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Hugh Johnsons Weinwelt

08.10.06 @ 14:03

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Als ich Hugh Johnson vor mehr als einem Jahrzehnt in einem Noble House in Hongkong traf, gehörte die damalige Kronkolonie noch den Engländern, und mein eleganter Gesprächspartner wäre problemlos als deren Generalgouverneur durchgegangen. "Austrian?" sagte er, als ich mich als Österreicher vorstellte. "Süße Weine!" — "Keineswegs nur süß", widersprach ich, um das alte glykolische Vorurteil der Weinskandal-Ära zu widerlegen, und schleuderte ihm ein donnerndes "Try the dry!" entgegen. Johnson reagierte amüsiert und versprach, sich bis zu unserem nächsten Treffen über "trockene Österreicher" kundig zu machen.

Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen, doch er hat sein Versprechen gehalten und Österreich inzwischen mehrmals besucht. An unseren Weißweinen scheint der Weltweinpapst, wie sein soeben erschienenes Buch "Hugh Johnsons Weinwelt" beweist, dennoch keine rechte Freude gefunden zu haben. "Ich liebe frische, pfeffrige Veltliner", räumt er zwar in britischer Höflichkeit ein, "ansonsten aber wünschte ich, ich käme mit den österreichischen Weinen besser zurecht. Rein analytisch gesehen, sind sie höchst eindrucksvoll. Aber müssen sie solche Hämmer sein? Am liebsten würde ich sie manchmal mit einem Schluck Wasser mischen." Und über Österreichs Nationalstolz, die Rieslinge, meint Johnson, der zugibt, "kein Nipper, sondern ein Schlucker” zu sein: „Sie sind auf dem besten Weg, zu Wuchtbrummen zu werden."

Das ist, zumal aus dem Mund eines der wichtigsten Weinkoster der Welt, ein trister Befund. Nun mag man sich damit trösten, dass Robert Parker jun. jenseits des Atlantiks gerade 123 heimische Weine des Jahrgangs 2005 in den Weinolymp der 90-Punkte-Zone aufsteigen ließ. Dennoch sollte Hugh Johnsons Wuchtbrumm-Attacke den heimischen Winzern zu denken geben. Tatsächlich ist, wer die Top-Tropfen unserer Weißweinprominenz verkostet, schon froh, wenn sie "nur" 13,5 Vol.-% Alk. und nicht 14 oder gar 15 aufweisen. Gleichzeitig steigen die Preise und die Klagen der Gastronomen, dass sich solche Weine kaum noch kalkulieren lassen.

Sicher kann man im Sinne der Volksgesundheit gutheißen, dass wir uns (ganz im Gegensatz zu Weinpapst Johnson) auf dem Weg von einer Schluck- zu einer Nippgesellschaft befinden. Man kann aber auch den Zeiten nachtrauern, in denen Österreich ein Land frischer, reintöniger und kristallklar-süffiger Weine war, die auch (und vor allem) Nicht-Wein-Akademikern Trinkfreude bereiteten. Sollten diese Weine ausgestorben sein?

Nein, es gibt sie nach wie vor, und man findet sie allenthalben, obendrein in den unteren Preissegmenten. Nur findet sich kaum noch jemand, der über solche volksnahen Genüsse schreibt. Wohl nicht zuletzt deshalb scheint Mister Johnson unter so vielen "Wuchtbrummen" so wenig österreichische Weißweine gefunden zu haben, die ihm wirklich schmeckten.

Hugh Johnsons Weinwelt
Hallwag im Gräfe & Unzer-Verlag
41.10 Euro

Christoph Wagner

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