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Im Gespräch mit Niki Berlakovich

Der Lebensminister über Teller, Trog und Tank

03.03.10 @ 14:53

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Die Genussregionen werden sehr aufwendig promotet- erreichen Sie damit Ihre Zielgruppen?

Es ist eine wirklich geniale Initiative. Sie befriedigt das wachsende Bedürfnis der Menschen nach Lebensmitteln, die eine Geschichte erzählen, die eine Tradition haben, die regional verankert sind – es ist eine Gegenbewegung zu einem weltweit vereinheitlichten Geschmack, der Versuch das Besondere, die Vielfalt in Österreich im Lebensmittelbereich hervorzukehren. Daher arbeiten wir ständig an dieser Initiative und sind sehr bestrebt, diese auch mit anderen Sektoren zu vernetzen, mit der Gastronomie, mit dem Tourismus, mit der Hotellerie – mit Auszeichnungen wie den Genusswirten, Genusswochen oder GenussZielen. Die Wirte und Betriebe profitieren direkt von diesen Auszeichnungen, es macht doch einen großen Unterschied, wenn auf der Speisekarte steht, aus welcher Genussregion das Rindfleisch kommt – das macht für den Konsumenten die Zusammenarbeit mit den Genussregionen richtig sichtbar. Im fünften Jahr des Bestehens müssen die Genussregionen auch beweisen, dass sie die Auszeichnungen nach wie vor verdienen, sie unterliegen strengen Bewertungskatalogen, die sie erfüllen müssen.

Woran merke ich, dass ich in einer Genussregion bin?

Durch großformatige Schilder an den Straßen, während der Genusswochen gibt es die Fahne draußen vorm Gasthaus oder Restaurant, in der Speisekarte sollte es angeführt sein …

Was erwartet mich?

Ein Genusswirt, einer der Produkte aus der Genussregion hat, verpflichtet sich überwiegend diese Produkte auf der Karte zu haben und die Konsumenten auf diese hinzuweisen.
Es geht darum die Vorzüge österr. Produkte aufzuzeigen, mit Qualitätsproduktion mit einem starken Regionalbezug statt Massenproduktion, wie es beim Wein längst gelungen ist.

Stichwort Wein – bedeutet das DAC-Siegel nicht, dass da Geschmack über den Kamm geschoren und nivelliert wird?

Nicht die Rebsorte, sondern die Region ist wichtig, wie international üblich. Die Region definiert den Weintypus, das ist keine Nivellierung, sondern hilft dem Konsumenten, Weine zuzuordnen. Der Wein ist definiert und das ist ein Service am Konsumenten, ein gutes Angebot, weil nicht jeder Mensch ein Superweinkenner ist.

Wurde da nicht eventuell über das Ziel hinausgeschossen mit nicht-DACs bei der Bezeichnung? Wer kein Kamptal-DAC ist, darf nicht Kamptal auf seiner Flasche als Herkunft anführen ….

Die regionale Vielfalt bleibt ja den Winzern vor Ort überlassen, die können das ja machen wie sie wollen …

Ihr Lieblingswein?

Kann ich nicht sagen, Blaufränkisch trinke ich sehr gerne, wobei ich mich wieder mehr in Richtung Rotwein orientiere, auch die Niederösterreicher haben hier tolle Weine, Zweigelt, Portugieser …

Vitikult? DAC? Werden hier nicht ständig neue Marken und Siegel kreiert, nur um den Absatz zu stärken?

Diese Initiativen kommen aus den Regionen selbst, DAC ist aus den Regionen gewachsen. Ich sehe in all den Initiativen das Positive, das Bunte an der österr. Weinlandschaft, die Markengemeinschaften, die Produktionsgemeinschaften, auch das macht Österreich aus. Diese Vielfalt ist einfach schön.

Glauben Sie an die Klimaerwärmung?

