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Bemerkenswertes aus dem Dschungel der Weinwelt
22.03.10 @ 07:54
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Tag 3 – Schieferklang, Donauwein und andere Fundstücke
Kein Plan für diesen Tag, ich lasse mich einfach treiben. In Halle 3 kämpfen in den hintersten Winkeln die osteuropäischen Exoten um Aufmerksamkeit: Moldavien, Rumänien, Georgien, Bulgarien, Türkei. Selbst das nahe Slowenien, Stajerska als Weinbauregion, rückt so in weite Ferne. Ich besuche den Ex-Kollegen, der nun für Dveri Pax an der immer noch erklärungsbedürftigen Front steht. Rheinrieslinge mit deutlichem Gerbstoffanteil, das trifft wohl nicht den österreichischen Geschmack. Das weiß auch Erich Krutzler, Bruder auf der einen Seite und Schwiegersohn auf der anderen, der im östlicheren Teil des Großraumes, wo sich bereits pannonische Stilistik bemerkbar macht, mit dem Weingut Marof für pointierte, aber eben auch „andere“ Weine steht. Der Welschriesling etwa, aus Lagen nur wenige Hunderte Meter vom südoststeirischen Tieschen entfernt, von vulkanischen Böden, der ungewohnt füllig, aber doch mit wunderbarem Trinkfluss auffällt. Viel Würze und Mineralität, das gilt auch für den Sauvignon Breg 08 vom roten Schotter, aus 600l-Fässern unfiltriert in Burgunderflaschen gefüllt. Und ein neues Projekt hat sichtbar viel Geld im Hintergrund: die Weine von Pullus haben nicht nur ein flottes äußeres Auftreten, sondern sind auch von allgemeiner verständlicher Geschmacksqualität.
„Wir müssen über Mineralität kommunizieren“ erzählt wenig später ein immer gut gelaunter Reinhard Löwenstein und legt stets das passende Stück Boden zu seinen Weinen: Schieferklang pur am Gaumen, die vom Roten Schiefer üppig und gelbfruchtig, während die vom Blauen Schiefer nicht everybodys darling sind – aber „Kompliziertes muss man bewusst genießen“ ist ein weiteres der vielen Bonmots, die in kürzester zeit aus dem Mann mit dem großen Engagement herauspurzeln. Und natürlich sind es die 2008er, die jetzt aktuell zu verkosten sind. Markantes Beispiel, wie sehr man den Weinen Zeit lassen kann, liefert auch J.B.Becker im Rheingau. Hans-Josef Becker lässt die trockenen Rieslinge erst ein ganzes Jahr im Fass reifen und zieht dann erst auf Flasche: zu frühes Füllen samt Filtrieren bräche den Weinen das Rückgrat, und Süße täusche oft nur Körper vor. Also wird die Verkostung einer Serie von 1992ern zu einer überzeugenden Demonstration dessen, was Zeit in einem Weinleben bedeuten kann.
Neues aus Portugal: bei Dirk Niepoort finde ich die Weine von Julia Kemper, einer erfolgreichen Rechtsanwältin, die aus einer alten portugiesischen Familie stammt. In der Region Dão hat sie den früheren Besitz der Familie gekauft, neue Weingärten ausgepflanzt, in denen nach Biorichtlinien gearbeitet wird, einen neuen Keller gebaut. Und Weiß wie Rot aus traditionellen Rebsorten sind eindrucksvoll, hervorstechend – Fülle, Würze, Gerbstoff. Ein neues Projekt auch bei Dirk Niepoort: der GiroSol aus 100% Loureiro bringt frische, intensive Frucht ähnlich wie ein Riesling, frische Säure, aber nur 10,5% vol Alkohol – ein Sommerwein, der aber nicht dünn ist. Immer wieder ein bemerkenswertes Erlebnis sind Christiano van Zellers Weine, aus bis zu 90 Jahre alten Rebstöcken, fast schwarz im, Glas, rauchig, komplex, ungemein ausgewogen, wo die Säure der autochthonen Rebsorten jene Frische gibt, die den reichen Alkohol zu balancieren imstande ist. Wesentlich weicher angelegt sind hingegen die eigenen Weine der – ja, das muss ich schon sagen – wunderschönen und erfolgreichen Önologin Sandra Tavares - „to give pleasure“ lächelt sie aus ihren grünen Augen.
