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Palazzo

mit gemischten Gefühlen

10.01.10 @ 20:23

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Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul, lautet ein bekanntes Sprichwort. Wenn das Geschenk allerdings von einem Freund kommt, der einem wirklich eine Freude machen wollte, wenn das Geschenk außerdem noch teuer ist, werde ich um so kritischer.
Und daher berichte ich hier subjektiv und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen über den heutigen Abend im Palazzo-Wien, ein Abend mit dem Projekt IMPERIAL DINNER TRAIN.

Die Eintrittskarte kostet pro Person 148 € + 47 € Getränkebegleitung. Das ist ein ganz schöner Betrag, den ich mir vermutlich selber nicht leisten würde, - für eine entsprechende Opernkarte allerdings jederzeit.
Im Vorfeld gab es ein paar Unstimmigkeiten, die teilweise auf fehlende Internet-Informationen und teilweise auf mangelnde Aufmerksamkeit meinerseits zurückgingen. Jedenfalls wurde ich dann bei meiner Beschwerde darauf hingewiesen, dass mir der Schenkende schon hätte sagen sollen, dass ich Manege buchen müsse, andernfalls verfalle der entsprechende Gutscheinbetrag. Die Behandlung meiner Reklamation war dann aber sehr ordentlich und flink und kostete mich nur ein Dreizeilen-Mail. Das war gut, sonst wäre ich mit sehr gemischten Gefühlen hingegangen.

Das Schauspiel findet in einem großen Zelt am Wiener Messegelände statt. In der besten Sitzkategorie gibt es Tische, an denen jeweils sechs Pärchen Platz haben. Dass mein linker Nachbar, Baujahr 1938 ein sehr liebenswürdiger Herr mit unheimlich ähnlichem Hintergrund war, zählt zu den Zufällen, denen ich im Leben häufig begegne. Auch in Linz geboren, auch Elektrotechnik studiert, auch mit sehr viel Reisetätigkeit unterwegs gewesen, für Klavier begeistert, Modelleisenbahn als Hobby und ein paar andere Details mehr. Ich hoffe, wir werden uns wieder begegnen, ich habe ihm jedenfalls meine Karte gegeben.
Unser Platz war gut, das heißt gute und nahe Sicht auf die zentrale Bühne des Zelts. Wir waren gut aufgelegt.

Für die Ungeduldigen unter den LeserInnen: es war ein gelungener Abend. Das Programm war so angelegt, dass es gute Laune erzeugte. Clowns der gehobenen Art und Zirkusartistik, die mir persönlich außerordentlichen Eindruck machte. Warum? Ich habe in meinem Leben schon sehr oft einen Zirkus besucht. Die einfachen Landzirkusse mit den Kindern, Zirkus in Moskau, den chinesischen Nationalzirkus, Circ de Soleil, auch Roncalli, obwohl ich den wegen der Scientology-Zugehörigkeit des Besitzers nicht "freiwillig" besuche.

Die meisten Gags der "Artisterie" habe ich schon irgendwann einmal gesehen, doch bei jeder der heutigen Nummern gab es einen besonderen Dreh in der Choreographie, der ausgesprochen interessant und neu war. Der allerletzte Trapezakt war trotz der dezenten Gestaltung ausgesprochen erotisch.
Die Clowns begleiteten als "running gag" durch das Menu mit den unterschiedlichsten Einlagen. Die "Diva" war eine Lady, die laut Internetanpreisung schon 50 Jahre auf der Bühne steht und schon mit den unterschiedlichsten Größen zusammen aufgetreten ist.
Nehmen wir an, sie ist siebzig. Die Chansons und das Schauspiel waren ganz fein, hatten Stil und Klasse.
Gehen wir einmal davon aus, dass die ganzen 148 € für das Kabarett aufgingen. Dann war das ein gut investierter Betrag. Drei Stunden erlesene Unterhaltung in diesem Rahmen sind das wohl wert.
Ich befürchte allerdings, dass die Künstler gar nicht so viel von diesem Geld sehen werden. Denn angepriesen wird ja das kulinarische Ereignis von Gerer.
Von dem Viergang-Menü war die Vorspeise, eine Art Tatar mit wirklichem fantastischen feinem Spargel in einer fulminanten Sauce kulinarisch erwähnenswert. Da gibt es nichts zu meckern.
Der vierte Gang, flüssiger Schokoladekuchen mit Sorbet von der Passionsfrucht war ebenfalls tadellos.
Gang 2, Zander auf Barolo-Risotto, und Gang 3, Filet vom Milchkalb, waren ok. Man hätte nichts beanstanden können. Aber es war keine große Küche. Den Zander würde ich mittlerweile auch so zusammenbringen, das Risotto ebenso. Das Milchkalbfilet war ziemlich offenkundig tieftemperatur zubereitet, tadellos in der Konsistenz, aber alles andere als originell. Da helfen auch die sehr feinen Gnocchi nichts.
Also kurz gesagt, ein entsprechendes Menü bekomme ich in den besseren Lokalen in Wien um 35 € und dann ist es aber noch etwas origineller zusammen gestellt.
Geht man jetzt also davon aus, dass die Revue die Hauptattraktion ist, dann ist alles ok. Frau oder Mann bekommt im Rahmen der Revue noch etwas Futter dazu geliefert.
Wird der Palazzo aber als Errungenschaft eines Haubenkochs a la Gerer propagiert, handelt es sich um Augenauswischerei.
Sollte man jetzt hingehen?
Wenn man es sich leisten kann, ja. Wenn man nur gut essen will, ist ein anderes Lokal weitaus besser, wenn ich da z.B. an das Tancredi, wo wir unsere Weihnachtsfeier hatten, oder an Kristians Monastiri in der Neustiftgasse denke.
Ich habe früher bei Gerer gegessen, als er noch der Chef des Restaurants vom Bristol am Ring war. An die damalige Qualität kommt kulinarisch gesehen das Palazzo-Event nicht heran.

