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Best of SPEISING.NET - Der Geschmack Gottes

31.03.07 @ 08:06

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--- Eintrag: Mittwoch, 20.07.2005 | 21:47 ---------------------------------

Der Geschmack Gottes. Ein Nachtrag zur Schönborn-Debatte

Seit jeher beschäftigt mich die Frage, ob es möglich sei, das Wesen von Gottes Schöpfung zu erkennen, indem man sie aufisst. Die Frage ließe sich freilich auch weiter führen: Ist es möglich, Gott, indem man seine Welt anknabbert und deren Geschmack ergründet, auf die Schliche zu kommen, indem man dabei auch den Geschmack Gottes ergründet?

Für mich ist die Antwort ganz klar: Um an Gott und seiner Schöpfung Geschmack zu finden, muss man zunächst einmal wissen, was Gott schmeckt. Nur wer Gottes Geschmack kennt, vermag auch seine Schöpfung zu enträtseln. Aber wer weiß schon, ob er danach an Gott und seiner Schöpfung auch noch wirklich Geschmack fände?

Gott weiß das natürlich auch. Und deswegen hat er wohlweislich das Seine dazu getan, um seinen Geschmack in den Schriften des Alten Testaments gründlich zu verschlüsseln. Dabei hat er ganz klare Speisegebote dekretiert. Doch lassen diese Rückschlüsse auf seinen Geschmack zu, oder wollen sie nur einfach befolgt sein?

Nun gut. Versuchen wir´s einmal:

1. Gott liebt das Fleisch. Dabei könnte man aus dem Studium der Genesis leicht gerade die gegenteilige Erkenntnis gewinnen. Denn das Paradies ist vegetarisch. Alles was darin wächst, also alles Vegetarische, gestattet Jahwe seinen Geschöpfen Adam und Eva zu essen. Nur die Früchte vom Baum der Erkenntnis, an denen offenbar auch die Schlange interessiert ist, dürfen Adam und Eva nicht essen. Die Frage, ob es sich dabei um einen Apfel, eine Mandarine, einen Paradiesapfel oder einen Pfirsich gehandelt hat, scheint also müßig. Selbstverständlich handelte es sich bei den Früchten des Baumes der Erkenntnis um nichts Vegetarisches, sondern um Fleisch. Gott aß es gerne, und er wollte nicht, dass man es ihm wegaß, also verbot er es. Am Baum der Erkenntnis hingen also Würste, Schinkenkeulen, Saumaisen und Rippenspeere. So einfach war das. Und Gott fand Gefallen daran.

2. Gott liebt den Wein. Vom Wein ist im Paradies nicht die Rede. Erst nach der Sintflut, als die Menschen auch Fleisch essen dürfen, ist er plötzlich da und beschert Noah, der ihn noch nicht kennt, fürs erste einmal einen gehörigen Rausch. Dazwischen liegt die Verkündigung der Speisengebote Jahwes. Die ausdrückliche Erlaubnis, Fleisch zu essen, erteilt Jahwe der Menschheit erst nach der Sintflut.„Alles Lebendige, das sich regt, soll euch zur Nahrung dienen” (1 Mos 9, 3) ist zweifellos eine Geste der Milde, eine Konzession an die nunmehr — nach Sündenfall und Sintflut — bereits zum zweiten Mal bestrafte Menschheit. Dass diese Erlaubnis zeitgleich mit dem ersten Auftreten des Weinstocks in der Bibel erfolgt, mag ein Zufall sein: In jedem Fall gönnte Jahwe Noah ausdrücklich den Braten — und schenkte ihm den Wein dazu. Aus dem himmlischen Paradies war endgültig das irdische geworden — mit allen Gefahren, die dieses auch bergen mochte. Die Frage ist lediglich, was dazu führte.

3. Gott liebt die Sünde. Genau das ist die einzig mögliche Antwort auf diese Frage. Gott, der, von Anfang an seiend, gewissermaßen naturgemäß das Gute und das Böse in sich vereint, schuf sich — ob aus Langeweile, Experimentierlust oder Bosheit, wissen wir bis heute nicht — den Menschen nach seinem Bilde. Selbstverständlich war sich Gott dabei bewusst, dass in ihm und daher auch in diesem Bilde Gutes wie Böses enthalten war. Aus einem uns, trotz aller theologisch-philosophischer Aufarbeitung, ebenfalls bis heute noch nicht bekannten Grund setzte Gott sich aber, zumindest anfangs, in den Kopf, dass die von ihm geschaffenen Menschen nur den guten Teil seines Wesens erben sollten, obwohl er genau wusste, dass auch sein schlechter Kern in ihnen schlummerte. Um den nicht zu wecken, gab Gott den Menschen Vorschriften. Er versuchte sie, so gut er konnte, zum Vegetarismus anzuhalten, und er hielt den Wein und damit den Rausch von ihnen fern. Doch genau das klappte nicht. Das vorgeprägte Böse in Adam und Eva ließ sich nicht so mir nichts dir nichts hintanhalten, ebenso wenig wie offenbar der finstere Teil in Gott selbst, der sich flugs in eine Schlange verwandelte und das Unternehmen Gutmensch von vornherein zum Scheitern brachte. Gott musste also, ob er wollte oder nicht, mit den von ihm geschaffenen Menschen in weiterer Folge das Fleisch, den Wein und die Sünde teilen.

4. Was Gott noch alles liebt. So ganz und gar wollte Gott, was er liebte, mit den Menschen, die er ja nicht nur als seine Geschöpfe, sondern auch als seine Untergebenen empfand, dann wieder doch nicht teilen: Also ächtete er die Sünde ganz im allgemeinen, legte dem Weingenuss gewisse Regeln des Maßhaltens auf, indem er den nackten Noah gleich einmal zum Gespött seiner Söhne machte, und er verbot dem Menschen schlichtweg den Genuss aller seiner Lieblingsspeisen. Eine andere kausale Logik für die mosaischen Speisegebote lässt sich nämlich beim besten Willen nicht finden, obwohl Theologen, Judaisten, Ethnologen und Ernährungswissenschaftler sich an diesem Thema, weiß Gott, die Zähne ausgebissen haben. Es mag banal klingen, allein: Wir können davon ausgehen, dass Gott, was er als rein bezeichnete, nicht besonders mochte, während das, was er unrein nannte, seinem Geschmack entsprach. Auf diese Weise erschließt sich durch den Geschmack Gottes plötzlich ein Menü der verbotenen Genüsse: Gefülltes Kamel, Dachsbraten, gebratener Aal, Drachenkopf, Forellen, Saiblinge, alle Krusten- und Schaltiere vom Flusskrebs über den Hummer bis zur Languste, Rabenragout, Heuschrecken, die feinen Geckos, Eidechsen, Salamander und so manches andere, wofür wahre Feinschmecker gewohnt sind, von weither anzureisen.

5. Ob Gott auch Designer ist, mögen andere beurteilen, und es ist mir, ehrlich gesagt, auch nicht so wichtig. Nach der vorangegangenen kleinen Beweisführung wage ich jedoch zu behaupten: Gott ist Gourmet.


Christoph Wagner

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