Trinken
In dieser Rubrik stellen wir gelegentlich interessante Winzer und Weingüter vor.
Neuer Winzer
Wenn Sie Ihren Lieblingswinzer nicht auf SPEISING.NET finden, so schlagen Sie diesen doch vor:
Neuen Winzer empfehlen
Alle Winzerkritiken und -empfehlungen anzeigen
---------------------------------------------------------------------------------
- 45 Jahre Ruster Ausbruch
- Grüner Veltliner - über die Jahre
- Neues von Kutschers Kostnotizen
- Elementar, der Grüne Veltliner von Herbert Zillinger
- Domäne Wachau: Unter den besten 50 Weingütern der Welt, die man gesehen haben sollte
- 17-Heiligenstein-Challenge: Bründlmayer hatte die Nase vorne
- 16er-Lamm-Challenge: Sieger Schloss Gobelsburg
- Die Lagen-Federspiele der Domäne Wachau sind da
- Blaufränkisch 2011 und 2012
- Junge Weine quer durchs Land
- Domäne Wachau: Wein auf Stein
- Weinmanufaktur Eisenberg Nador
- Sortenraritäten mit Sommerduft und Terroirtypus
- Roter Veltliner – die Sortenrarität vom Wagram
- Ihr kennt den besten Weißwein Österreichs?
- Weingut Krug: Orange Wein aus Gumpoldskirchen
- Brauhaus Gusswerks EDELGUSS unter Europas besten Bieren ausgezeichnet
- Beleuchtung beeinflusst den Geschmack von Wein
- If It Wasn’t for That Umlaut ...
- Kamptaler Riesling schlägt Mosel und Elsass
45 Jahre Ruster Ausbruch
Auf der Suche nach der Balance
16.09.24 @ 15:38
Kommentar abgeben
Sie müssen eingeloggt sein um diese Option zu nutzen. Falls Sie noch nicht Mitglied von SPEISING.NET sind, können Sie sich hier registrieren.
Ein „once in a lifetime tasting” wurde versprochen und 35 mal Ruster Ausbruch aus 28 Jahrgängen zwischen 1979 und 2023 zu kosten, ist tatsächlich eine alles andere als alltägliche Gelegenheit. Dies erst recht, wenn die Verkostung von einem renommierten Produzenten wie dem Weingut Günter + Regina Triebaumer durchgeführt wird, einem Team, das sich seit Jahrzehnten mit Hingabe und Kompetenz dieser restsüßen Weinspezialität annimmt. Da ist Anfang Oktober auch eine morgendliche Anreise ins frühherbstliche Rust am Neusiedlersee keineswegs zu weit und so konnte ich nach einer kleinen Führung durch Ruster Weingärten mit ebenso launigen wie informativen Kommentaren des Winzers mit einer kleinen Gruppe jüngerer und nicht mehr ganz so junger Verkoster:innen im Festsaal der Weinakademie Platz nehmen, um zwölf mal je drei dieser Süßweine eingeschenkt zu bekommen, daran zu schnuppern, sie zu kosten und miteinander zu vergleichen.
Anlass war ein Jubiläum: im Jahr 1524, somit vor genau einem halben Jahrtausend erlaubte Königin Maria, Schwester von Ferdinand I. und Frau des ungarischen Königs Ludwig II. den Winzern von Rust, ein R auf ihre Fässer zu brennen und so die freie Ausfuhr der Weine zu bestätigen.
