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Pavillon (Innsbruck)

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Der neue Glaskubus vor dem Landestheater unterbricht den Übergang des festen Platzes in den Hofgarten. Oder schließt das Gebäudeensemble mit einem architektonisch markanten Stück angewandter Geometrie ab, trennt Stadt von Natur - je nach Sichtweise.

Auf jeden Fall wirkt er zunächst wie eine überdimensionierte Überdachung des Tiefgaragenaufgangs, eine Glas-Stahlkonstruktion in Würfelform, halb- und ganz transparent. Der Aufgang ins Restaurant ist nur bedingt vorne, durchs Café, das sich mit einer großen Terrasse weit in den Raum des Platzes erstreckt. Er ist eigentlich auf der Seite versteckt, und hier liegen die - wenn auch einzigen - Schwachpunkte des Objektes: der Tiefgaragenauf- und -abgang eben, der zugleich Restaurantaufgang ist, und das WC, das im Souterrain befindlich ist, wunderschön in Rottönen designt, aber eben auch öffentlich, und vom Lokal im ersten Stock nur durch dessen Verlassen erreichbar. Aber das war es dann auch schon an Kritik, denn:

Mit dem Betreten des ersten Stockes wird die vor allem im Sommer touristisch geprägte Welt des Platzes zwischen Hofburg und Landestheater verlassen. Es öffnet sich ein sich abgeschlossener Raum, der durch das Glas rundum zwar den Blick freigibt auf das Rundherum, aber gleichzeitig abgeschottet ist von allem und den Gast ganz in seiner wohnzimmerartige Retro-Atmosphäre hineinzieht. Niedrige Fauteuils in rostrot, sonst Braun- und Beigetöne, klare, geradlinige Formen, und nur der Teppich, wenngleich farblich harmonisch, darf mit einem verschlungenen 50-Jahre-Muster den spielerischen Kontrapunkt setzen. Die Weinklimaschränke sind in niedrigen Sideboards untergebracht, die Musik plätschert angenehm nebenher - Songs von Country bis Jazz - und unterstreicht das angenehme Lounge-Feeling.

Mit dem Aperitif kommt ein erster Gruß aus der Küche, noch bevor Einblick in die Speisenkarte genommen wurde: Gazpacho mit Flusskrebstatar, das Krebsenklein versenkt im eiskalten, erfrischenden Süppchen von angenehmer Schärfe, dazu ein Stück Nussfocaccia mit Bärlauchpesto. Man ahnt, dass da noch Aufregenderes folgen sollte.

Dann die Karte, klein, zwei Menüvorschläge, einmal 6, einmal 5 Gänge. Sehr teuer. Aber erlesene Zutaten, auch das ist erkennbar. Erst einmal das zweite Amuse bouche: Vitello tonnato, zwei kleine kreisrund ausgestochene Kalbfleischscheiben auf Thunfischsauce, ordentlich, aber nicht besonders, auch das Paprikaöl dazu noch nicht, aber die Wildwassergarnele! Einfach perfekt. Das Brot in der geflochteten Schale ein bisschen zu sehr nach zugekauft aussehend; die "Früchtebutter", gesalzen, mit Stückchen von Trockenfrüchten versetzt, wiederum ein witziger Akzent.

Und dann entfaltet sich Gang um Gang eine unerwartet mitreißende, sehr persönliche mediterrane Küchenlandschaft, in die feine orientalische Noten geraten: Küchenchef Mansur Memarian ist gebürtiger Perser, ausgebildet in Deutschland, seit kurzem in Innsbruck: perfekte Rohstoffe, eine wunderbare Hand für Gemüse und Früchte - was sich da an Eigengeschmäckern tummelt, nicht zugedeckt von vordergründigen Würzungen, sondern vielmehr von unten her gestützt, somit leicht fassbar, und dabei noch in ganz faszinierenden Konsistenzen, ist beeindruckend; ja überhaupt die Konsistenzen, der geschmolzene Adour-Wildlachs etwa, der zerfloss auf der Zunge, das sind Erlebnisse am Gaumen, die auch eine routinierte Esserin staunen machen.