Der Fehler des UNO-Klimasekretariats ist sehr ärgerlich, wir Politiker sind von den Informationen der Wissenschafter abhängig, hier gehört Ordnung hinein. Aber das Klima wandelt sich definitiv, Weinbau ist auch schon in Tirol, in Kärnten möglich – es gibt Positives, aber die Negativa überwiegen mit den Unwettern, Hochwasser u.ä.. Ich sage es immer wieder: Der Klimawandel ist eine Bedrohung, der Klimaschutz ist eine Chance! Mir geht es um Klimaschutzbemühungen, in denen ich eine Chance für Österreich sehe, in green jobs und Umwelttechnologien, bei den regionalen Produkten …

Sind Bauernmärkte, wo der Bauer sein Tragerl Gemüse mit einem alten Diesel-Kombi anliefert, nicht das Gegenteil einer guten Absicht? Überlagert hier die Romantik die Vernunft?

Stimmt, aber die Vielfalt macht es aus. Diese Formen des Direktvertriebs wird es immer geben, macht aber nur einen sehr kleinen Teil aus. Wichtig ist die Vielfalt der regionalen Produkte im Handel, welche Handelsform auch immer. Was wir nicht wollen, sind Äpfel aus Chile, wenn es doch auch eine wunderbar breite Auswahl aus der Steiermark gibt. In innovativer Technologie liegt aber auch eine Chance bei den Antrieben: Biogase, Biotreibstoffe stellen neue Möglichkeiten für die Landwirtschaft dar …

Die Zukunft sollen aber die Elektro-Autos sein und weniger die Biotreibstoffe – ist es sinnvoll, hier weiter zu investieren?

Wir brauchen einen Mix. Bei Biotreibstoffen haben das Prinzip und die Prioritätenreihung: Teller, Trog und Tank: Zuerst füllen wir die Teller für uns, dann füttern wir unsere Tiere, und erst wenn alle Bedürfnisse gestillt sind, können wir damit auch Fahrzeuge antreiben.

Wird der Anbau gefördert?

Nein, wird er nicht, aber wir haben Ziele was die Beimischung betrifft. Durch die Bemischung der Biotreibstoffe, da sind wir auch international führend, können wir die Treibhausgase reduzieren, aber das geht nicht unendlich. Wir wollen Biotreibstoffe nur dort einsetzen, wo es Sinn macht, aber nicht als Konkurrenz zu Lebensmitteln sehen. Aber auch da: Anstelle von Palmöl, das über tausende Kilometer erst hergebracht wird, setzen wir auf heimisches Rapsöl.

Der Begriff Bio-Treibstoff könnte suggerieren, dass er biologisch angebaut wäre, ist das der Fall?

Nicht unbedingt, aber teilweise: Es gibt zB eine Initiative von Biobauern, die den Biorapsanbau betreibt, einen Teil davon wird für Lebensmittel abgefüllt, ein Teil wird als Zusatz bei den Treibstoffen verwendet – das führt in Richtung Energieautarkie, da bleibt auch die Wertschöpfung in der Region.

Ihre Vision für die Handelsketten:

Die sollen ein starker Partner zwischen den Bauern und den Kunden sein, das Bedürfnis nach regionalen, hochqualitativen Produkten befriedigen, es kann aber auch nicht alles bio werden, das geht gar nicht. Aber gute Qualität hat ihren Wert und daher auch ihren Preis, nur muss den auch der Bauer für sein Produkt bekommen.

Sind biologisch angebaute Produkte gesünder?

Studien bestätigen das nicht. Mir ist eine große Produktvielfalt wichtig, dass sich jeder Kunden nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten das aussuchen kann, was wer will, und dass im Handel echte und geprüfte Lebensmittel sind.

Sollte man Exportbeschränkungen machen, Stichwort chilenischer Apfel, dass wir keine Exporte von österreichischen Produkten nach zB Chile fördern, die es dort auch lokal gibt?