Familie Triebaumer hat sich dazu etwas ganz Besonderes überlegt: Aus der Kellerreserve wurde eine Verkostung zusammengestellt, um zu demonstrieren, wie sich das Haus den Herausforderungen stellt, mit denen Winzer Jahr für Jahr konfrontiert sind: Trotz Spätfrösten, Oidiumdruck, Trockenstress und diebischen Spatzenschwärmen, herbstlichen Regengüssen und anderem Unbill und Gefahren, von denen unsereins keine Ahnung hat, versuchen sie, hochreife und hoffentlich edelfaule Trauben zu lesen, zu keltern und schließlich so zu vergären und auszubauen, dass sie dem Ideal des Ruster Ausbruchs möglichst nahe kommen. Mit einigen oder auch vielen Jahren Flaschenreife entsteht dann ein Wein, der neben aktuellen Trends, wie Natural Wein, knackigen, leichten oder sogar alkoholfreien Weinen, immer mehr Rosé oder der Suche nach den besten PIWIs (pilzwiderständigen Rebsorten) ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Nichtsdestotrotz fasziniert diese Art Wein weiterhin.
Nach dem Weingesetz ist Ausbruch ein Prädikatswein aus eingeschrumpften und – zumindest entsprechend den Paragrafen – edelfaulen, also von Botrytis cinerea befallenen Beeren in einer Gradation von mindestens 30° KMW 1 und ist damit eine Spezialform der Trockenbeerenauslese.
Ermittelt man mit der, von der Niederösterreichischen Landesregierung offiziell verwendeten Formel die Alkoholgradation, die theoretisch aus dieser Zuckermenge vergärbar wäre, ergeben sich beachtliche 22,7 Vol %. Da dies aber selbst für die engagiertesten Hefen zu viel wird, verbleibt ein mehr oder minder großer Anteil des Zuckers im Wein.
Wie über einen Zeitraum von viereinhalb Jahrzehnten unter den regulatorischen Bestimmungen, aber auch den von Jahr zu Jahr wechselnden Bedingungen immer wieder Süßweine in unterschiedlichen Rebsortenzusammensetzungen produziert werden und wie sich diese Weine nach jahre- und jahrzehntelanger Flaschenreifung nebeneinander präsentieren ist schon an sich ein faszinierendes Erlebnis. Dieser seltene Einblick, der an diesem Vormittag in eine über mehrere Jahrzehnte verlaufende Entwicklung eines Weintypus gegeben wurde, ermöglicht aber auch, darüber nachzudenken, was den Ausbruch auszeichnet und wie er sich über die Jahre, nicht zuletzt durch die Klimakrise verändert hat und verändert.
Die Weine
Doch zurück zur Verkostung, denn bei aller Faszination der Datenauswertung ist es doch entscheidend, was man im Glas, in der Nase und am Gaumen hat.
Zunächst das Überraschende: Ich hatte nicht erwartet, dass es bis zum letzten Wein anregend und interessant bleiben würde. Die unterschiedlichen Reifestadien, Stile, Rebsorten und Ausprägungen eröffneten immer wieder neue Einblicke in diese Süßweinkategorie und die Sorge, soviel Süße könne ermüdend wirken, blieb unbegründet.
