferpfad befindet die venezianischen Jugendstil erbaute Villa Astra des Wirtschaftstycoons Vjeskoslav Martinko, der sich hier einen Lebenstraum erfüllt hat. Die Gastfreundschaft seines kleinen, aber wahrlich feinen Hotels schließt eine herzliche, intime Atmosphäre ebenso ein wie einen großen Wellnessbereich und eine elegant-aristokratische Küche, über der gleich drei, allerdings etwas verfremdete Gemälde des alten Kaisers wachen.
Auf der Suche nach Kvarner Skampi, Jakobsmuscheln oder Seezungen kommt der Kulinarpfadfinder jedoch auch am Johnson, dem vielleicht besten Fischlokal der Bucht, nicht vorbei, das hoch über dem Meer liegt und von einer Berufsfischerei gleich gegenüber täglich mit frischer Ware wie Salzsardellen, Meerestrüffeln, Muscheln und Drachenkopf versorgt wird. Der Name des Lokals geht übrigens auf einen Vorbesitzer zurück, der wegen seiner ausgeprägten Amerikanophilie den Spitznamen „President Johnson” trug.
Von Lovran etwas landeinwärts und steil hinauf in die Bergwelt gelangt man in die alte Klosterstadt Kastav, zu deren spannendsten Sehenswürdigkeiten ohne Zweifel das Slow-Food-Restaurant Kukuriku am Rande der Stadtmauer zählt. Patron Nenad Kukurin stammt aus einer alten Gastronomenfamilie, die seit 114 Jahren im Geschäft ist, arbeitete allerdings lange in Triest, bevor er in seine kroatische Heimat zurückkehrte, um hier rechtzeitig vor Ende des letzten Jahrtausends ein Restaurant zu eröffnen, das sich der Slow-Food-Philosophie verpflichtet fühlt. Über einem eindrucksvollen Weinkeller, in dem mehr als 200 edle Kreszenzen lagern, hat Kukurin sich, gemeinsam mit seinem Koch Tomsic Zoravko und seinem umsichtigen Sommelier Muzdeka Branko vor allem den Produkten und Aromen seiner kroatischen Heimat im allgemeinen und jenen der Kvarner Bucht im besonderen verschrieben. Also werden hier auch noch Gerichte wie Champignons mit Kajmak, einer dick gelegten, salzigen Sahne gewürzt. Außerdem serviert man marinierte Alici mit Zitronensaft, Rucola, Olivenöl und Schafkäse, oder den guten Kvarner Prsut, der - wie Kukurin erzählt - „nur aus Schwein, Salz, Pfeffer, Lorbeer und Wind” besteht und mit jungem Ziegenkäse und einer Sauce aus Basilikum und Olivenöl aufgetragen wird.
Manchmal ist der Prsut auch knusprig wie ein Cracker wird gemeinsam mit Erdäpfelkrapfen serviert, die mit Frischkäse, Nüssen, Rosmarin und Basilikum gefüllt sind, danach mit Olivenöl beträufelt sowie, je nach Saison, mit schwarzen oder weißen Trüffeln bestreut werden. Selbstverständlich zählt auch der Risotto mit Kvarner Skampi und Pilzen zu den Spezialitäten des Hauses; nicht zu vergessen die unter der Holzkohlenasche in ihren Häusern gebratenen Weinbergschnecken und die Frösche in weißer oder roter Buzarasauce, die traditionell mit einer Polenta serviert werden, der zur Hälfte aus Maisgrieß und aus Erdäpfelpüree besteht.
Etwas konventioneller der „Branzino in Cartoccio” mit Erdäpfeln, Kapern, Rosmarin, Tomaten und Oliven, extravagant hingegen die Pferdesteaks, die gebratenen oder geschmorten Siebenschläfer, die es nur während der herbstlichen Saison und nur gegen Vorbestellung gibt sowie - da ist sie schon wieder, die Insel mit dem blauen Salbeimantel - das Beste vom Lamm von Cres.
Ja, und dann sind da noch die Maronen, wissenschaftlich Castanea sativa genannt. Schon die alten Griechen haben sie nach Liburnia, das heutige Lovran, gebracht, wo sie sich seither auf den Bäumen und Desserttellern gleichermaßen wohl zu fühlen scheinen wie in den Bäuchen der Siebenschläfer, von deren Fleisch man schon unter Kaiser Nero geschwärmt hat. Dessen Zeitgenosse, der Feinschmecker Apicius, schlug in seiner "De Re Coquinaria", dem ältesten Kochbuch der Welt, unter anderem vor, die Glires – so der lateinische Plural – mit einer Farce aus gehacktem Schweine- und Siebenschläferfleisch, Pfeffer, Nüssen oder Pinienkernen, Laserwurzel und der gewöhnungsbedürftigen altrömischen Fischsauce Liquamen zu füllen und sie danach auf heißen Ziegeln im Backofen zu garen.
Auch im Kukuriku gibt es auf Vorbestellung während der herbstlichen Jagdsaison Siebenschläferfleisch. Ein Angebot, von dem allerdings nur ausgefuchste Feinschmecker Gebrauch machen. Die Verkostung der über 200 edlen Tropfen aus dem sehenswerten Zisternenweinkeller ist da schon wesentlich mehrheitsfähiger.
Wer nunmehr den Eindruck gewonnen haben sollte, dass im Kvarner hauptsächlich traditionell aufgetischt wird, der kann sich im Mandrac, einem Designerlokal mit Glaskabinencharme unmittelbar am alten Hafen, eines Besseren belehren lassen. Küchenchef ist der sympathische Deniz Zembo, ein junger Mann mit viel Erfahrung, vor allem in der Londoner Szenegastronomie. Hier findet sich allerlei von der Bitterschokolade auf dem Rindercarpaccio über die Jakobsmuschel in der süßen Kürbissuppe bis hin zum Lollypop von Spargeln und weißen Trüffeln oder Gänselebercrème brûlée mit Zitronenbusara.
Gastronomischen Stillstand braucht man am Kvarner also keinen zu befürchten.
Christoph Wagner
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