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SPEISING Open

30.09.09 @ 16:17

Die Essenz, ein Trance-Wein

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Es hat sich an einem der letzten Freitage so zugetragen:
Es waren wieder einmal Frau und Herr Tr. zu Besuch, treue Gäste, die gutem Essen & Wein sowie der gepflegten Unterhaltung mit Wiener-Schmäh nie abgeneigt sind.
Mich eingeschlossen haben wir 3 ja schon öfters richtig tolle Weine (übrigens heißt das nicht gleich teuer!) hinter uns, ich in meiner Profession muss das sogar beruflich machen, alles hat eine negative Seite. Aber jetzt im Ernst:

Also der Täter in diesem Fall war die Essenz von Feiler-Artinger, 2005.

Ich kenne diesen Prädikatswein jetzt schon 2 Jahre, und der ist, wie auch allgemein bekannt, ein toller Wurf (eigentlich ein tolle Gärung). Zuletzt habe ich ihn persönlich vor ca. einem Jahr das letzte Mal getroffen (getrunken), und damals war er schon sehr, sehr gut, hatte ihn aber mit dem Anhängsel „da geht noch was“ gespeichert, obwohl damals schon als perfekt bewertet.

Jetzt hatte ich die Gelegenheit und das Glück, noch ein paar Flaschen zu bekommen.
Gemein wie halt Kellner so sind, habe ich meine Gäste brutal als Versuchsobjekt missbraucht, und Ihnen einfach so ein Gläschen davon verabreicht. Aber da ich ja doch eine gewisse Moral habe, habe ich auch ausnahmsweise mir einen kleinen Schluck ins Glas gegossen. Mitgehangen mitgefangen, selbstlos wie Kellner halt so sind!
Also kurz zugeprostet und dann ist es passiert!

Der Wein hat als erstes unser Riechorgan erreicht, wir drei wurden schlagartig still!
DA IST WAS dachten wir gleichzeitig, ohne zu sprechen.
Was ich jetzt schreibe sind keine gesprochene Worte, sondern so ziemlich genau der Ablauf meiner Gedanken (also ein echtes Selbstgespräch – das ich jetzt mit Ihnen führen darf).

Stellen Sie sich das Bild vor, wenn dichter Nebel über eine Kante läuft (Photos vom Tafelberg/SA, oder für die jüngeren, wenn eine Nebelmaschine diesen über die Tanzfläche ergießt).
Exakt so begann diese Flüssigkeit, dieses Elixier von der Zungenspitze (Berggipfel) in Richtung Kehle (Tal) zu sinken, rinnen wäre echt zu banal an dieser Stelle.
Apropos sinken, dieser Wein hat 223g Restzucker / 11,8 g Säure (ist so wie PS/Drehmoment bei Autos), ich hab diesen Wein nicht als Flüssigkeit wahrgenommen, war wirklich wie ein dichter Nebel, voller Geschmack von gelben bis orangen Zitrusfrüchten, der sich als erstes im ganzen Mund verbreitet hat. Dort ist er kurz verharrt und begann dann eben wie gesagt, in Zeitlupe vom Tafelberg - Richtung Kehle zu sinken. War tatsächlich kaum als Flüssigkeit wahrzunehmen - mir war schlagartig klar warum solche Weine Meditationsweine heißen (persönlich würde ich Trance-Wein sagen), die ganze Essenz der Geschmäcker blieb in vollem Umfang mindestens 5 min in der gesamten Mundhöhle - in jeder Ritze - in jeder Ecke (da wünscht man sich glatt ein Loch im Zahn für eine weitere Minute) stehen.
Für mich als Professionisten (nebenbei: was ist das für ein Wort - gibt’s auch Amateuristen?) hab ich endlich die Erklärung für die Weingattung Essenz gefunden, denn da gibt’s einige, dazu mehr am Ende des Berichtes.

Und während dieser 5 Minuten hat keiner (vielleicht waren es auch nur 3 Minuten) auch nur ein Wort gesprochen, mitten im Lokal (das geöffnet und gut besucht war), alles rundherum war leise geworden.
Nach diesen Minuten haben wir uns alle 3 gleichzeitig in die Augen geschaut (wie das geht weiß ich nicht mehr), einen tiefen Atemzug getan und im Chor „WOW“ gesagt. Das war’s. Es gibt Gott sei Dank solche Weine nicht oft, aber doch immer wieder, und nicht wie in der Werbung immer öfter.
Ich persönlich hab irgendwas von Wahnsinn, super gestammelt, und habe immer noch atemlos meine Arbeit wieder aufgenommen, weil wie gesagt, dies ja mitten im Geschäft war – kann Arbeit nicht schön sein.

