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Christoph Wagner's Weblog
22.04.04 @ 03:15
Kapitolinische Forellen, Neusiedlerseezander und Diplom-Gastrosophen
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Gestern war ein kulinarischer Tag. Fast jede zweite Schlagzeile ein Treffer.
Die Regenbogenforelle beispielsweise, an sich nicht unbedingt mein Lieblingsfisch, wurde heute in Italien in den Status einer heroischen Kreatur erhoben. Sie wurde, wie es heißt. zu Hunderten an strategisch wichtigen Stellen des Trinkwassernetzes von Rom ausgesetzt, um alldorten als Frühwarnsystem für allfällige, von Terroristen ausgestreute giftige Substanzen zu dienen und somit jeglichen Versuch zur Gifteinleitung rechtzeitig anzuzeigen.
Gebildete Leute und Teletext-Leser erinnert das an die kapitolinischen Gänse, die während der Belagerung Roms durch die Gallier ihre Landsleute durch überlautes Geschnatter mit Erfolg vor Angriffen warnten.
Allein: Die Gänse durften überleben, die Forellen haben dazu leider keine Chance. Als Tierfreund würde ich daher eine andere Vorgangsweise vorschlagen. Präsident Silvio Berlusconi, der alte Bushmann, sollte jeden Tag zum Frühstück eine Regenbogenforelle aus den Kanälen Roms vorgesetzt gekommen. Überlebt er, ist es schlecht für seine Gegner, fällt er vom Stockerl, so hat er seinen Landsleuten wenigstens einen guten Dienst erwiesen.
Doch nicht nur Roms unterirdischer Wasserspeicher, auch der Neusiedler See erhielt gestern neuen Besatz. Über 30.000 Fische, darunter Edelkarpfen, Hechte, Schleien und 5000 Waldviertler Jungzander wurden ausgesetzt und sollen sich in den nächsten vier Jahren zu Speisefischen entwickeln. Binnen vier Jahren werden sie die mittlerweile aus ökologschen und/oder ökonomischen Gründen obsolet gewordenen Aale ersetzen. Ich habe die Eels immer gerne gehabt, weil sie so gut zum Ruster Ausbruch passen (vor allem zum oxidativ ausgebauten vom Ing. Ratz). Aber jetzt, wo es kaum noch oxidativ ausgebaute Ruster Ausbrüche gibt, werde ich wohl auch ohne Neusiedlerseeaale leben können – und müssen.
Ich tröste mich damit, dass heute im piemontesischen Städtchen Pollenzo von Slow-Food-Präsident Carlo Petrini die erste Uni für Feinschmecker gegründez wurde, wo man sich für 19.000 Euro jährlich zum Gastro-Wissenschaftler ausbilden lassen kann.
Ich muss allerdings gestehen, dass ich dieser Errungenschaft mit gemischten Gefühlen gegenüber stehe. Einerseits erfreut es natürlich mein Herz, wenn sich 500 junge Leute aus aller Welt (und notgedrungenermaßen gutem Haus) darum raufen, einen der sechzig Plätze für die dreijährige Ausbildung zu ergattern, wo sie sich einen, so Rektor Manganelli, "humanistischen und philosophischen Zugang zum Essen" aneignen können.
Andererseits wird mir angesichts der Vorstellung, dass nunmehr die Verwissenschaftlichung einer ihrem Wesen nach erfreulich unwissenschaftlichen und lustbetonten Angelegenheit voranschreitet, ein wenig mulmig. Es gibt ja schon genug lustlose und hochnäsige Sommeliers und -ièren, die das Restaurant mit einer Volkshochschule verwechseln. Wenn sich dazu jetzt auch noch eine elitäre Speerspitze verbiesterter Diplom-GastrosophInnen gesellt...
Und womöglich werden die alle auch noch GastrokritikerInnen. (pardon: Diplom-GastrokritikerInnen).
Bei soviel Ernsthaftigkeit sei Gott den Köchen, aber auch den Gästen gnädig. Lustig werden sie es dann in den Wirtshäusern bald nicht mehr haben ÷ aber dafür immerhin eine Menge lernen.

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