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Christoph Wagner's Weblog
12.12.03 @ 01:31
Schon wieder München
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Auf den ersten Blick ist das Glockenbach ein altes Biergasthaus an der Ecke einer Straße, die das Gegenteil von verkehrsberuhigt ist. Wenn man mit dem Taxi von der falschen Seite her kommt (und das tut man fast zwangsläufig), bedarf es entweder eines buddhistischen Naturells oder kaltblütiger Tollkühnheit, um auf die andere Seite zu gelangen.
Hat man diese Hürde erst einmal genommen, wird man von der Patronne äußerst freundlich empfangen und findet sich in einem Ambiente wieder, das aussieht, als hätte die Pinakothek der Moderne eine Expositur in einem Wirtshaus errichtet. Von der Schank winkt ein Glitzermann aus Dosen und Autoschrott. Auf einem langen, im weiteren Verlauf der Geschehnisse als Anrichte verwendeten Tisch lädt eine Karotteninstallation zu gastrosophischer Kontemplation. Und an der Wand hängt über einer beachtlichen Batterie edler Schnapsflaschen ein Kopf, der kein Brett, sondern einen Tisch vorm Gesicht hat.
Zwischen soviel Surrealismus wird wohl, so denkt man sich, auch die Küche abgehoben sein. Doch genau das ist sie auf zunächst erfreulich überraschende Weise keineswegs. Da erfreut man sich an einer ganz selbstverständlichen kleine Bouillabaisse mit zarten Hummerstückchen und der perfekt bemessenen Safranabrundung oder an saftigen, vollendet gegarten Flusskrebsen in einer molligen, aber keineswegs aufdringlichen Krebsensauce, die so manche weltberühmte Hummersuppe in den Schatten stellen könnte. Es folgen gedämpfte Jakobsmuschelscheiben auf nocht minder gedämpftem Lauch mit einem minutiös ausgelösten Taschenkrebs auf Blattspinat und schließlich, als kleiner "eingeschummelter" Zwischengang, Fasanenravioli auf Linsen mit Maroniwürfeln.
Patron Ederer, einer von Witzigmanns legendären „Paladinen", weilt sichtlich gerne hinter der Bar, um mit finsterem Blick die "Aufsicht über das Ganze" zu führen. Er schaut seinen Gästen genau auf die Teller und erkundigt sich zuweilen mit so eindringlichem Blick nach der Befindlichkeit des Gastes, dass dieser kaum wagt, eine andere Wahrheit zu sagen als jene, die dem Küchenchef möglicherweise gefällt. Dass die Fasanenbrust im Netz zwar auf perfektem Salmi serviert wurde, aber im Inneren an einer zwar nicht ärgerlichen, aber für ein Lokal dieser (Preis-)kategorie doch eher unziemlichen Trockenheit laborierte, hätte man sich ja noch zu sagen getraut. Aber wie den möglichen Verwicklungen ausweichen, die im Gefolge der geschmorten Schweinsbackerln in der Erdäpfelkruste zweifellos aufgetreten wären, hätte man Herrn Ederer darauf hingewiesen, dass die Kruste dermaßen schwarz war, dass man die Erdäpfel- und Trüffelscheiben nur dadurch auseinander halten konnte, dass die ersteren verbrannt und die letzteren nach nichts schmeckten.
Auch über die mit Eisklümpchen nicht eben zahnschmelzfreundlich beladenen Sorbets, die saft- und geschmacklosen exotischen Früchte, die übersüßten Lebkuchen-Espumas und die Sülze von einer auch nicht wirklich perfekt geputzten Birne mit immerhin tadellosem Karameleis verstärkten den Eindruck, dass in Ederers Küche mit zwei Gangschaltungen gearbeitet wird: einer zum anfänglichen Eindruckschinden und einer zum (zumindest für die Küchenbrigade eher) gemächlichen Ausklang.
Disparater kann sich das Erscheinungsbild eines Hauses kaum zeigen. Der Berg- und Talfahrt in der Küche stand allerdings eine sehr kontinuierliche und unaufgeregte Service-Performance gegenüber. Und als die Chefin gleich zweimal einen strottenden Intellektuellen mit irrlichterndem Blick und schnell hochfahrendem Temperament abweisen musste, der sich ihr als Restaurantkritiker andienen wollte, so tat sie dies mit soviel Liebreiz und Verständnis, dass auch das Beachtung verdient.
Gasthaus Glockenbach
Kapuzinerstr. 29
80337 München-Isarvorstadt
Tel. 089/ 53 40 43

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