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SPEISING Open

21.08.08 @ 10:33

Von Nannini und Tozzi

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Menschen von Welt kennen ihre Bedürfnisse genau und spüren fakultativ das Bedürfnis, ihre geografische wie soziale Umgebung für eine kurze Zeit zu verändern. Seit über 10 Jahren nehme ich mir daher Jahr für Jahr vor, zu mindest einen Abend im Hochsommer auf der Donauinsel zu verbringen, um mit einem bunten Getränk in der Hand die Sonne die Welt in abendliche Farbenspiele tauchen und schlussendlich verschwinden zu sehen. Ich stellte mir das grundromantisch und sehr entspannt vor und war Jahr für Jahr guter Dinge, diesen simplen Wunsch in die Realität umzusetzen. Doch hier hatte ich stets die Rechnung ohne den Wirten, also meinen Widerspruch, gemacht. "Tiefes Gesindel, grausliche Mundschenk und viel zu viel Menschen" stellen nur einen Bruchteil des Gegenargumentgeschwaders dar, das der Widerspruch im Falle meines mutig geäußerten Wunsches "... morgen Donauinsel!" regelmäßig gegen mein Ansinnen richtet. Dass jemand, der andere Menschen als tiefes Gesindel bezeichnet, sich gerade unter jenen geborgen fühlen müsste, ändert nichts an den erfolgreichen Blockaden.
Doch diese Woche kam es anders und der Widerspruch hegte, vermutlich aus schlechtem Gewissen, keinen Einspruch gegen meinen Ausspruch "Donauinsel". Es sollte der letzte hochsommerliche Abend des Jahres sein, ein paar Telefonate sorgten für freundschaftliche Begleitung, und die Untergrundbahn Nummero Sechs brachte uns direkt auf die Donauinsel, was gelogen ist, denn wir bevorzugten das nördlich gelegene Festland.
Frohen Mutes schlenderten wir die raunzenden ten-months-somethings schleppend, rufend, schiebend das Ufer entlang, um nach ca. zwei Kilometern und einer Stunde die Copa Cagrana zu erreichen. Na frage nicht.
Während der Widerspruch erwartungsgemäß immer fideler wurde, sank meine Laune mit der Lautstärke der Musik - also gewaltig. Durch das hohe Anfangsniveau blieb mir jedoch immer noch ein Restjubel über und wir staunten über das Urlaubsflair in 1210 Wien. Eine Hütte neben der anderen, gemütliches Sitzen, Schwatzen und Trinken wo man auch hinsah. Ich machte die höchste Gastroterrasse aus und orderte die amikale Rotte ins Mercado. Was für ein Fehler.
Wiewohl wir zwar einen herrlichen Blick auf den Sonnenuntergang hinter dem Wienerwald hatten, machten uns Service, Essen, eigene Brut und die Musik einen Strich durch die Rechnung. Keine Sprache der Welt kann die Inferiorität des Service beschreiben, daher erst gar kein Versuch. Die Küche steigerte die Sehnsucht nach passablen Konwienienzprodukten ins Unermäßliche und die G´schrappen machten gewaltig Terror bei, unter und auf dem Tisch. Doch das Elend konnte getoppt werden.
Als Mann von Welt liebe ich selbstredend italienischen Schlager, kann jedes Lied textsicher mitsummen und unterscheide prontissimo Nannini von Tozzi. Sehr fein ist das. Schlimm ist es jedoch, wenn diese weltkulturerbetauglichen Musikminiaturen von Discobeats hinterlegt werden. Noch schlimmer ist es, wenn vom Nachbarlokal viel zu laute Dance-Rythmen den Italodiscopop überlagern. So geschah es und es wundert mich nicht, dass der Grat, der die Genies von den Wahnsinnigen trennt, für das Servierpersonal unerreichbar ferne war. Wir flüchteten, und zwar auf die andere Seite, die Insel selbst.
Dort fanden wir ein stilles Plätzchen, gleich neben dem Verbindungssteg, und mit einem lauten "Zischschsch" tauchten wir in ein Entspannungsmeer. Kleine Glühbirnen funkelten in allen Farben, die Skyline gegenüber rahmte das bunte Treiben der Cagrana und das Wasser reflektierte auf einem schwarzen Grundton die Umgebung mit goldenen Blitzen - ein durch und durch schöner Anblick, Wien war in die Ferne gerückt.
Warum nicht gleich so, raunte der Widerspruch, und wir einigten uns auf einen weiteren Versuch kommendes Jahr.

gf

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