Na alsdann! Neues Projekt auch aus Österreich: Ferdinand Mayr, Weinakademiker, Spanienkenner, immer leicht zerstreut wirkend mit seinem Rucksack unterwegs, hat nun eine eigene heimische Weinlinie, bei der die Basisweine weiß und rot vor allem für die Gastronomie als Preis-Leistungsweine mit ausgesprochenem Qualitätsbewusstsein gelten dürfen, während die Kremstal-Reserven Kaiserwetter versprechen ;-)
Vor allem aus dem Spitzer Graben kommen die kompromisslos mineralischen, präzisen Weine von Peter Veyder-Malberg, der sich nach langen Jahren bei Graf Hardegg nun ganz den eigenen Weinen widmet; er verfügt aber auch über Lagen bei Loiben. Ganz im kühlsten Eck der Wachau hingegen beheimatet sind die Weine von Martin Muthenthaler, ein noch unbeschriebenes Blatt im sonst so vordergründig tänzelnden Reigen der Wachauer Winzer – schlank, aber extraktreich, Mineralik und straffes Auftreten dank reifer, aber ganz sauberer Trauben. Mit dem neuen Jahrgang gibt es neue Etiketten, die den Stellenwert seines Tuns noch unterstreichen.
Und auch am dritten Tag blieb zu wenig Zeit, all das, was noch verkostenswert gewesen wäre, auch tatsächlich anzuschauen; am in sich so reichhaltigen Stand von Vinaturel reichte die Zeit gerade noch für einige Einblicke in das Weingut Zind-Humbrecht, wo ein ehemaliger Beleuchter vom Film nunmehr als Kellermeister tätig ist. Aber vielleicht haben wenigstens die abschließenden Proben der biodynamischen Champagner von Franck Pascal etwas von seiner sagesse (extra brut) hinterlassen!
Tag Zwei – Amphoren
Die Gegend um Leutschach am südwestliche Zipfel der Südsteiermark ist eine sonderlich furchtbare – gerade hier ist die Konzentration an Winzern, die ungewöhnlichere Wege gehen, hoch: biodynamischer Anbau ist Standard, die Suche nach dem besonderen Ausdruck des Bodens oder dem des Weingartens oberstes Anliegen. Es sind allesamt Weine, die ihre Zeit brauchen, und so verwundert es nicht, dass etwa bei Sepp Muster der aktuelle Jahrgang 2007 ist, auch beim Welschriesling, während in den Kojen nebenan bereits eifrig mit den 09ern gehandelt wird. Gerbstoff und leise Oxidationsnoten machen zwar die Weißweine zu wenig typischen Steirern, dafür aber international kompatibel. Kompromisslosigkeit in der Arbeit gilt im Besonderen auch für Ewald Tscheppe, der mit seiner Werlitsch Ex Vero-Serie Weine für das große Burgunderglas fertigt – keine schnelle Befriedigung also für Freunde primärer Fruchtaromen! Und beide, Tscheppe wie Muster, haben auch jeweils einen Wein aus einer im Erdreich vergrabenen Amphore im Sortiment, da geht dann das Verständnis der meisten Verkoster nicht über ein „interessant“ hinaus.