Auch Frau und Herr Tr., kann ich mich genau erinnern, haben in dieser Minute kein Wort gesprochen, und dies ist, wenn man uns kennt, eher ein Wunder oder eine schwere Krise.
Zurück zum Kern: Wann haben Sie, ich meine jetzt alle Leser, das letzte Mal 3 - 5 Minuten keinen Gedanken über irgendwas im Kopf gehabt?
Dieser Wein hat es geschafft, einen einfach woanders hin zu beamen NUR DER WEIN.

Ich schreibe das im Bewusstsein (und einige Tage später, ist aber trotzdem ein Livebericht), dass ich über diesen Wein mit den 2 Lieben noch gar nicht gesprochen habe, aber ich weiß, wir 3 haben das so erlebt bzw. gefühlt wie z.B.: 10.000 oder auch mehr bei einem legendärem Auftritt einer großen Kultband (Toto in Stadthalle, Genesis im Happelstadion), als wir Deutschland bei der Eröffnung desselbigen 4:1 geschlagen haben, Franz Klammer damals in Innsbruck gewonnen hat.

Vielleicht bin ich ja etwas besessen, aber solange ein Wein bei mir solche Erinnerungen schafft und mich so beeindruckt, erklärt er die Magie, die man diesem Getränkt zuspricht.
Probieren Sie es aus, Österreich ist ein glückliches Land mit solchen Weinen, und da gibt’s noch einige, da könnt ma echt stolz sein!

Danke in diesem Fall speziell auch an die Familie Feiler-Artinger, danke auch an Fr. & Hr. Tr.!
Euch wünsch ich jedenfalls, dass Euch das auch einmal passiert, die Weine dazu könnt Ihr nicht nur bei mir bekommen (übrigens bei uns gibt’s auch das Essen für solche Erlebnisse - unser Herr Riedl kocht einfach fantastisch, der schafft das mit seinen Speisen auch immer wieder).


Das nächste Mal schreib ich wieder mehr über die Realität, und im PS findet Ihre ein paar wissenswerte Informationen zum oben beschrieben Wein, Herstellung und einige interessante Begriffserklärungen.

In kulinarischer Verbundenheit
euer Oberkellner Mario
mit einem Livebericht aus dem Vincent


P.S.:
Allgemein sind die 2005 Prädikate zurzeit in einer absoluten Hochform, finde ich. Ich habe die Woche TBA Zierfandler von Herrn Piriwe/Traiskirchen, BA Riesling vom Mantlerhof (übrigens der 99 davon ist auch echt super) ausgeschenkt. Das ist jetzt auch der reale Weintipp, abseits von der Neuheiten-Entdeckungmanie bzw. Jagd, ich jage zurzeit den optimalen Zeitpunkt einen Wein zu trinken:
2001 Smaragde Wachau JETZT, auch 98 JETZT.
04 Rotweine, speziell Blaufränkisch, die nicht mit zuviel CS vermählt sind JETZT (zB. Rotweingut Lang Cuvee, Judith Beck Cuvee).

Technischer Teil zur Essenz:
Offizieller Titel: Ruster Ausbruch Essenz 2005

Wissenswertes: Rebsorten Chardonnay und Weißburgunder, lehmige Braunerde auf Kalksandstein und Granit-Gneis Urgestein, 9 – 35 jährige Rebstöcke, Ausbau Weißburgunder in gebrauchten Barriques, Chardonnay im Edelstahltank.
10,5 % vol., 223g/l Restzucker, 11,8g/l als Weinsäure

Tipp:
Unbedingt im Weißweinglas servieren (probieren Sie mal den Unterschied zu diesen kleinen Süßweingläsern), ich persönlich hab Ihn im großen Riedl-Chardonnayglas.
Am besten gefunden, Temperaturempfehlung 12 Grad – ich persönlich finde etwas wärmer noch besser, aber ich bin auch ein Zuckergoscherl wie man so sagt.

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