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Christoph Wagner's Weblog

26.09.04 @ 02:35

Nostalgie

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Nach ein paar Tagen in Friaul und einem schwelgerischen Mittagessen bei Heinz Hanner (sein Hummer mit Gänseleber und Trüffeln in Madeirajus ist so ziemlich das Beste, was ich seit meinem letzten Besuch bei Fredy Girardet zu mir nehmen durfte) bin ich jetzt wieder zurückgekehrt — und landete bei Werner Matt.

Genau genommen landete ich ja im Palais Coburg, in das mich Patron Karl Seiser kurzfristig als Laudator für eine Werner-Matt-Gala vergattert hatte. So alt bin ich leider schon, das ich mich, offenbar als einer der ganz wenigen meiner Zunft, noch daran erinnere, wie die Erfinder der Neuen Wiener Küche das kulinarische Mutterland Frankreich mit geleasten Rübenbombern überzogen und mit Kodak-Instamatic-Kameras unsicher machten, um den dortigen Dreisternern in wahrhaft höllischen Parforcetouren ihre Geheimnisse wegzuphotographieren. (Für das wahre Höllenfeuer auf diesen Touren sorgte, um der Wahrheit die Ehre zu geben, allerdings Rudi Kellner, und weniger Werner Matt)

Die Neue Wiener Küche der frühen Jahre mag rückblickend betrachtet ein bisserl patschert gewesen sein, nur: stilbildend war sie schon. Und Werner Matt war einer, der nicht nur den Stil, sondern vor allem auch die jungen Leute ausbildete, die diese Stil weiter (mittlerweile in alle Welt) trugen. Es gibt kaum einen, der seine Schule nicht durchlaufen hätte. Auch Christian Petz gehört dazu, und es ist ihm hoch anzurechnen, dass er sich seines einstigen Meisters heute noch entsinnt. (Dass Werner Matt im Verlauf des Abends manchmal den umgekehrten Eindruck machte, ist Teil seines Naturells, das man ihm jedoch nicht weiter übel nehmen sollte.)

Das Menü begann mit ein paar hübschen Déja-vus wie Wachtelpralinen und Matts schon immer vorzüglichem Oeuf-au-Caviar, mit dem er, wie er erzählte, schon Ronald Reagan beglückte, was mir daran allerdings am wenigsten imponierte. Dass Matts Selleriesuppe mit von der Partie sein musste, war das Coburg ihm und Matt sich selbst schuldig. Dass es sich dabei um eine dieser nur noch fürs kulinarische Antiquariat tauglichen, oberslastigen Suppen handelt, in denen der Löffel auch schon einmal stecken bleibt, wurde durch einen Suppendeckel aus frischem Selleriegrün wieder ausgeglichen, das spross und spross und spross... (Werner Matt machte auch deutlich, aus welchem Grund.)

Im Verlauf des Menüs hatte ich allerdings den Eindruck, dass Werner Matt (den Petz von Anfang an nicht in die Küche gelassen hatte, weil er mit Recht der Meinung ist, dass es unter Highlandern und Küchenchefs immer nur Einen geben kann) allmählich nostalgisch verklärt wurde und Petz dafür selbst zunehmend aktiver auf den Boden der geschmacklichen Tatsachen trat. Das Steinbuttfilet mit Auster im Blattspinat auf Basilikumfond war einfach kein Produkt der 70er oder 80er Jahre mehr, sondern eher schon eines der 2010er Jahre unseres Jahrhunderts.

Beim „Ersten Tiroler Steinpilzeis", das „rauchend serviert" wurde, bekam dann wieder der Grand Old Man die ihm zustehende Oberhand, und das war auch gut so, denn schließlich war es ja auch ein Salut für Matt und keins für Petz, der sich ein solches freilich ebenfalls verdient hätte – auch wenn er zugegebener Maßen noch ein bissl jung dafür ist. So jung, dass ihn Matt bei seinen Honneurs als „jungen Kollegen, aus dem sicher noch was werden wird" vorstellen durfte, ist er freilich auch wieder nicht.

Im Gegenteil: Petz ist heute einer der ganz Großen. Zumindest in der Stadt. Am Lande, wo Heinz Hanner seine Wildkräuter aus jener Erde gräbt, in der die Donaumonarchie zu Grabe getragen wurde, ist freilich nicht minder Großes zugange.

Das Match zwischen Wien und Wienerwald verspricht auch in weiterer Zukunft noch spannend zu werden.

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