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SPEISING Open

21.11.08 @ 13:45

Schummelküche für daheim ...

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Für professionelle Köche mag das Thema eine Peinlichkeit ohne Ende sein. Es ist jedoch eine der unumstrittensten Tatsachen: ohne Tarnen und Täuschen geht in der Gastronomie fast gar nichts mehr. Ein Besuch auf einer Gastronomie–Messe ist überzeugend.

Der „speisende Mensch“ wird getäuscht, wo es geht. Es scheint der alte Spruch: „Die Welt sie will betrogen sein“ in keinem Fach so gut anwendbar wie bei uns Gastronomen.

Soll jetzt der Hobbykoch auf das Klimbim aus dem Fundus der Schummelküche verzichten und päpstlicher sein als der Papst? Die Vorlagen seiner Meister in der Kochbüchersammlung vielleicht übertreffen? Für ein paar Arbeitskollegen oder die Schwiegermutter? Man wird ja nicht die Perlen überall hinwerfen!

Es gibt ja auch Alpenlachs, der kein Lachs ist; oder wie neulich zu lesen: Schweinefleisch, das wie ein Thunfisch zubereitet ist. Ähnlich schimpfen sich schnöder Fische dunkler Rogen „Kaviar“. Oder, wie hier in „Speising.net“ schon ausführlich beschrieben, ganz normale Festzelt–Brathühnchen werden zu Luxus-Kapaunen…. Ich will aber nicht direkt zu diesen Produktfälschungen verleiten, sondern etwas Althergebrachtes schildern. Es war ja nicht immer Jagdzeit…

Warum nicht aus einer guten Wienerwald-Hinterwäldler-Kuh für die wilde Horde Arbeitskollegen ein Hirschragout zimmern und dabei das „Walderlebnis“ vom letzten Wochenende am Schneeberg zum Besten geben?

Man besorge sich beim Metzger seines Vertrauens den vorderen Wadschinken einer kleinen Kuh. Der vordere Wadschinken eignet sich für diese Fälschung perfekt und ist fast nicht vom Original zu unterscheiden. Schon am Vorabend lege man ihn – bereits in passende Stücke geschnitten, in eine Beize mit dunklem, roten Wein, der mit vielen gehackten Wacholderkörnern, gemahlenem schwarzen Pfeffer und etwas Ingwer gewürzt wird. Dann wird es einfach. Die Marinade wird zurückbehalten und das Fleisch auf Küchenkrepp gut abgetrocknet, damit es in etwas heißem Öl gut angebraten werden kann.

Jetzt kommt der „Wild–Trick“. Während man für ein normales Kuh–Ragout das Fleisch einfach mit genug gehackten Zwiebeln anbrät und mit Wein ablöscht um es wie für ein Gulasch langsam köcheln lässt, wird das Fleisch, soll es Wildragout werden, erst dann zu einem guten Wildragout, wenn es wirklich intensiv angeröstet wird! Zuerst wird das frisch angebratene Fleisch mit eigenem Saft „verwässert“. Diesen Saft kocht man ein und zwar solange, bis er verdampft ist. Wenn es wieder richtig im Topf brutzelt war es richtig gemacht.

Man soll zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch etwas Öl eingießen, damit ein richtig brauner Röstgrad am Fleisch entsteht. Erst wenn es richtig wild brutzelt und es am Boden des Topfes bereits leicht anbrennt, kommt der Aufguss mit der zuvor abgeseihten Würzmarinade. Beim anschließenden „Durchköcheln“ wird der Geschmack auf „wild“ eingestellt. Der Wacholder in der Beize hat bereits sein Übriges getan. Ein Löffel guter Essig, Senf, etwas Thymian, eine Prise Zimt und Pimentpulver, Salz und Lorbeerblatt erledigen den Rest. Ist alles gut angebraten worden, wird sich an der Soße die appetitliche Farbe des Rotwilds zeigen . Wenn das Fleisch zart und weich gekocht ist, noch ein bis zwei Löffel gute, dunkelrote Marmelade dazu kochen. Preiselbeeren oder Ribisel sind sehr geeignet.

Diese Zubereitungs-Methode findet sich in manchen älteren Kochbüchern. Sie brachte Abwechslung auf den Tisch, schonte den Geldbeutel und erzeugte höchste Tafelfreuden. Wer diese Garmethode beherrscht, kann vielen Speisen einen originellen Wildcharakter geben.

Versucht man das mit anderen Fleischsorten, wird immer ein besonderer Geschmack erreicht.

Wenn man von Wildvögeln, Wildente oder Fasan, die Brust nur kurz und rosa braten will, kann man aus den Beinchen mittels dieser Würzmethode ein hervorragendes Ragout gewinnen, welches man dann mit der frisch gebratenen Brust anrichtet.

Ein besonders zur „Schummelküche für daheim“ geeignetes Tier war einst der Truthahn, dessen Fleisch mindestens zwei bis drei verschiedene Färbungen und Faserstrukturen aufweist.

Burning Börni wünscht Euch gutes Gelingen!

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