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La Frittula (Palermo, Ballarò)
Eine weitere Trumpfkarte beim Trumpfkartenspiel
15.09.13 @ 12:44
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Während sich Rom immer weiter herausputzt und frischer Pastell alte Patina ersetzt, bedient Palermo Touristen weiterhin mit einer Italianità, die sich gewaschen hat. Wiewohl das eine oder andere Haus in der Altstadt saniert wurde, steht Palermo nach wie vor an der Spitze der abgenutzten, verfallenden, vernachlässigten Schmuckkasterln dieser Welt. Wer drauf steht, wird Palermo lieben. Barocke Pracht, normannische Großmannssucht, maurische Verspieltheit und arabisch beeinflusste Märkte, für die man schon auch einen Magen braucht, sofern man zugeschnittene, geputzte oder gar verpackte Ware noch lebender, einen ansehender und zuckender Ware bevorzugt. Schwertfische im Ganzen, abgezogenen Schafsköpfe, knallrote Kopffüßer, Lammgedärm und Hoden unbekannter Provenienz (Staatsanwalt, Richter, ...?) liegen meist ungekühlt, nur mit Wasser bespritzt und gegen zuviele Fliegen befächelt auf provisorischen Theken. Den Verkaufenden sieht man harte, zährende Arbeit an - aber auch die Freude an ihrem Tun.
Wo ein Markt, dort auch ein Imbiss. Während auf diversen Urlaubsseiten und Blogs das palermitanische Milzbrötchen U pani ca meusa schon intensiv abgefeiert wurde (gasbefeuerter, mobiler Wok, hauchdünn geschnittene, darin in Schmalz gegarte Milz, ein wenig Lunge, Sesamweckerl, Euro 1-3), widerfuhr mir etwas Neues, die Frittola (palerm. Frittula). Dies geschah, weil ich erstmals nicht die gesamte Zeit in der Vucciria zubrachte, sondern mich in die Gassen des Ballarò treiben ließ. Älter, heller und bunter als die Vucciria, ist er für seine Marktstandler bekannt, die lautstark im Dialekt der näheren Umgebung ihre lokalen Produkte zu verkaufen suchen. Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und jede Menge Hausrat, Tschocherln, Kaschemmen und Friseure - fehlt was? Der Imbiss.
La Frittula
Dort, wo sich der Ballarò ein wenig erweitert, schart sich eine Gruppe Männer um einen mobilen Imbissstand. Ein erhöht stehender Mann fährt mit seinem Arm tief in einen mit Tüchern dicht verschlossenen Bottich und holt aus diesem mit bloßer Hand diverse, kleine Stückchen Essbares, das auf einem Butterbrotpapier oder in einem weichen Weckerl landet. Die gierigen Esser nehmen ein wenig Salz von der Budel, spritzen nach Lust Zitrone darüber und würzen mit gestoßenem Pfeffer. Das anscheinend Essbare ist, kurz und bündig, das, was von der Tierkörperverwertung überbleibt, oder aus dem Geierkäfig abends gekehrt wird: Sehnen, Flachsen, Knorpel, ein paar Fasern Fleisch. Diese werden industriell bei extrem hohen Temperaturen gekocht, zur absoluten Trockenheit gepresst und zu großen Ballen geformt. Damit sind auch diese Reste, die Frittola, für Jahre konserviert.
Der Frittularu erweckt die konservierte Frittula zu neuem Leben, in dem er die Stücke in sehr heißem Schmalz brät, und noch heiß in einen Bastkorb leert, den Panaru, und eventuell ein wenig mit Pfeffer und Lorbeer würzt. Der Panaru wird mit Tüchern, eher Fetzen, vor den Blicken der Kunden geschützt.
Während ich die Variante im Weckerl verzehrte, sah ich die meisten Palermitaner direkt aus dem Papierl essen. Nicht uninteressant zu erwähnen, dass selbst aus diesen Resten die Palermitaner noch das eine oder andere Stückerl entfernten und zu Boden warfen - man isst ja schließlich nicht jede Gräulichkeit. Gut aussortiert, führt dann der geneigte Esser den Mund zum Papier und futtert direkt daraus. Als ob ihm grause, mit seinen Fingern daran anzukommen. Dabei schmeckt es gar nicht schlecht, fast gut! Herzhaft mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer gewürzt, ist die Frittola durchaus genießbar. Witzig, wie es im Mund knirscht und quietscht, wie die Knorpeln und Flachsen dem Biss ausweichen und den Gaumen kitzeln.
Mir hat es geschmeckt, und ich kann beim nächsten Trumpfkartenspiel "Garstigkeiten der Welt" einen Trumpf aus dem Talon ziehen, sollte ich die römische Pajata schon verbraucht haben.
Gregor Fauma
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