Zum Wildlachs Wasabicreme: eher ein feinstgehacktes Tatar von der Wasabinuss, wenn schon, und im Cocktailglas dazu ein leichtes Hummerschäumchen, sehr dezent im Aroma, und wieder kontrapunktisch knackende Stücke von der Wasabinuss darin. Das Clubsandwich vom heimischen Milchkalb: zwischen hauchdünnen Strudelblättern geradezu schmelzende Stücke vom Kalb, von der Wange? mit Stücken geschälter Datteltomaten und fein mariniertem Friseesalat, ein Streiferl Lardo darübergelegt: eine köstliche Interpretation, stilistisch einwandfrei zum Ambiente passend. Und dann einer der Glanzpunkte, ganz schlicht, ganz perfekt: Erbsenschaumsuppe mit Minzcracker. Der Cracker wieder ein hauchdünn knisterndes Teigstück, mit feinen Streifen von frischer Minze hineingebacken - so Einfaches vermag Leuchten in den Augen zu bewirken. Die Suppe: leicht, subtil, mit frischen, kaum gegarten Erbsen, die wiederum den Biss ins Gericht bringen.

Und weiter im Menü, und ich verharre nur bei den Highlights: zum glacierten Stubenkücken das Avocadocouscous: feinkörnig, darauf eine feinsäuerliche Avocadocreme, dazwischen noch drapiert leichtfüßige Gurkenbutter, drei hauchdünne Stücke wilden Spargels mit großer Geschmacksintensität geometrisch angeordnet. Die Wildkräuter-Mandelkruste auf dem St. Pierre: ein rechteckiger Streifen an dunkelgrüner fester Creme auf dem saftigen Fischstück, Aromenintensität für sich, darunter die Eierschwammerl, vornehm Pfifferlingspanaché genannt, reichlich, das einzige sehr würzige Gericht, das aber die Würze aus seinen Zutaten bezieht. Das Hereford-Rindsfilet: Fleisch untadelig, die Besonderheit aber wieder bei den Gemüsen: Miniwürferl vom roten Paprika in absoluter geschmacklicher Paprikapurezza, aufdressierte Streifen von Zucchinipüree, dunkelgrün (von den Schalen?) - was da herausgeholt wird aus den sonst faden Früchten, ist enorm. Und der Auberginenauflauf, als ein Tortenstück auf das Filet getürmt: mit geschlossenen Augen die ideale Parmigiana di melanzane!

Nach und nach wird klar, worum es hier geht: Herr Memarian ist ein Meister der Konsistenzen, er spielt gekonnt mit diesbezüglichen Gegensätzen, holt aus natürlichen Produkten den ureigenen Geschmack hervor, ein wenig zu Lasten einer Gesamtgerichtintensität, aber darin liegt dadurch noch einiges an Potential. Und der Umgang mit Gemüsen und Früchten ist sensationell, nicht oft so zu finden, wenn die Grundprodukte nicht so toll wären, könnte man glatt auf Fisch und Fleisch verzichten. Aber vielleicht gibt es ja einmal kleine Gemüsemenüs, wenn dann im Herbst, wie angekündigt, in Kooperation mit dem Landestheater 3 Gänge vor und 2 Gänge nach der Vorstellung für ein Rundumgesamterlebnis an diesem Ort sorgen werden.

Das Dessert noch: Tahitisorbet im Catalanaschaum mehr eine sprachliche denn geschmackliche Angelegenheit, feinsäuerliches Sorbet in luftigen Vanilleschäumchen versenkt, Tahiti steht für die gleichnamige Vanille, und das Katalanische kommt von kurzem Überflämmen. Aber die "Beilage": Aprikosen-Zitrusragout! diese Marillenkonsistenz - himmlisch! Der zarte Zitrusgeschmack, mit dunkelroten Zesten von der Blutorange ins fast Pikante verstärkt. Ein würdiger Abschluss. Die Präsentation auf dem edlen Geschirr in weißer Formenvielfalt ist wunderschön, man kann eine den geometrischen Formen rundum entsprechende Neigung zu Quadern, Rechtecken, Kreisen und Zylindern in Aufbau und Gestaltung der Gerichte finden.

Wein gibt es auch: Eine umfangreiche Karte, einige Magnums, viel Österreich, viele große Namen, aber auch Italien, Frankreich, Neue Welt. Man hat das Gefühl, dass hier ein Team am Werk ist, das das behäbige Innsbrucker Gastroleben gehörig auf den Kopf stellen wird. Irgendwie vom Konzept her ein Schritt in Richtung Weltstadt.

Angelika Deutsch

9 Kritiken | Kritik verfassen

suri, 16.02.07 @ 00:06

Bin ein begeisterter Speisinger, aber es macht mich langsam müde fast nur über den Osten zu lesen. Der Westen besitzt ebenso traumhafte Gastronomie. Habe letztens wieder sehr gut hier gespeist.....

