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Vergessen Sie den Dürerhasen!

03.12.06 @ 09:06

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Professor Rudolf Winkelmayer ist mein Fachbeirat für alles Tierische. Denn die Zeiten, in denen man Fleisch einfach zart und perfekt gegart oder überwürzt und zäh fand, sind vorbei. Heute muss der Braten auch tierethisch einwandfrei sein, aus kontrollierter Landwirtschaft stammen und möglichst sanft zu Tode gestreichelt worden sein. Oder, wie Professor Winkelmayer sagt: „Wir sind es den Tieren, wenn wir sie schon essen, schuldig, ihnen nach dem bestmöglichen Leben einen Tod zu gewährleisten, den sie am besten gar nicht merken.”

Der Tierarzt und leidenschaftliche Waidmann Winkelmayer ist auch überzeugt, dass der beste Weg ins ewige Gehege über einen geübten Jäger führt, „weil das Wild schon tot ist, bevor es überhaupt noch den Schuss hört.” Nicht zuletzt aus diesem Grund hat Professor Winkelmayer gemeinsam mit Jagdfreund und Kochlehrer Walter Pschill ein Wildkochbuch geschrieben.

Das Werk heißt „Alles vom Wild” und ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil der Rezeptteil erst auf Seite 80 beginnt. Davor geht es um „wilde Theorie” und noch mehr Praxis. Dass dabei auf manchen Seiten weniger der Ästhet als der Jack-the-Ripper in uns angesprochen wird, ist nur folgerichtig: Wie sollte man einem Laien auch die Teilung des Wilds anders erklären als dadurch, dass man die Teile anschaulich zeigt.

Der Tierprofessor und sein Koch wollen mit ihrem Werk nämlich nicht mehr und nicht weniger als jener Nüsschen- und Brüstchenküche zu Leibe rücken „die die besten Teile des Wilds übersieht und obendrein das Budget der Hausfrau schädigt.” Tatsächlich ist Wild nämlich keineswegs das teuerste, sondern das billigste Fleisch. Man bekommt „um den Preis von Rücken und Keule schon ein ganzes Reh, wenn man es beim Jäger einkauft oder bei einem Fleischer seines Vertrauens vorbestellt.” Auf diese Weise gelangt man etwa auch in den Besitz eines Hirschtafelspitzes, der — richtig zubereitet — den klassischen Rindstafelspitz problemlos auf Platz zwei verweist.

Was Winkelmayer, der als Tierarzt selbst ein leidenschaftlicher Tierschützer ist, besonders anprangert, ist auch eine falsch verstandene Affenliebe zu Bambi & Co. „Dieselben zarten Gemüter, die es nicht übers Herz bringen, ein Reh oder einen Hasen zu essen, haben kein Problem mit Putenbrustsalat. Dass den Puten in der Zucht-Endphase unter ihrer Fleischeslast die Oberschenkel brechen, weiß kaum jemand.” Genausowenig ist andererseits bekannt, „dass jährlich allein aus Landschaftsschutzgründen 100.000 Hasen in Österreich gejagt werden müssen, weil Wölfe, Luchse und Greifvögel diese flurbereinigende Aufgabe zum Schutz von Äckern und Weingärten heute nicht mehr übernehmen.” In der Gastronomie wird der Hase allerdings kaum noch angeboten, weil er angeblich „bei den Gästen nicht geht.”

Also setzen Sie bitte, wenn Sie das nächste Mal vor einer Wildkarte sitzen, ihr wildestes Lächeln auf, verkneifen Sie sich den Gedanken an den entzückenden Dürerhasen und lassen Sie sich von Meister Lampes Geschmacksvielfalt verwöhnen. Nicht nur Ihr Gaumen wird es Ihnen danken.

Walter Pschill/Rudolf Winkelmayer
Alles vom Wild. Das Wild-Kochbuch
Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag

Christoph Wagner

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