Bertrand Russell

5 Kommentare | Kommentar abgeben

SommSommelier, 18.01.10 @ 20:42

zu epicuria: Wiedergutmachung : 1 Fl. Riesling
.. denke darauf hätte man gerne verzichten können. Unterm Strich bleibt: Ein verhauter Abend, ein schwacher Neujahrsbeginn

epicuria, 18.01.10 @ 16:27

Fairerweise
muss ich noch sagen, dass uns als Wiedergutmachung eine Flasche Riesling, Alte Reben, 2006, aus Gobelsburg offeriert wurde - die sich beim Kauf mit 36 Euro zu Buche geschlagen hätte.

epicuria, 18.01.10 @ 16:16

Nicht nur Palazzobesuche
können für Frusterlebnisse sorgen. Auch Silvestergalas in Grafenegg sind für so was gut. Der Preis von 99 Euronen hört sich vergleichsweise noch halbwegs günstig an, der Gegenwert hingegen kann mit wenig punkten.
Schön der Reihe nach. Da wir seit urgrauen Zeiten im niederösterreichischen Alpenvorland ein zweites Zuhause haben und die Silvesterveranstaltungen in der dörflichen Umgebung nicht viel Kulturgenuss bieten, haben wir uns von Freunden schon letztes Jahr nach Grafenegg zum dortigen Silvesterkonzert mit anschließendem Galadiner bei Toni M. überreden lassen. Um über das Konzert zu sprechen, ist hier nicht der passende Rahmen – nur so viel sei gesagt, es war heuer viel besser als letztes Jahr, was aber bloß eine relative Wertung ist. Letztes Jahr gab es nach dem Konzert ein Menü so um die 70 oder 75 Euro, wir saßen ziemlich abgeschottet im Restaurant, das Essen war gut, das Feuerwerk zu Neujahrsbeginn sehr schön, also es sprach nichts gegen eine Wiederholung ein Jahr danach. Der Preis war ordentlich gestiegen – auf Anfrage unserer Freunde, warum denn, hieß es, das sei wegen der Mitternachtsüberraschung. Die Karte versprach nichts Außergewöhnliches. Eine Terrine von Fasan und Gänseleber mit Moosbeerensauce, Selleriesalat und unleserlichen Nüssen zum Beginn, nicht sehr g’schmackig, aber genießbar. Danach eine würzige Velouté vom Muskatkürbis mit Marillenkernöl und Topfenenockerl. Soweit ich mich erinnere, war es wirklich nur ein Nockerl, das fehlende Mehrzahl-N war also nicht zu bemängeln. Für dieses eine Nockerl (oder waren es doch zwei?) geviertelt, war gerade genug Suppe vorhanden, um die Nockerlteile nicht ohne Suppe schlucken zu müssen. Geschmacklich war das Petit rien aber in Ordung. Danach gab es – sehr zu meiner Verwunderung bei einem Galadiner – eine gefüllte Rindsroulade in Burgundersauce mit Erdäpfelpüree und schwarzen Trüffeln. Der erste Bissen machte nur kurz Station in meinem Mund uns landete wieder am Teller. Zähes, geschmackloses Fleisch, nicht zu kauen, obwohl ich noch im Vollbesitz meiner eigenen Zähne bin. Also Kellner gerufen, Roulade zurück. Dass ich das gute Püree nicht gegessen habe, sollte sich als Fehler herausstellen. Der Kellner kam nämlich ohne Teller wieder. Es wäre pro Person nur eine Portion vorhanden gewesen, tut leid. Ob ich noch eine zweite Portion Suppe wollte – aha, von der gab es noch! – oder ein zweites Dessert? Ich lehnte dankend ab, war schon ziemlich angespeist. So hatte ich Zeit, zu sehen, wie an den Nebentischen Teller ausgetauscht wurden – soso, es gab also doch noch mehr von der Roulade? – aber auch diese Teller wurden kurz darauf wieder retourniert. Der Herr am Nebentisch gab seiner Meinung Ausdruck, es müsse sich um chinesischen Hund handeln, der ägrierte Kellner gab am anderen Tisch zu verstehen, dass die Omama des dortigen Beschwerdeführers ihre Rouladen wahrscheinlich mit Rindsschnitzeln zubereite – diese hingegen seien aus einer Beiried geschnitzt. Hm. Unsere Freunde kauten sich bis zum Gemüse durch und meinten, auch diese sei roh gewesen. Zubereitung also eventuell: Beiried nicht salzen, nicht pfeffern, auf einer Seite anbraten, eine Speckscheibe drauf, alles um das Wurzelgemüse wickeln und pochieren? Es kann auch ganz anders gewesen sein. Mit den Leuten am Tisch hinter uns entwickelte sich im Lauf des Diskutierens über Ausgangsprodukt und Zubereitung eine wirklich nette Bekanntschaft. Eine der beiden Damen nahm es auf sich, um Mitternacht in die M.’sche Küche zu gehen und Herrn M. ihre hausfrauliche Meinung zu sagen, weil sie so ang’fressen war ohne satt zu sein. Er konnte sich das gar nicht vorstellen. Das Dessert fügte sich nahtlos in den Rahmen des sonst Gebotenen. Verheißen wurde ein Williamsbirnentörtchen auf geeistem Vanilleschaum mit Pralinen Nougat Parfait. Was kam, war – wie von Nebentisch Nummer 1 richtig gesagt wurde „a Taaag“ mit geschmacklosen Birnen. Das Nougat Parfait war okay.
Die Weinbegleitung kam auch aus dem Haus M. und umfasste 3 Weine – einen guten Frühroten Veltliner, einen Blauen Burgunder, der der Burgundergläser nicht bedurft hätte und eine TBA, die reines Zuckerwasser war – keine Spur von einem Säuregerüst. Aber wahrscheinlich wurden die Weine wirklich zu den Speisen passend ausgewählt.
Das Feuerwerk war toll, ganz ehrlich.
Aja – es gab ja noch die 25 Euro teure Mitternachtsüberraschung. Tratratra vor den Vorhang: Sacherwürstel mit Senf und Kren. Ob es da pro Person auch nur ein Paar gegeben hat, haben wir nicht überprüft.
Wie sagte doch ein Herr, der auch draußen telefonierte zu seinem Gesprächspartner? „Das Beste an dem Abend war das Konzert.“

SommSommelier, 12.01.10 @ 18:45

ein entsprechendes Menü bekomme ich in den besseren Lokalen in Wien um 35 €-- aber nicht bei Gerer im Magdalenenhof. Da kostete ein Menü, bestehend aus Wiener Erdäpfelsuppe mit Pilzen, gebratenes Mittelstück vom Neusiedlerseezander auf Kraut und Rüben und hintennach Topfennockerl auf Beerenröster 47€

angelape, 11.01.10 @ 08:43

RE: Palazzo
Die Show im Palazzo ist wirklich toll, aber das Essen eines Reinhard Gerer absolut nicht würdig. Wir waren zu Weihnachten, da war der Zander weder knusprig gebraten noch irgendwie gewürzt und das Milchkalb zu Tode gebraten. Das Fleisch war so zäh, dass man es kaum schneiden konnte. Wr sich im Palazzo große Küche erwartet, wird maßlos enttäuscht. Dass man aber sehr wohl für 400 Gäste ein exzellentes Menü bereiten kann, durften wir ein paar Tage später bei der Silvester Gala im Balance Resort Stegersbach erleben. Das war ausgezeichent!

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