La Tour d'Argent (F-Paris)

Unlängst hat mich einer meiner Verehrer — er ist, wie ich seither weiß, bekennender Sadist — in den Pariser Tour d'Argent eingeladen. Er sagte, dass dort so schön sitzen sei und dass man den Seine-Schifferln bei ihren lustigen Ausweichmanövern zusehen könne; also willigte ich ein. Ich glaube, wir beide waren die einzigen, die keine Japaner waren. Dauernd blitzte es, und wir wurden ununterbrochen mitfotografiert. Mit mir scheint der Oberkellner keine Freude gehabt zu haben, und sie hatten alle Mühe, mir ein anständiges vegetarisches Menü zusammenzustellen. Am Schluss war ich dank einer wirren Aufeinanderfolge von Salades composées und Beilagen einigermaßen am Fleisch vorbeigeschrammt und hatte ein wahres Vermögen verfressen.

Mit meinem Freund hatte der Maître allerdings mehr Freude. Der ließ sich nicht nur bedenkenlos einen Château Latour 1985 aufschwatzen (wer hat, der hat), sondern auch noch diese Ente einreden, für die man, wenn man sie tatsächlich verschmaust hat, ein Zertifikat bekommt. Erst präsentieren sie einem den blassen Leichnam des Tiers auf einem Silbertablet, dann drücken sie ihn durch eine silberne Presse, aus der das ganze Blut herausfließt, und in dem servieren sie dann die Brust, die sie vorher herausgeschnitten haben.

Natürlich habe ich nicht gekostet. Aber alleine schon beim Zusehen bin ich mir vorgekommen wie eine Kannibalin.
Ich fürchte, der Kerl hat das beabsichtigt. Jedenfalls lasse ich mich von dem nicht mehr einladen.

- 15.04.2004 -Tradition hat ihren Preis. Ich esse die berühmte "Blutente" gerne und bereite sie mir auch ab und an zu, aber nur, wenn geeignetes Federvieh zu erhalten war.

Für Vegetarier ist das nicht der geeignete Ort, aber vielleicht war das seitens des "Einladenden" auch einkalkuliert...

1 Kritik | Kritik verfassen

gourmetino, 02.11.07 @ 19:37

Pro canetons
Dem Kommentar zum "La Tour d´Argent" kann ich nicht zustimmen, und beruht wohl auf einer rein vegetarischen Sichtweise.
Für "Fleischfresser" ist das Restaurant mit Blick auf Notre Dame durchaus einen Besuch wert, wobei man eher die größere Brieftasche einstecken sollte - auch ohne Vertiefung in die Weinkarte (treffender: Weinbuch - laut Chefsommelier David Ridgway ruhen derzeit ca. 400.000 Flaschen im cave).
Das Serviceteam ist top, und schafft es sogar, etwas Charme zu verbreiten. Die Weinauswahl kann man meines Erachtens mit gutem Gewissen dem schon angeführten Herrn überlassen, der auch nicht gleich zu den wirklich teuren Flaschen rät.
Die Ausstattung von Bar und Speisesaal lassen alten Prunk erkennen. Das mag man oder eben nicht.
P.S. ich mag´s!