Ich bin da nicht für Beschränkungen, sondern für die Kennzeichnung. Hier liegt die Entscheidung bei den Konsumenten, die erkennen, woher etwas kommt und dann sagen "das kauf ich nicht". Aber natürlich sollen die Konsumenten auch die Möglichkeit haben, etwas zu vergleichen, einmal ein chilenisches Schwein zu kosten – das ermöglicht auch den Wettbewerb, aber auf Grundnahrungsmittelbasis halte ich es für falsch, beispielsweise Milch nach Neuseeland zu exportieren oder Äpfel nach Chile. Wo ist der Mehrwert bei einem Produkt, das muss die Frage sein, wenn ich auf eines zurückgreife, das von weit her kommt.

Wodurch unterscheidet sich schwarze von roter Landwirtschaftspolitik?

Die Sozialdemokratie gibt vor, sich um die kleinen Betriebe zu kümmern, in Wahrheit aber versucht sie alles über den Preis zu regeln, die Preise für Produkte niedrig zu halten. Aber das kann nicht das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft sein, das funktioniert nicht. Die Konservativen haben eine nachhaltige Landwirtschaft als Ziel, das ist der wesentliche Unterschied.

Wie sehen Sie Ihre Zusammenarbeit mit den Grünen, früher gab es einige Gemeinsamkeiten?

Die Grünen fordern viele Sachen, die der Markt einfach nicht hergibt, so kann zB einfach nicht flächendeckend in Österreich biologische Landwirtschaft einführen, das gibt der Markt nicht her. Als Marketing-Gag für die Partei vielleicht brauchbar, politisch und inhaltlich aber falsch.

Wie können Sie gegen die vielen Bezeichnungen/Siegeln vorgehen, mit denen die Konsumenten konfrontiert werden? Natur pur, Ursprungsbauern, Bio, AMA, AMA bio, usw. ..?

Einzig das AMA Gütesiegel und das AMA Biozeichen sind staatlich anerkannt und werden auch entsprechend streng kontrolliert. Alles andere sind Eigeninitiativen, wie beim Wein. Wenn sich Bauern zusammentun und auf ihren Produkten die CO2-Bilanz anführen, so ist das zu begrüßen und stellt auch in diesem Sektor einen Wettbewerb her. Die Vielfalt erzeugt immer einen Wettbewerb, von dem am Ende der Konsument beim Preis und bei der Qualität profitieren sollte. Wogegen wir vorgehen ist, wenn auf den Produkten Wahrheiten suggeriert werden, die nicht zutreffen, Stichwort Schummelkäse.

Wohin gehen Sie gerne essen:

Auch hier liebe ich die Kontraste, ich gehe gern zum Würstelstand, aber genauso gern in ein Restaurant in einer Genuss Region Österreichs.

Wo verbringen Sie gerne Ihren Urlaub:

Letztes Jahr Chicago, sonst gerne ans Meer, Italien, Spanien, oder daheim im Burgenland …

Wollen Sie der SPEISING-COMMUNITY etwas mitteilen?

Ich finde es großartig, dass sich die Speisinger so intensiv mit Essen & Trinken beschäftigen. Es ist der Dialog zu diesen Themen, der mitverantwortlich ist für die hohe Kultur hier in Österreich wenn es um Essen & Trinken geht.

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3 Kommentare | Kommentar abgeben

walterkunz, 04.03.10 @ 16:34

Listerien im Quargel
Die Ursachen des Listerienbefalls lagen beim steirischen Produzenten und nicht im importierten Grundprodukt. Dennoch erhebt sich für mich die Frage, warum die im Ausland zu Topfen verarbeitete Milch weit über Tausend Kilometer transportiert wurde, noch dazu aus Ländern mit eher hohem Preisniveau.

walterkunz, 04.03.10 @ 16:08

Die Qualität
des Grundprodukts und dessen Verarbeitung sind entscheidend, unabhängig von der Herkunft. Dennoch, Transporte über viele Hunderte oder gar Tausende Kilometer nutzen weder dem Klimaschutz noch heimischen Betrieben und ihren Arbeitnehmern.

dschungeltier, 03.03.10 @ 18:58

also ehrlich gesagt
es izmir wurst ob eine kuh auf steirisch oder xibergerisch muh gesagt hat, bevor sie auf meinem teller gelandet ist. hauptsache sie ist gut.

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