Erde (von Sepp Muster), ein so schlichter wie bezeichnender Name für einen Wein, für den die Trauben erst mit Füßen gestampft werden, dann 8 Monate mit Kämmen in der 600 Liter fassenden Amphore verbringt, abgeseiht wird und sich noch weitere Monate im Tongefäß entwickeln darf, bevor er in ein großes, neutrales Holzfass kommt und nach insgesamt zwei Jahren dann gefüllt wird. Rauchig, mit medizinalen Noten, etwas Stroh, wilden Preiselbeeren, goldgelb im Glas und schlank am Gaumen – ein offener Wein von ungewohnten Aromen, aber bereits nach den ersten Schlucken entwickelt sich eine Vertrautheit und vor allem das Gefühl, immer mehr noch von diesem Wein trinken zu wollen und zu können. Kein frühzeitiger Sättigungsgrad durch Üppigkeit, sondern stete Anregung.
Im „Bio-Eck“ einer großen Halle war dann auch ein eigener Stand für die Präsentation der „Kvevri“, wie die Tongefäße aus Georgien heißen, zu finden. Ein deutsches Projekt zum Erhalt des traditionellen Handwerkes in Georgien beschäftigt auch Universitäten; Weinbeispiele aus Slowenien und Kroatien belegen neben jenen aus Österreich die Machbarkeit einer überlieferten Weinbereitung. Josko Gravner ist einer der bekannten Namen, die Domacija Kabaj Morel in der Goriska Brda, dem slowenischen Collio, arbeitet ungleich leichtfüßiger – Weine, die nicht ermüden.
Was der Tag sonst noch brachte: die aktuellen Jahrgänge der „Eltern“- und „Großeltern“-Generation der Weine von Gut Oggau: der Ausdruck des Weingartens wird in den Wein gebracht, daraus erklärt sich dann auch die Präsentation als „Person“. Und es sind tatsächlich Weinpersönlichkeiten, die zunächst, im ersten Augenblick, ganz leicht wirken und dann nach und nach und mit jedem Schluck mehr ihren Charakter entfalten. Weit weg von plakativem Fruchtgehabe, am Gaumen aber konzentriert.
Die wunderbare Blaufränkisch-Serie von Thomas Schwarz: Leithaberg, Eisner und Rohrwolf 2007, elegante Weine mit Biss, aus kühlen oder heißen Lagen, alten Weingärten, die die Mineralität schmecken lassen.
Zur Abwechslung Kalifornien anders: Jim Clenderen mit seinen Au Bon Climat-Weinen, straff mit kühlem Touch, ausgewogen mit feiner Säure.
Und weil mir im idyllisch gelegenen Restaurant Mönchenwerth ein Riesling vom Grauschiefer serviert worden war, sah ich mir das Weingut Altenkirch näher an – nicht gezielt, sie waren gleich neben den Amphoren positioniert. Ein junge japanische, in Deutschland ausgebildete Kellermeisterin ist hier für die Weinlinie zuständig, kraftvolle Rieslinge von reifer Üppigkeit, die aber immer mit intensivem Bodenausdruck balanciert sind. Der Spätburgunder wird in Holzgefäßen mit den Füßen gestampft, und der Rieslingsekt vom Grauschiefer wurde mit frischer, grüner Apfelfrucht und reichlich Schieferaromatik zum erfrischenden Abschluss eines langen Tages.
Der Vortag
Bereits zum zweiten Mal organisiert Christina Fischer am Samstag das Biodynamie-Tasting „La Renaissance des Appelations“: ein überaus spannender Rundgang durch die Welt des biodynamischen Anbaus, von Seminaren mit Nicolas Joly begleitet. Französische Weingüter sind in der Überzahl, aber auch Deutschland, Österreich und Italien sind mit namhaften Vertretern dabei: darunter etwa Wittmann, Nikolaihof, Elisabetta Foradori.
