Home | Blogs | Christoph Wagner's Weblog | 19.01.04
Christoph Wagner's Weblog
19.01.04 @ 18:34
Wein und Weiber
Kommentar abgeben
Sie müssen eingeloggt sein um diese Option zu nutzen. Falls Sie noch nicht Mitglied von SPEISING.NET sind, können Sie sich hier registrieren.
Der auf wunderbare Weise hyperaktive Hypercube hat in seinem speising-Interview einen Finger in eine alte Wunde des Geschlechterkampfes gelegt und gemeint: „MitgliederInnen, ein Thema, das noch zu behandeln wäre, ist: Mögliche Unterschiede im Zugang zur Kulinarik zwischen Männern und Frauen!”
Ich habe mir zu diesem Thema auch schon einmal meine Gedanken gemacht. Die Antipoden Wein und Weib haben inzwischen zwar schon einige, wenngleich minimale Annäherungsbreiten gefunden, aber alles in allem trifft der Text, fürchte ich, immer noch zu:
Als Degustatoren konnten gewonnen werden... Dieser Satz ist in der gegenwärtigen Weinliteratur fast so häufig anzutreffen wie die bewussten Melissen-, Feuerstein-, Gazellenleder- und anderen signifikanten Töne, welche die nämlichen Herren Degustatoren da allenthalben ihren Kristallgebinden entlocken.
Ja, ja, die Herren Degustatoren.
Wo immer sich kundige Rüssel in tiefe, bauchige Gläser schieben, werden die zarten Gesichtserker der Damenwelt nämlich ins Abseits gedrängt. Wie heißt es doch gleich in jener alten Zote, die da sagt: „Wie die Nase des Mannes, so sein Johannes”. Pardon, meine lieben Leserinnen, aber wie dem auch sei: Die männliche Nasendominanz scheint jedenfalls ungebrochen.
Dabei ist sie nachweislich falsch, wenn nicht sogar widerlegt. Alle einschlägigen Untersuchungen weiblicher Geschmacks- und Geruchsorgane bestätigen eine weibliche, um nicht zu sagen feministische Überlegenheit in allen degustativen Dingen des Lebens. Ob es nun darum geht, irgendwo in einer Sauce ein besonderes Kräutlein herauszuschmecken oder sich mit der Nase im Glase umzutun: Das weibliche Geschmackssensorium erweist sich differenzierter als das männliche, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil ein Mädchen schon früh lernt, sich mit Düften zu befassen, gleichgültig, ob dieselben nun Mutters kristallenem Parfumflacon auf der Psyche oder Omas dampfenden Töpfen in der Küche entstammen. In jedem Fall ist es ein Vorsprung, den die meisten Männer offenbar ein Leben lang nicht mehr aufholen können.
Jetzt wird mir vielleicht der ein oder andere Kenner neuzeitlicher Weinliteratur entgegenhalten, dass Weinladies wie Serena Sutcliffe, Paula Bosch, Jancis Robinson oder Helga Baumgärtel weltweit zur degustativen Elite gezählt werden. Doch allein: Hier stock´ ich schon. Es mag, zumal im angelsächsischen Sprachraum, vielleicht noch die ein oder andere Dame geben, die kompetent über Wein zu parlieren und zu schreiben weiß. Doch gerade die Ausnahmen bestätigen, wie sehr die Weinritter und andere Brüder im Weingeiste als männerbündische Sekte von eigenen Gnaden die Regel sind.
Auch wenn es mittlerweile in Österreich gezählte 11 Weinfrauen und jede Menge Wirtinnen gibt, die einen Sommelierkurs belegt haben: In der Praxis sind es immer noch die Herren, die durch die kristallene Riedelflotte schnorcheln, und die Damen, die dieselbe am nächsten Morgen wieder aufpolieren. Und das hat seine Gründe:
Eines ihrer größten Handicaps der Ladies als Weinkennerinnen ist nämlich eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit der Materie. Sie mögen vielleicht schneller als die oft wenig nase-weisen Männer einen Bordeaux von einem Burgunder auseinanderhalten und sogar den Jahrgang annähernd erraten können. Allein: der Name des Châteaus und schon gar jener der Riede, welcher der Wein entstammte, interessiert sie schon nicht mehr recht. In diesem Sinne sind die meisten önophilen Damen, die ich kenne (meine Herzensdame inklusive) eher Weinfreundinnen als Weinkennerinnen. Sie begnügen sich mit dem puren Genuss und pfeifen auf alle mit demselben verbundene Wissenschaftlichkeit.
