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SPEISING Open

01.04.09 @ 16:18

Von Fischen, modernen Speisenkarten und Babys …

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Neulich war ich nach langer Zeit wieder richtig fein zum auswärts Speisen. Ausgestochen essen gehen sagen die Oberösterreicher und meinen damit halt anders als beim Wirt im Dorf. Sie suchen dazu nur ganz spezielle „Hütten“ auf. Solche Futterkrippen, wo es sich für den Wirt richtig lohnt, wenn seine Spelunka „Meinereiner mit den Seinigen“ heimsucht.

Ja und es war die Fischzeit wie üblich im Früh – Frühling. Natürlich haben sich meine Begleitpersonen sofort als Fischfreunde „geoutet“. Die Speisenkarte war ein Achtel Quadratmeter großer Fetzen mit faszinierenden Wortgebilden, zusammengereimt aus allem was zwischen Kap Horn und Spitzbergen im atlantischen Meer so herumschwimmt und von Spaniens Sonne abgeschirmt zur Frühlingszeit auf Substratböden so schnell heranwächst. Zum Teil Kombinationen auch mit bis zu zwei „Babys“ dabei. Dabei legen die Fische doch Eier und bekommen keine Babys. Ich blieb, weil es noch weit bis zum Palmsonntag war, in meiner fast religiösen Fastenstimmung. Als Koch soll man „Lent“ einhalten. Das hat der große Careme so bestimmt!
Die Preise für die Speisen waren für Dagobert Duck und Co kalkuliert, die dort wohl öfter als ich mit ihren Chefsekretärinnen vorbeischauen und dabei richtig Geld am Tisch knallen wollen.

Meine handgerüttelten Babymozzarella Tortelloni mit getrüffelter Morchelessenz befriedigten mich nach einer Tasse Spinat-Cappuccino Cremesuppe schon vollends. Während ich aufs Dessert wartete, sah ich nachdenklich den Anderen beim Essen zu. Ofenfrischer Beerenstrudel mit weißem Espressoglace und Marsalasabayon!! Beeren im Frühling? Potz Blitz, per Fedex aus Argentinien?

Die Fisch-Kulinarikerinnen hatten unter anderen ein Gericht bestellt, das meine besondere Aufmerksamkeit als Genuss–Spechtler erweckte:

Pochierte Baby-Zanderfilets auf Rahmsauerkraut mit pochierten Kümmelkartoffeln

Der Babyfisch sah schwer nach den tiefgekühlten Sonderangeboten aus, die ich aus dem Großmarkt kenne und die ich in meiner eigenen Hütte gerne, wenn wohlfeil, auf ein Freitag-Tagesmenü um 8 Euro setze, oder die ich für die Mechatronikerbrigade von nebenan, die bei mir ihre Kantine haben, koche wenn wer Geburtstag hat.
So kleine 100g Schwanzerln, die einem gestandenen Handwerker nur schmecken, wenn sie im Terzett heiß frittiert gebacken mit einem Batzen Majonäse und Kartoffelsalat am Teller auftreten. Das Rahmsauerkraut völlig ungekocht, daher schön bissfest - der Rahm etwas gestöckelt von der Ascorbinsäure. So isst der einheimische Gallier sein Sauerkraut nicht. Die spinnen die Köche!

Weil Zander so beliebt war, gab es noch Zanderschnitzel auf Bordeauxrisotto mit Marsalacreme, ein tolles EU–Essen. Italienisch, Spanisch, Französisch und der Fisch wohl aus Riga. Ich sah nach, ob die große Politikerin im Raum ist, die was mit der EU zu tun hat. Ich suchte vergebens.
Da dachte mir, so werden wir Österreicher nie eine Spitzenposition in der Rangliste der besten Küchen einnehmen. Der Koch turnt wie ein Affe im Käfig mit allen seinen Spielsachen gleichzeitig herum. Was der große Meister uns damit wohl sagen wollte? Gewiss, dort kommen viele Leute nur einmal im Leben hin, und da muss der dann auch alles auf einmal er-feinschmeckern können … Da waren, in doch zwei sehr ähnlichen Speisen, Zutaten, aus denen man gut und gerne ein langes Menü zusammenstellen könnte.

