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Christoph Wagner's Weblog
30.01.05 @ 18:00
Von der Trinkgeldsteuer zur Trinkgeldpflicht
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Ich bin, um ehrlich zu sein, ebenso wenig ein Freund des Trinkgelds wie ich ein Freund des Feilschens in orientalischen Bazaren bin. Eine Sache oder eine Leistung sollte das kosten, was sie kostet, und wer sie sich leisten will und kann, der sollte sie eben einfach bezahlen.
Ich stehe mit dieser Ansicht aber , wenn ich so um mich höre, ziemlich alleine da. Alle Welt will Trinkgeld geben. Dafür gibt es vor allem zweiGründe:
1.Der soziale Grund: Man kann dadurch seinem schlechten Gewissen Ausdruck verleihen, dass man Leistungen, die man im Grunde auch selbst erbringen könnte (Essen aus der Küche an den Tisch tragen, Autofahren, sich die Haare schneiden, die Klospülung reparieren, im Hotel die Betten machen etc.) an andere delegiert, sich also, kurz gesagt „bedienen lässt." Sich bedienen zu lassen ist in einer demokratischen Gesellschaft kein schöner Zug. Und wer das (was ihn oder sie ehrt) so empfindet, tariert das soziale Gleichgewicht durch ein mehr oder minder großzügiges Trinkgeld einigermaßen wieder aus.
2. Der asoziale Grund: Fast jeder von uns möchte hin und wieder auch gern den Herren spielen, und je mehr er oder sie selbst dient bzw. unter dem Druck, den er im Berufsleben von oben spürt, leidet, desto mehr drängt es ihn oder sie , diesen Druck auch weiter zu geben. Im negativsten der Fälle führt das zum so genannten „Kellnersekkieren", im positiven dazu, dass man die dienende Leistung, die an der eigenen Person erbracht wurde, auch bewerten oder besser: belohnen oder bestrafen möchte. Genau dazu dient die Bemessung (oder auch Verweigerung) des Trinkgelds.
Gleichgültig aber, ob Grund 1 oder Grund 2 herangezogen wird, so ist das Trinkgeld doch in jedem Fall eine Kann- und keine Muss-Bestimmung. (Im angelsächsischen Raum sieht man das zugegebenermaßen oft ein wenig anders; wer dort dem Kellner die vorgesehenen 10 oder 15% Tip verweigert, dem kann es passieren, dass ihm der Betreffende 100 m nachläuft und seinem undankbaren Gast im nächsten Hinterhof eine Abreibung verpasst; die Polizei wird er indessen nicht holen. Denn als Zechprellerei gilt Trinkgeldverweigerung auch dort nicht.)
Nun stellt sich die Frage: Darf man Geld, das jemand bekommen kann, aber nicht muss, besteuern? Vor allem aber: Kann man dafür, wie es der derzeitige Regierungsentwurf vorsieht, eine Pauschalsteuer einheben? Was ist mit der freundlichen Kellnerin in einem Arbeiterviertel, die als „Dankeschön" zwar hin und wieder eine auf den Hintern, aber kein Geld bekommt, weil die Gäste einfach keins haben? Was ist mit dem „Rotzbuam" von einem Kellner, der nie ein Trinkgeld bekommt, weil er seinen Beruf nicht als aktive Dienstleistung, sondern lediglich als Anwesenheitsdienst in einem Gasthaus begreift? Was ist mit der Wirtin, die selbst bedient und kein Trinkgeld kriegt, weil die älteste der österreichischen Trinkgeldregeln besagt, dass man Trinkgeld nur Angestellten, niemals aber dem Chef selbst gibt, da man sonst seine Unternehmerseele beleidigt? (Gilt sinngemäß auch bei Taxis, aber wer überzeugt sich vor dem Trinkgeldgeben schon, ob er von einem Taxiunternehmer oder von einem seiner Angestellten herumkutschiert wird?)
Kurzum: Das Trinkgeld ist etwas, das man bekommen kann, aber nicht bekommen muss, so wie man Geld auf der Straße finden kann, es aber nicht finden muss. Mit derselben Berechtigung wie Trinkgeldsteuer könnnte der Finanzminister daher auch von jedem Österreicher eine pauschalierte „Findersteuer" von 0,1 Prozent des Jahreseinkommens für all jene verlorenen Geldbörseln, die er möglicherweise gefunden, aber nicht zurückgeben hat, einfordern.
Ich bin kein Jurist und auch kein Steuerexperte, aber da es mit Sicherheit KellnerInnen, TaxlerInnen, FrisörInnen, Stubenmadeln u.v.a. gibt, die kein oder fast kein Trinkgeld bekommen, dafür aber durchaus auch Computertechniker, Botendienste, Handwerker und nicht zu vergessen: Rauchfangkehrer (Glücksbringer!) , die sehr wohl öfter Trinkgeld einstreifen, wird eine Trinkgeldsteuer mit dem Gleichheitsgrundsatz in der österreichischen Verfassung kaum zu vereinbaren sein.
Die einzige Möglichkeit, eine Trinkgeldsteuer legitim einzuheben, scheint mir daher jene zu sein, sie auch mit einer Trinkgeldpflicht für alle zu verbinden. Sobald Trinkgeld, zu welchem Prozentsatz auch immer, in bestimmten Branchen obligatorisch ist, besitzt der Staat auch das Recht, es – inklusive MWSt. – zu besteuern.
Ob das Trinkgeld dann allerdings noch ein Trinkgeld oder eher doch eine neue Steuer für alle wäre, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Obwohl: Österreich, das als erstes Land der Welt die Trinkgeldpflicht einführt — das hätte schon wieder einen herzmanovsky-orlando´schen Charme.

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