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Christoph Wagner's Weblog
09.11.04 @ 18:15
The Twilight of the Guides (2)
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Von Gastronomen stets heißer ersehnt als vom Buchmarkt unbedingt benötigt, liegt er jetzt vor, der Guide Rouge Österreich von Michelin. Die Erwartungen waren hoch gesteckt und zielten vor allem darauf ab, nun endlich, neben dem nur regional operierenden A- La-Carte-Führer ein international anerkanntes Korrektiv zum Gault-Millau zu haben.
Tatsächlich gilt der Guide Michelin weltweit, lange vor der Konkurrenz von Gault-Millau, Varta & Co., als Lordsiegelbewahrer der reinen Gourmetlehre. Dieser Ruf ist durch Indiskretionen aus der Pariser Redaktion allerdings in letzter Zeit leicht ramponiert worden. Ein Tester plauderte nämlich aus, was Insider ohnedies seit Jahren vermuten: dass der Guide Michelin eher alljährlich wie ein Telephonbuch aktualisiert als, Test für Test, jedes Jahr neu ermittelt wird. (Was auch völlig legitim wäre, würde der Guide nicht andererseits den Anspruch stellen, mit seinen Sternen über Wohl und Wehe der Spitzengastronomie dieser Welt maßgeblich mitentscheiden zu wollen.)
Also wie gesagt: Der Berg kreißte - und gebar eine Maus. Was Michelin soeben vorgelegt hat, wirkt wie ein aus allen verfügbaren Führern und Homepages zusammengeschriebenes gastronomisches Synoptikon, das hoffentlich zumindest den weltweit bei Michelin so geschätzten Tatbestand der Datenakribie erfüllt. (Dass das Bib-verzierte „Forstinger´s Wirtshaus” in Schärding vor zwei Monaten zugesperrt hat, weiß man bei Michelin allerdings noch nicht). Auch die (bei Michelin fast immer empfehlenswerten) Ein-Besteck-Betriebe sind, da durchwegs anderswo schon vielfach abgetestet, verlässlich erfasst.
Dort, wo der neue Michelin allerdings punkten könnte, versagt er kläglich. Er bringt praktisch nichts Neues ans Tageslicht, und er scheitert vor allem an dem Vorhaben, Österreichs Top-Gastronomie einer grundsätzlichen Neubewertung zu unterziehen.
Das Beste an der Bewertung ist noch die Tatsache, dass man den Mut hatte, keine drei Sterne zu vergeben, was meiner Meinung nach, wenn man internationale Vergleichskriterien heranzieht, zurzeit auch der tatsächlichen Situation entspricht. (Eines der wenigen Dinge, in denen ich mich mit Michelin-Herausgeber Bercher eines Sinnes weiß.)
Abgesehen von dieser nicht unklugen Selbstbescheidung am österreichischen Sternenhimmel scheint im neuen Michelin jedoch der Zufallsgenerator Regie zu führen. Zwei Sterne für Taubenkobel, Obauer, Lisl Wagner-Bacher und Johanna Maier, warum nicht? Aber warum nicht auch für Coburg, Hanner, Steirereck, Verdi, Saziani-Stuben oder Dolce Vita, die alle nur einen Stern erhielten oder für so grandiose Restaurants wie das Meinl am Graben, das gar keinen Stern erhielt (ebenso wenig übrigens wie das „Schwarze Kameel”, „Vikerls Lokal”, das „Le Ciel”, der „Rote Wolf”, der Linzer „Neue Vogelkäfig”, um nur einige besonders krasse Beispiele zu nennen).
Die Auswahl der Sternelokale lässt auf keinerlei Konzept schließen. Allenfalls hieß die Devise: Von jedem etwas. Der Stern wird für ein schniekes Zeitgeistlokal wie das Salzburger Magazin ebenso unterschiedslos vergeben wie für gutbürgerliche Wirtshäuser (Brandstätter in Liefering), sympathische Ein-Mann-Lokale („Primavera” in Baden) und Weltklasse-Köche wie Reinhard Gerer (Korso) oder Christian Domschitz (Ambassador).
Das Tohuwabohu setzt sich bei den „Bib Gourmands” für „sorgfältig zubereitete, preiswerte Mahlzeiten” fort. Gut: Sorgfältig zubereitete Mahlzeiten habe ich beim Rauter in Matrei, im Weissenkirchner Florianihof, im Bergkristall zu Lech, beim Weinhof Kappel in Kitzeck, im Goldegger Seehof oder beim Schlosswirt zu Anif sehr wohl in Erinnerung. Aber daran, dort besonders preiswert gespeist zu haben, erinnere ich mich nicht. Da sind wohl eher ein paar halbe Sternchen ins Bib-Loch gefallen.
Auch im nichtbesternten und „bebibten” Bereich fallen gravierende Mängel auf: Da findet man etwa in Freistadt wohl den zwar schönen, aber kulinarisch bedeutungslosen Deim, nicht aber den viel besseren Satzinger, in Eferding wohl das Seminarhotel Brummeier („dezente Farbgebung”), nicht aber das empfehlenwerte Fischwirtshaus Dannerbauer. Der Platz reicht leider nicht aus, um alle Schieflagen auch nur einigermaßen auszuloten.
Fazit: Die Sterneverteiler vom Guide Michelin haben für´s erste einmal einen gewaltigen Stern gerissen, um nicht zu sagen: einen kapitalen Bauchfleck hingelegt.

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