-ad-, 22.01.07 @ 09:50

S.g.Suri, schön zu wissen, dass es auch im Westen den ein oder anderen Stammgastleser von speising gibt! Zur Problematik von Restaurantkritiken gibt es einiges an Diskussionen im speising-Weblog, ich darf dorthin verweisen; die letzte Wortmeldung zum Pavillon hab ich nicht als "krampfhafte" Fehlersuche verstanden, sondern vielmehr als Ermunterung, an diesem für Innsbruck doch spektakulären Ort weiterzumachen - und ich denke, dass jeder Hinweis auf (subjektiv) empfundene Unstimmigkeiten nur hilfreich für einen ernsthaft arbeitenden Koch sein kann.

Auf jeden Fall stimme ich mit Ihnen überein: es ist derzeit der spannendste Speiseplatz in Innsbruck!

suri, 22.01.07 @ 00:17

Sehr geehrter Herr Kritiker!

Bin ein Stammgast des Lokals,finde es traurig,dass Sie unbedingt und mit aller Kraft etwas negatives herraussuchen möchten.
Das Problem ist,dass jeder heutzutage meint ein (Restaurantkritiker) zu sein,weil er sich öfter Kochsendungen im Fernseh anschaut.

Vielleicht sollte man als Gast das Geniessen in Vordergrund stellen und nicht als Erbsenzähler agieren.

Das Restaurant ist eine Bereicherung für die Innsbrucker Gastroszene,und vielleicht sollte man abundzu einfach den Abend geniessen und nicht sizieren.Danke

alma, 21.01.07 @ 18:17

Vor einiger Zeit schon erhielt ich aus Hand eines Freundes, der es mit online-Arbeit nicht so hat, die Eindrücke eines Abendessens im Pavillon vermittelt mit der Bitte um Weitergabe: der komme ich nun mit etwas Verspätung nach:

also ambiente, sprich einrichtung, lichtgestaltung und dekoration entsprechen durchaus einem restaurant von wirklich internationalem format.
tischkultur, gläser, besteck und porzellan vom allerfeinstem.
brot und butterauswahl allererste sahne

noch bevor man eine speisekarte zu gesicht bekommt gibts schon kleine häppchen zum aperitiv,
bestehend aus hummertatar mit thymianbisquit, karamellisierter treviso mit einem gebackenem krapferl und focaccia.
als amuse gueule ein gröstl aus kartoffeln, goldgelben zwiebeln, etwas zu hartem pulpo, rundherum ein sehr gut abgeschmecktes saftl.
1. gang
kaninchen-gänseleberterrine (etwas zu lange gegart daher ein wenig trocken) mit tarubensalat und einem kleinen salatbouqet
ganz okay......

2. gang
rochenflügel in pistazienkruste mit venusmuscheln, oliven, kartoffeln und rohen spinatblättern plus wieder ein gut gewürztes saftl
sehr gut.....

3. gang
seeteufelmedaillon auf tomaten-estragonragout (super gegart und toll gewürzt) mit einem gebackenem ratatouille tascherl (zu gross und die panier übertönte den geschmack) insgesamt so lala....

4. gang
weil angeboten von uns ausgesucht und als kleiner zwischengang
kartoffelpüree mit brauner buttersauce und jeder menge weisser trüffeln
ganz toll, nicht nur wegen der trüffeln.....

5. gang
dome-ente mit kräuterjus ananas-kraut ravioli und entenstopfleberselleriepüree
insgesamt ein sehr zwiespältiges gericht, weil geschmacklich überhaupt nicht harmonierend, die einzelnen bestandteile für sich aber sehr gut

6. gang
das bereits geschilderte tahiti-vanillesorbet mit catalanaschaum und zitrusfrüchtesalat
so lala....
dann noch ein geeister cappuccino plus einen richtigen espresso und jeder menge petit fours....

insgesamt für mich eine grosse bereicherung der innsbrucker restaurantszene, wenn auch mit kleinen schwachstellen der küche...
zu hoffen bleibt nur, dass man den langen atem hat, das ganze längerfristig durch zu ziehen, denn der aufwand der dort
betrieben wird ist schon gewaltig und lässt jeden unternehmensberater vor furcht erschaudern.

Seite 2 von 2     « zurück alle anzeigen
Speising sagt

hervorragend

empfohlen am 27.07.06 @ 16:24

Adresse

Rennweg 4
6020 Innsbruck
Telefon: 0 512.25 70 00
Email: office@der-pavillon.at

Ruhetag(e): Mo, So
Küchenzeiten: 18-24 Uhr, Café täglich 9-24 Uhr
Menüpreis: €€€€

Inhaber: Schlögl & Hautz GmbH
Küchenchef: Mansur Memarian
Kreditkarten: Visa, Mastercard, American Express, Diners Club

www.der-pavillon.at

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