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Christoph Wagner's Weblog

16.11.04 @ 01:59

The Twilight of the Guides (3), specially dedicated to @amigo and @oberndofer

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Also doch noch vor Prag. (Wes der User ruft, des geht das Weblog über). Zum A La Carte-Führer hege ich ein sentimentales Verhältnis. Nur absolute Rhinzerosse der Branche erinnern sich noch, dass das A-La-Carte-Logo, wenn auch mittlerweile etwas gespaced, meine Handschrift trägt und ich diesen Titel, seinerzeit (1988) noch als Gault Millau á la carte in die heimische Gourmetwelt implantierte.

Die weitere Genese überlasse ich den Publizistik-Studenten (die auch häufig schon bei mir waren und fleißig recherchierten); fest steht jedenfalls, dass aus dem Magazin ein Guide wurde, der - abgesehen von Fehlern, die alle begehen - bis heute in ziemlich guter Obhut ist.

Der A la Carte-Guide stand nämlich von Anfang an vor dem Problem, sich vom doch stets aggressiveren Gault-Millau nur dadurch absetzen zu können, dass er braver war. (Die andere Möglichkeit, noch aggressiver zu sein, wäre fast zwangsläufig in Gehässigkeit abgeglitten.)

Daher hat sich der A la Carte-Guide bis heute eine nicht unvornehme, heuer blassgrün grundierte Vornehmheit bewahrt, die ihn zwar ein wenig anämisch, aber letztlich doch liebenswert macht (auch wenn so mancher verblendete Gastronom das nicht so sehen mag.) Die A la Carte-Macher, früher Andreas Oberndorfer, heute Christian Grünwald, beide von mir persönlich hoch geschätzt, hätten - das weiß ich - oft lieber mit etwas mehr Biss operiert, aber so ist das eben mit Marken: Sie entwickeln zuweilen eine Eigendynamik, die stärker ist, als es die Wünsche der Brand-Setter sind.

Da Guides nicht nur gemacht, sondern leider auch (vor allem auf dem Anzeigenmarkt) verkauft sein wollen, haben sich heuer sowohl Gault-Millau als auch A la Carte mit fast Hitchcock´scher Präzision auf den Start des Unsichtbaren Dritten (Michelin) vorbereitet. Gault-Millau, indem er, wissend, dass Michelin mit seinen Sternen aller Voraussicht nach schottisch umgehen würde, im Angesicht des ebenfalls französischstämmigen Konkurrenten ein wahres Feu d´artifice an Hauben entzündete. Und A la Carte, indem es einige wenige erstaunlich konturierte Entscheidungen traf (Gradwohl und, was noch mutiger, allerdings auch wesentlich dubioser ist, Mraz vor Petz; oder Bergdiele Linz weit vor Vogelkäfig), im allgemeinen jedoch auf weitblickende Vorsicht, sprich: Seriösität, setzte.

Da landeten todsichere Altvordere wie Wagner-Bacher, Obauer, Johanna Maier, die wackere Post in Lech oder der unverwüstliche Bleibergerhof relativ unangefochten auf Spitzenplätzen, ab und zu risikierte man einen spürbaren Schlenker zu so genannten Zeitgeist-Newcomern (Fabio´s, Culinarium etc.) und übte sich ansonsten in einer ebenfalls sympathischen Nibelungentreue zu Zeitgeist-Oldies (Mraz, Vincent, Inamera, Yohm etc.)

Das meiste von dem, was A la Carte macht, ist diskutabel, vieles nachvollziehbar, etliches, aber nicht allzu viel auch etwas mysteriös. Man denke etwa an die mit dem Gault-Millau geteilte Vorliebe für das Reader´s Digest-artige Konzept des Salzburger „Ikarus”, die eindeutig zu niedrige Bewertung des Jamek (Stillstand auf hohem Niveau ist mir immer noch lieber als die zuweilen viel höher bewertete Experimentierfreude auf niedrigem) oder die relativ vorsichtige Bewertung für das Salzburger Salieri, das eigentlich genau das macht, was das A la Carte andernorts sichtlich präferiert. Aber wie gesagt, das sind Kinkerlitzchen.

Nichts also gegen das A la Carte 2005, außer dass seine Lektüre nicht rasend spannend ist und es dem Gault-Millau wenig Neues entgegenzusetzen hat, sondern (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) nur das Altbekannte leicht modifiziert bewertet.

Womit ich schlussendlich zu einem Resümmé der heurigen Guide-Saison komme: Der Gault-Millau wetzte die Scharte etlicher eklatanter Fehlurteile durch ein paar mutige Entscheidungen aus und bleibt somit zumindest in Diskussion. Das A la Carte erwies sich als verlässlich, freundlich und seriös wie immer, und der Michelin - Andy Oberndorfer und Amigo, denen ich damit keinerlei Nähe zu diesem Unternehmen unterstelle, mögen mir verzeihen - der kennt sich meiner bescheidenen Meinung nach in Österreich überhaupt (noch) nicht aus.

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