Hier eine kleine Auswahl der Weine, die mir besonders gut gefallen haben mit der Position, die sie in der Verkostung hatten (diese Weine sind in den obigen Plots auch markiert):
1. G+R Triebaumer, Ausbruch (Welschriesling) 1979
Ein gereifter Wein mit intensiven Aromen von Pilzen und zarten Dörrobstnoten. Am Gaumen nussig und voll, getragen von der mittelkräftigen Süße, die durch die Säure und den Hauch Gerbstoff in Balance gehalten wird und so geradezu leichtfüßig wirkt. Straff und lebendig mit ein wenig Waldboden im Finish. 18,0
5. G+R Triebaumer, Ausbruch (Welschriesling und Müller-Thurgau) 1993
Komplex und druckvoll, zart flüchtig mit einem rauchigen Auftakt in der Nase. Schon sehr reif. Am Gaumen dicht und strukturiert, medizinal, ein wenig Pullmoll mit einer markanten Süße, die von feinen Bitternoten und Anklängen von Kaffee begleitet wird. Niedrige Säure aber dennoch nicht unbalanciert. 18,5
10. G+R Triebaumer, Ausbruch (Welschriesling und Chardonnay) 1999
Intensive Nase nach Marillenmarmelade, ergänzt durch rauchige Aromen. Am Gaumen weich und üppig, mit saftiger Struktur und reifer Fruchtsüße. Ein balancierter Wein mit gutem Spannungsbogen und langem Nachhall. 18,0
14 . G+R Triebaumer, Ausbruch (Welschriesling) 2005
Klar und fokussiert in der Nase, mit Anklängen von Pilzen und einem Hauch Pfirsichpago. Lebendig am Gaumen, mit mittlerer Konzentration aber gut ausbalancierter Säure. Ein harmonischer Wein, der mit Eleganz überzeugt. 18,0
16. G+R Triebaumer, Ausbruch (Welschriesling) 2006
Rauchige Noten und Honig dominieren die Nase, ergänzt durch die Süße von Trockenmarillen. Am Gaumen üppig und rund, mit dichter Süße und lebendiger Säure in guter Balance. 18,0
27. G+R Triebaumer, Ausbruch (Gelber Muskateller) 2018
Zarte sortentypische Hollerblüten und Honigaromen in der Nase, unterlegt von dichter, frischer Aromatik. Am Gaumen opulent, saftig und ausgewogen, mit subtiler Kräuterwürze, die für Struktur und Spannung sorgt. Ein trotz der hohen Süße und des niedrigen Alkohols frischer, eleganter und zugleich ausdrucksstarker Jahrgang. 18,0
Die Balance
Auch wenn sich die Vorlieben, vor allem, was den Alkoholgehalt betrifft, im Laufe der Jahrzehnte geändert haben, ist die Suche nach der perfekten Balance doch immer noch ein zentraler Aspekt beim Ruster Ausbruch. Gleichzeitig ist sie auch die größte Herausforderung für die Winzer. Wenn der Restzucker hoch und die Reife üppig ist, muss die Balance zwischen Süße, Säure und Alkohol stimmen. Denn nur so wirkt der Wein lebendig und nicht zu mächtig, sondern elegant.
Es ist eine Kunst, den richtigen Zeitpunkt für die Ernte zu finden. Die Trauben müssen das gewünschte Mostgewicht haben und eine gute Säurestruktur. Auch die gesetzlichen Vorgaben bezüglich Botrytisbefall müssen erfüllt werden. Die süßen Fruchtnoten und die Dichte der Botrytis-Aromen sorgen für die typische Ausbruch-Charakteristik. Die Säure ist das tragende Gerüst, das für Frische und Präzision der Weine verantwortlich ist. So kann man vermeiden, dass die Weine zu eindimensional wirken.
Dank moderner Kellertechnik, jahrzehntelanger Erfahrung und Jahr für Jahr erneutem Suchen danach schaffen es Produzenten wie Günter + Regina Triebaumer, diese Balance immer wieder aufs Neue herzustellen. Dabei gehen sie bewusst auf die Herausforderungen eines sich wandelnden Klimas ein und setzen gezielt auf niedrigere Alkoholausbeuten, um die Weine zugänglicher und verträglicher zu machen, ohne dass sie an Tiefe und Komplexität verlieren.
Das Resumee
Diese definitiv erinnerungswürdige Verkostung hat nicht nur gezeigt, wie sich der Ruster Ausbruch in den letzten 45 Jahren entwickelt hat, sondern auch, wie Jahrgänge, Rebsorten und der Klimawandel die Süßweine beeinflussen. Es war beeindruckend erleben zu dürfen, wie vielfältig Aromatik, Struktur und Balance der Weine waren und doch ein gemeinsamer Stil, der der Ausbruchscharakteristik aber sicher auch der des Hauses Günter + Regina Triebaumer zu erkennen ist.