Das Risotto hätte ich als Vorspeise zubereitet. Einen Reis–Pilaf wie immer, eine Tasse Reis für vier Portionen ins heiße Öl schmeißen und gleich mit zwei Tassen Wasser aufgießen. Umrühren, Salz dran und ein Lorbeerblatt, schön langsam zugedeckelt dünsten. Bordeauxwein muss da nicht sein, ein paar Safranfäden dazu dünsten, sonst nichts. Kurz vorm Essen noch einen Schuss Rahm hinein und geriebenen Parmesan drüber.
Den Zander hätte ich nur gesalzen und in geschmolzener Butter von lauwarm bis brutzelnd im Pfandl gebraten. Petersilie drauf, ganz frisch geschnitten, versteht sich, nochmals gewendet, fertig. Keine Beilage. Den Satz im Pfandl mit einem Spritzer Wein abgelöscht, wieder etwas Rahm drauf.
Zum Dessert würde ich mit einem schönen Marsalawein, etwas Marzipan und einem Anteil Rahm ein Eis frieren. In so einem Portionsgerät. Das schmeckt fast wie spanischer Honig …

Das mit den Babys hat mich dann noch zu etwas Zynismus gereizt, was meine Tischgenossen ein wenig nervte. Als Beilagen fanden sich Babyspinat und Babyfenchel, eine Vorspeise hatte Tatar vom Baby Thunfisch dabei. Der Babyzander, so vermutete ich, muss einem Marketing-Guru der Baltischen Fischmafia eingefallen sein, weil beim industriellen Abfischen sich das Ausklauben nicht lohnt. So machen auch schlaue Atlantikfischer den früher wertlosen Beifang zu Gold, seit große Küchenmeister sich die Wortkreation Babysteinbüttchen und Babyscholle erschufen. Und der Baby-Mozzarella? Ich bin mir sicher, der hat, bevor ich in angeschnitten habe, Mama zu mir gesagt.

Das St. Pierre Filet an Trockentomaten–Fenchelsalsa mit Pancetta und Babygemüse auf Basilikum Kartoffelmousseline war auch nicht schlecht konstruiert. St. Petersfisch auch China, Fenchel vom Pürierstab mit geröstetem Bauchspeck drin, der ziemlich aufgeweicht war, weil die Soße vermutlich eine Woche vorproduziert wird und Kartoffelpüree mit gefriergetrocknetem Basilikum, weil sonst wär wohl ein Blatterl drauf gewesen von Vishnus Kraut, so war das Pfanni etwas grau… sli..!

Was ganz Tolles, zumindest in Worten gereimt, war der Steinbutt mit „s e i n e n“ Ravioli. An Kopfsalat-Verjusschaum und soufflierter Zucchiniblüte. Das war umwerfend cool. Kopfsalat bitter und der Verjus extra dry … Das Produkt Verjus, ein „Machwerk“ aus unreifen (unverkäuflichen) Trauben? Wahrlich, ein Schluck davon und es zieht dir das Hemd hinten rein, auch wenn der Koch zuviel davon über dem Essen herumspritzt. Klingt aber gut. DER wahre Saft?

Von den großen Köchen habe ich wieder viel gelernt, dafür bedanke ich mich. Jetzt gibt’s bald überall Babyzwiebeln und Babyochsen und Babystierhoden…. Obwohl ich Kleinkinder immer zum Fressen gerne hatte und habe, die Kleinkinderfische mag ich nicht. Bei den Karotten gibt’s aber keine besseren, als gut ausgereifte, schöne dicke lange Dinger, da wird mir jede Hausfrau zustimmen, die noch das große Privileg hat, vormittags beim Kochen in Muse und alleine daheim zu sein und solche langen, runde pralle Dinger schälend in der Hand zu halten.

Freundschaft!

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