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Wessen Wille bricht zuerst?
Widerspruch am Donnerstag
27.03.08 @ 13:05
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Ein Widerspruch hatte vor einiger Zeit ein Lokal eröffnet. Er wollte sich entwickeln und seine Vorstellungen guter Küche verwirklichen: Nur natürliche Aromen, wenig Salz, wenig "Verfälschung", wie er stets betonte. Das Lokal kam optisch bei den Gästen sehr gut an, die Speisekarte gefiel und die Weinkarte hatte den Schwerpunkt Wiener Wein mit kaum bekannten Winzern.
Nach der medial akklamierten Eröffnung füllte Laufkundschaft das Lokal, um sich ein Bild zu machen, kam aber nicht wieder. Auch autochthone Gäste testeten den neuen Platzhirschen, ohne jedoch als Stammgäste wiederholt Platz zu nehmen. Die Gäste schwanden wie das Salz in den Streuern. Und dieses Salz war er als Koch nicht bereit, den Gerichten hinzuzufügen. Den Gästen fehlte es an Würze und Aromen, ihnen waren die Gerichte schlichtweg zu fad. Auch verlangte es den Gästen stets nach Sabathi, Pichler und Wieninger - die angebotenen Wieselthaler, Klager und Heiss kannten sie nicht und wollten sie nicht.
Der Widerspruch war jedoch von seinem Küchen- und Kellerkonzept überzeugt und blieb bei seiner Linie. Bloss, dass niemand mehr da war, den er davon überzeugen konnte. Mittlerweile kocht er wieder in einem Systemgastronomiebetrieb, ohne Ambitionen, denn diese wurden ihm von seinen Gästen genommen. "Die Menschen müssten wieder schmecken lernen ..." seufzt er manchmal beim Fischputzen.
Ein anderer Widerspruch eröffnete ebenso sein erstes eigenes Lokal. Er bot den Gästen einerseits klassische Wiener Standardküche an, andererseits kreativ inspirierte Eigenkreationen. Die Gäste kamen in Scharen und blieben auch, das Lokal ist seit der Eröffnung ausreserviert. Trotzdem jammert der Widerspruch, da die Gäste in erster Linie Eiernockerl, Schnitzerl und Fleischlaberl mit Erdäpfelpüreé ordern und dazu ein Glaserl Schankwein süffeln. Seine Kreativgerichte würden zwar gelobt, mault er, aber nicht bestellt. Alles lande im Mist - er habe eigentlich keine Lust mehr, hier weiterzukochen - das wären nicht seine Vorstellungen eines modernen Wiener Wirtshauses. Trotzdem macht er weiter, ja er hat sogar die klassichen Gerichte um einige erweitert und der Rubel rollt. Die Gäste haben das Sagen und bestimmen die weitere Linie des Lokals durch ihre Wünsche.
Falsch?, frage ich. Ist ein Lokal nicht da, um den Gästen zu gefallen? Was hat der Wirt davon, wenn er an seiner Zielgruppe vorbeikocht? Volle Töpfe, leerer Speisesaal, negative Bilanzen? Gratuliere zum Rückgrat!
Er sei aber kein Erfüllungsgehilfe, ruft mir der Widerspruch zu. Er habe eine klare Vorstellung von guter Küche und möchte damit Erfolg haben - er müsse nicht jedem Gast nach dem Mund kochen!
Kunst oder Handwerk.
Soll der Koch den Gast erziehen? Oder soll der Gast das bekommen, was er will?
Vor zehn Jahren lästerte ein Gastrokritiker noch darüber, dass ihn ein Kellner nach dem Garungsgrad des georderten Thun gefragt hätte - eine Selbstverständlichkeit mittlerweile. Auch gab es keine Zitrone zum Fischteller und die Garnelen waren halbroh (heute würde man "perfekt glasig" sagen). Fisch- wie Rinderfilets wurden von schweren Saucen befreit - auch gegen das Monieren der Gäste. Jener Art Gäste, die viel Geld für einen schönen Abend in die Hand nehmen und diesen aus ihrer Sicht dann aber nicht bekommen.
Natürlich sollen die Köche Vorgaben machen können, wer sonst hält die Küche dynamisch, urgiert der Widerspruch. Ohne den Mut mancher Köche würden wir stets dasselbe essen müssen.
Ich stimme ihm zu, aber unter einer Bedingung: Den Gästen müsse klar sein, was sie erwartet, bevor sie so ein Lokal betreten, nämlich das Unerwartete. Und bleibt dieses aus, sind sie erst recht enttäuscht. Zurück zum Start.
Gregor Fauma
8 Kommentare | Kommentar abgeben
OberkllnerPatzig, 02.04.08 @ 15:54
Zwei Fliegen auf einen Schlag
Für mich löst die "Katze" das skizzierte Problem: Ich bekomme Schnitzel, Wangerl und Beuscherl, aber auch regelmäßig zuvor noch nie Geschmecktes serviert. Ich habe die Wahl, und das in einem unprätentiösen Schankraum und ohne Besseresser am Nebentisch.
piccolina, 29.03.08 @ 14:14
Widerspruchs Bruder...
..ist die Zustimmung und nichts ist so schwer errungen wie Zustimmung zu Neuem.
Ist fast rohes Gemüse schon neu? Ich meine, das kann der besten Hausfrau passieren.
Vielleicht hat der Erfinder der allzu neuen Küche die Gäste überfordert, wenn nichts Vertautes mehr auf dem Teller ist. Neue Sorten von allem was man essen kann sind okay, da bin ich immer dabei es wenigstens zu kosten, nur eine gänzlich andere Art der Zubreitung birgt immer die Gefahr, dass man selbst Vertrautes nicht wiedererkennt und das ist schon für Urmenschen höchst verdächtig gewesen.
Da das Essen ein sinnlicher, entspannter Vorgang sein sollte, sind wahre Experimente ohnehin riskannt, denn ich möchte sicher nicht nach dem Essen stundenlang darauf warten ob ich diese Malzeit ohne Bauchweh überlebe oder nicht!
Um Protesten vorzubeugen, es geht mir nicht um Optimierung der Zubereitung, um Auswahl der Zusammenstellung oder gänzliche Absprache der Kreativität! Ich glaube, dass man die Urinstinkte der Menschen (die zB. kein Blau mögen und nicht wissen warum) nicht unterschätzen darf. Ich mag keinen rohen Fisch, wenn ich ihn nicht selbst gefangen habe und haargenau weiß, wann er noch lebte! Das ist zwar kein Urinstinkt, dafür Erziehung, die sicher auch eine Rolle spielt.
Man kann sich auch ins Abseits widersprechen und manch einen Widerspruch nennt man auch Dickkopf und der kann manchmal tödlich sein!
dschungeltier, 27.03.08 @ 17:55
Scheitern vorprogrammiert?
wer mit allem brechen will und seinen kunden alles anders vorsetzen will darf sich nicht wundern, wenn die das nicht wollen. das sind dann die berühmten verkannten genies, die ihrer zeit voraus waren. die nachwelt war dann vielleicht gescheiter, aber was nützt es dem genie?
bestimmte dinge müssen evolutionär und nicht revolutionär angegangen werden, der konsument ist ein hund. er goutiert nur selten neues, und wenn dann so schwachsinniges wie red bull. und von den wenigen, die revolutionäres mögen, können nur wenige leben.
schade um widerspruch. bei mir hätte er chancen.
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