Ein zweites Handicap ist – fast wage ich nicht, es auszusprechen – die weibliche Eitelkeit oder zumindest die Erziehung, in der dieselbe wurzelt. Die meisten Männer genießen es beispielsweise durchaus, endlich ein gesellschaftlich sanktioniertes Ventil zum Ausleben ihrer frühkindlichen Schlürf- und Schmatzbedürfnisse gefunden zu haben, wenn sie den Rebensaft bis knapp an die Nasenflügel hochziehen und ihn (angeblich) zur besseren Sauerstoffzirkulation mit offenem Mund wie die anstürmende Brandung um ihr Gaumensegel toben lassen.
Die Damen sind indessen, was derlei Rituale betrifft, fast immer echte Zimperliesen. Sie zieren sich ja schon beim kräftigen Ausschwenken des Weines, das sie für gewöhnlich zu wenig grazil dünkt. Und selbst wenn sie wissen, dass der Wein dadurch nachweislich an Bukett gewinnt, beschränken sie sich auf ein paar, eher der Konvention gehorchende, zaghafte Kreisbewegungen mit dem Glase, die letztlich doch zu keinerlei degustativem Ergebnis führen, weil sie denn gar zu anmutig waren. Warum sollten sie ihre Gläser auch schwenken wie Olympionikinnen die Fahnenstangen, wenn sie doch auch ohne den ganzen Zinnober sowieso mehr herausriechen als die stumpfnasige männliche Konkurrenz (siehe oben)?
Es darf einen daher nicht erstaunen, wenn die meisten meiner Weinfreundinnen durch nichts von der Überzeugung abzubringen sind, dass die ganze Ausschwenkerei und Schlürferei nichts anderes als ein kraftmeierndes, männliches Balzgehabe ist.
Schließlich trifft die Damen noch eine weitere Schuld an ihrer angeblichen Inferiorität in allen Weinfragen: Sie sind nicht trinkfest genug. Oder (was noch häufiger vorkommt) sie geben zumindest vor, es nicht zu sein, weil sie meinen, dass Trinkfestigkeit einer Dame nicht anstünde. Ständige diätetische Kasteiungen zur Lösung echter und angeblicher Figurprobleme tun ein übriges, die Frauen der Weinwelt weiter zu entfremden, als es im Grunde sein müsste.
Wer nun freilich aus diesen meinen Prämissen schließt, die Frauen seien an ihrem Image als schlechte Weinkennerinnen selbst schuld, der irrt dennoch. Schuld sind allein die Männer. Und ihre Schuld ist eine historische. Schließlich waren sie es, die die Frauen in Weinfragen (und nicht nur darin) über Jahrtausende so geformt haben, wie sie heute sind.
Schon der alte Plato hat die Damen während seiner Symposien ins Nebenzimmer zum Schalmeienblasen geschickt. Jetzt von ihnen zu verlangen, dass sie plötzlich allesamt von eingeschüchterten Hetären zu willfährigen und obendrein auch noch kompetenten Genossinnen männlicher Degustationsrituale mutieren sollten, das wäre in der Tat vermessen.

--- 04.09.18 @ 20:56
Über eine Monokultur aus Klonen künstlich geschaffener Lebewesen – über den Weinbau / PICCOLO: Aus einem alten "Spiegel" Artikel 30.10.1978 - Deutsche Winzer ziehen der Biene wegen den Zorn des Waldgängers Wellenstein auf... [mehr]
--- 04.11.17 @ 09:30
Über würdige, reife Weine / schischi: Mein persönliches Highlight - Uns hatte einmal ein Winzer, das muss so um 2010 gewesen sein, einen Weißwein... [mehr]
--- 09.10.17 @ 20:27
Was Chemtrail-Glaube und Biodynamischer Weinbau eint / OberkllnerPatzig: Feuer - Was man womöglich noch hinzufügen kann ist, dass manche Winzer, die sich rühmen,... [mehr]
--- 18.04.17 @ 12:49
Rauf die Preise! / PICCOLO: Schnell kommt man ans Bildermalen... - Doch schwer an Leute die es bezahlen. So salopp sagen, die Preise sollen rauf,... [mehr]
--- 13.10.16 @ 13:42
Rauf die Preise! / Meidlinger12: Beisl - z.b. das Quell kann noch immer das große Gulasch um 6,90 anbieten. Muß aber... [mehr]

Peter Gnaiger's Sternen-Logbuch --- 04.08.07 @ 20:16
Tischgespräche --- 11.05.07 @ 11:48
Das Gastlog --- 04.09.06 @ 16:45
Das Weinlog --- 25.04. @ 13:29
Christoph Wagner's Weblog --- 04.02.06 @ 13:33