In den vergangenen Jahren geht der Trend generell doch eher zu leichten, trockenen Weinen, alkoholfreien Alternativen und nachhaltigen Konzepten wie PIWIs. Da wirkt der Ruster Ausbruch auf den ersten Blick wie ein Relikt vergangener Zeiten und und sich mit diesen Weinen auch in Zukunft am Markt zu behaupten, stellt für Winzer und Winzerinnen eine echte Herausforderung dar. Doch gerade in seiner Vergangenheit könnte die Stärke dieser Weine liegen. Als traditionsreicher, hochwertiger Süßwein spricht er diejenigen an, die Authentizität schätzen und nach Komplexität und Finesse suchen. Und gerade zu traditionellen österreichischen Desserts passt dieser Weinstil oft am besten.
Auch wenn der Ruster Ausbruck wohl auch in Zukunft kein Wein für jeden und jede Gelegenheit sein wird, ist zu hoffen, dass die zunehmende Nachfrage nach Nischenprodukten dazu führt, dass Weine mit starkem Charakter und einer spannenden Geschichte weiterhin einen festen Platz im Markt haben.
Produzenten wie Günter + Regina Triebaumer, die mit innovativen Ansätzen, höchster Präzision und Hingabe arbeiten, sind dabei entscheidend.
Heinrich Steininger
0 Kommentare | Kommentar abgeben
--- 21.02.22 @ 21:09
Weingut Hirsch (Kammern) / KutschersKostnotizen: Grüner Veltliner 2020 Hirschvergnügen - Deutliche Sortenattribute, nussig-würziger Charakter, dezente Frucht im... [mehr]
--- 07.12.21 @ 11:07
Fred Loimer (Langenlois) / KutschersKostnotizen: Riesling 2008 Terrassen - Spürbare Patina mit wunderschönem Rieslingcharakter, reife, dunkle Frucht, Mango... [mehr]
--- 07.12.21 @ 11:06
Brandl (Zöbing) / KutschersKostnotizen: Riesling 2015 Ried Heiligenstein - Feines Rieslingparfüm mit beginnender Patina, „nasser Stein“, Marillenkoch mit... [mehr]
--- 07.12.21 @ 11:06
Bründlmayer (Langenlois) / KutschersKostnotizen: Riesling Lyra 2015 Ried Heiligenstein - In der Nase Würze, Mineralität und Fruchtspiel in gereiftem Umfeld; kann am... [mehr]
--- 07.12.21 @ 11:05
Bründlmayer (Langenlois) / KutschersKostnotizen: Riesling 2015 Ried Zöbinger Heiligenstein - Wohlige Patina mit charaktervollen Rieslingattributen, Steinobst und... [mehr]
--- 16.09.24 @ 15:39
Weingut Esterhazy: Das Weingut Esterházy in Trausdorf hat sich ordentlich rausgeputzt. Unter der... [mehr]
--- 21.05.19 @ 09:11
Weinhofmeisterei Mathias Hirtzberger (Wösendorf): Zwei Jahre wurde gebaut, jetzt wurde in Wösendorf eröffnet: Die Weinhofmeisterei... [mehr]
--- 21.03.16 @ 00:29
Weingut Hofer (Wien): Warum in die Ferne schweifen? Das Gute liegt so nah. Den Riesling Kadolzberg... [mehr]
--- 16.05.14 @ 13:04
Domaine Wittmann Andre et Fils (F - Mittelbergheim): Im professionellen Verkostraum merkt man Andre Wittmann die Freude an seinen... [mehr]
--- 16.05.14 @ 12:47
Vins d'Alsace Hirtz Jean et Fils (F - Mittelbergheim): Die liebenswerte Frau Hirtz ist eine gute Repräsentantin ihrer Weine. Ehrlich,... [mehr]
Das Weinlog
Neues aus Traubing
--- 17.01. @ 13:33
WEIN 2000 / MichaelKantor: Das Jahr hatte etwas Besonderes. Datumsumstellung am Computer und einfach eine... [mehr]