Marc Kreydenweiss aus dem Elsass präsentiert nicht nur seine Weißen, die bei niedrigem Alkohol dennoch enorme Dichte und Ausdruck schmecken lassen, sondern auch die Rotweine aus der Region um Nîmes, wohin er sich vor einigen Jahren bereits zurückgezogen hat. In der nördlichen spanischen Provinz Bierzo hat sich Alvaro Palacios, durch seinen Hermita bekannt, gemeinsam mit dem Neffen Ricardo Pérez auf die Rebsorte Mencía spezialisiert; mit Corullón und Moncerbal zeigen sie, wie Kraft und Eleganz miteinander tanzen können. Höchst Spezielles aber war im Jura zu finden – die stark oxidativ ausgebauten Weine der Domaine Tissot spalteten denn auch die Geschmäcker. Ich war schlichtweg begeistert, vor allem die Traminer Arbois Savagnin 2006 als auch der schon fast sherryartige Arbois Vin Jeaune 2003 mit ihrer eigenwilligen Ausdruckskraft hätten mir mehr zum Trinken denn zum Kosten verführt.
Der erste Tag
Es ist immer schwierig, durch die Österreich-Halle, die auf dem Weg zu allen anderen liegt, zu kommen, ohne hängen zu bleiben – aber die interessantesten heimischen Ansätze fand ich an diesem Tag anderswo, zum Beispiel Wein ohne Schwefel, das überzeugende Experiment von Franz Strohmeier aus der Weststeiermark . Es erfordert, sagt er, vor allem sehr gezielte Arbeit im Weingarten, denn von dort dürfe nichts kommen, was später die Entwicklung ohne Einflussnahme stören könnte. Die Harmonie der Weine ist ohne die üblichen Zutaten zum Wein viel größer, ist er überzeugt, und tatsächlich sind als Ergebnis seiner konsequenten „Nicht“-Arbeit, muss man fast sagen, bemerkenswert. Allerdings entziehen sich die Weine einer üblichen Kategorisierung, sind, wie die Fassproben 2008 von Chardonnay und Sauvignon Blanc zeigen, von überaus dunkler Farbe, fast schon ins Bernsteinige gehend. Doch hat man sie erst einmal am Gaumen wie gerade auch den Weißburgunder 2007, der jetzt der aktuelle Jahrgang ist, verlangt einen nach erstem neugierigen Kosten nach immer mehr, man wird nicht satt von diesem anregenden, zugleich fordernden wie auch Zufriedenheit spendenden Erlebnis. Eine fast durchgängige Aromenempfindung, auch beim höchst eigenwilligen Wildbacher 2007 „Sonne“ war Oregano – Ausdruck des Bodens, auf dem die Weine wachsen.
Und weil er am Stand gleich daneben platziert war, mussten die Süßweine von Martin Pasler als „Zwischenjause“ herhalten, darunter ganz bemerkenswert die bernsteindunkle TBA aus Pinot Noir, in Zusammenarbeit mit Birgit Braunstein entstanden. An Einzelweinen blieb haften: ein hochreifer Sancerre 2007 von Chateau Langlois an der Loire, der aufgrund des Preis-Leistungsverhältnisses die Steirer locker überbieten kann, dort müssten man schon zu ersten, gar großen Lagen greifen, um Ähnliches vorzufinden.
Und Josef Umathums „Lindenblättriger“, dessen Etikettierung zu einer typisch österreichischen Amtsfarce wurde. Denn die alte Rebsorte, die als Antwort auf den Klimawandel gelten kann, da sie immer über wenig Alkohol, aber viel Frische verfügt, ist bei uns keine Qualitätsrebsorte; bei einem Tafelwein aber dürfen weder Rebsorte noch Jahrgang auf dem Etikett aufscheinen. Und so hat Pepi Umathum den „Lindenblättrigen“ schlichtweg durchgestrichen, statt neue Etiketten zu erfinden, und den trockenen Bescheid des Amtes einfach als Aufkleber dazu gegeben – was wiederum den verantwortlichen Beamten entzückte, der seinen Namen solcherart verewigt sah.
Angelika Deutsch [zurück]
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