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SPEISING Open

31.07.10 @ 14:08

Das Nudelholz teilt aus!

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Kochen als chemisch – physikalischer Vorgang ist leicht erklärt. Der Übergang vom rohen in den gegarten Zustand wird mit „Kochen“ bezeichnet. Man könnte auch zu ungeordneten Dingen sagen, sie sind „roh“ - und zu geordneten, arrangierten und perfekten Sachen, sie sind „gekocht“. Ich bin daher ein mit allen Wassern gewaschener „abgesottener“ „ausgekochter“ Hund, gut durchgebraten und scharf gewürzt mit Erfahrungen aus und auf dieser Welt. Werfe mir also niemand vor, dass ich „roh“ sei.

Wenn man gewisse Zeitschriften genau liest und auf ihre Kernaussage kommt, merkt man, dass immer weniger die Köche, sondern fast überall die „Macher“ der Lektüre kochen. Sie kochen da ein Zeitungsentchen, dort einen illustrierten Braten, überall eine TV-Suppe, garnieren es mit positiv geschwängerten Worthülsen, subtilen Werbesprüchen und verkaufen es der, wie gewünscht, staunenden Menge. Einer „Menge“, von der sie selbstredend annehmen, dass sie genau so denkt und dieses zum ewigen Erfolg Gebotene, dankbar annimmt.

Ich lese diese Zeitschriften sehr aufmerksam. Ich erfahre, dass alles stets zu unterlassen ist, was dort im Gastro-Emporium als „gaga“ gilt. So bleiben die selbst hochgelobten und selbst hochverehrten Gastronomen unter sich und können sich über ihre Einzigartigkeit ein wenig länger freuen.
Ich stelle aber auch immer wieder fest, dass die klügere Kundschaft diesen „Einzigartigkeiten“ immer mehr ihr Wohlwollen entzieht, weil sie denken, dass der besternte, „behauptete“ Esstempel schlicht nur teuer ist und die trendigen Küchen-Stil-Transformer immer mehr mit den Schummel-Helferlein aus den Großmärkten ihre Lorbeeren einheimsen. Dazu braucht man sich nur bei den bekanntesten Kochwettbewerben umsehen. Ein Biobauer kann das nicht sponsern!

Hier will man mit Präsenz auf Prospekten und Gastronomie internen Zeitschriften für viele denaturierte Nahrungsmittel Profil bei den mit Kosten überladenen Kollegen schaffen, dort will man der Papst oder das Gravitygirl einer Armee aus gastronomischen Superhelden sein, welche die Welt vor aufgewärmten und zugekauften Leistungen retten.

Das geht mit Sicherheit schief, wenn man bei Pfeiffers Quintessenz, Falstaff, Gault Millau, Gast und Wirt oder RollingPin zugleich drinsteht. Der Tanz ums goldene Kalb der Schummelküche sozusagen, wird spätestens dann zum Totentanz des Berufs, wenn der zahlende Kunde draufkommt, was wirklich gespielt wird.

Also habe ich dem Herausgeber und Chefredakteur von „RollingPin“ irgendwann einmal meine Meinung kund getan. Etwas rustikal, bäuerlich ungebildet aus dem Steinguttopf geplaudert - mit Sicherheit nicht so, wie es erwünscht war. Gewürzt mit einer Portion Humor, der selbstredend nicht ankam.
Ich fasste mir prompt ein Leseverbot aus, ein schon bezahltes Abo wurde stillgelegt, mir das zurück-zahlen des Geldes angeboten. Ich hab es neu bestellt, soviel war mir der Spaß wert. Ich lese es immer noch und kann es jedem empfehlen.

Schon die Aufmachung am Titel hat etwas Martialisches. Kein Wunder bei dem Chefredakteur, da muss ein Koch schon eine mit Rein-Adrenalin gefüllte Premium-Hartwurst mit Haxen und Kopf dran sein, um dort den Titelhelden zu mimen.

Österreichs Elite-Köche: Böse starren sie dich an, behörnt mit Geweihen oder mit Tintenfischen gekrönt, Hackebeil schwingend, Messer wetzend, Bluthunde der elitären Prasserei, neulich jedoch erschreckte mich einer, der mir fast peinlich als „Schwuchtel“-Mozart aufgeputzt zulächelt. Man macht aus der Gastronomie ein „sissy business“ - es sieht aus wie schlechte Slapstick Satire.

Die Dreistigkeit, mit welcher die Großindustriellen der Gastro-Zuliefer-Nahrungsmittelindustrie nach den Dingen greifen, welche Köche in die Hand nehmen, ist sehenswert. Da tummeln sich junge Wilde mit den ewig besten aller Zeiten auf einem Zombieball von Großmärkten, Tiefkühlbrötchen-Großindustriellen und hunderten Essenzen-Schäumchen-Schlägern. Ein Gargantua und Pantagruel, welche die Branche niederpissen und zukacken, dass jeder darin ersäuft, der nicht schnell genug Abstand von jenen Auslässen der Weltmarkt Köstlichkeiten gewinnt.

Headhunter züchten sich Ihre ´round the clock manipulierbar-Bubis und geben Tipps, wie man im fernen Indien oder bei Ölscheichs Karriere macht.

Zitat : „In Indien ist der Kunde nicht König – er ist Gott“!

In Österreich, so scheint es wird der Kunde immer mehr zum Deppen. Es erzählt mir ein österreichischer Kochkollege der in einem berühmten Restaurant hierzulande praktiziert hatte, wie mickrig seine Bezahlung und wie lang seine Arbeitszeit war. Jeder der das „Stage“ System (teilweise unbezahlte Gratis Schwarzarbeit) kennt, wird Sachen erzählen, die jedem Gewerkschaftspräsidenten intensivstes Vorhofflimmern bereiten.

Dann erzählen mir immer öfter Gäste beunruhigende Sachen aus der „grande cuisine“, vorwiegend Dinge, die mit „angefressenem“ Personal zu tun haben. Man erkennt auch als Laie in der Tat immer mehr Speisen als Convenience-Produkte. Warum gibt’s beim *** keinen grünen Blattsalat? Na weil das Ausklauben des Vorgemixten in Plastiktüte geschweißten fertig Salat vom Großmarkt zu lange dauert … gibt sich der Kunde selbst die Antwort. Daran hätte ich abgebrühter Hund nicht gedacht!

Wenn man sieht wie bekannte Großmärkte z.B mit aus der IT Branche übernommenen Kürzel wie Koch du Null (Cook 2.0) werben, dürfen sich hierzulande unsere Kochgrößen nicht wundern wenn sie trotz Hauben und Sterne, ganz schnell ihren, fast amtlich beglaubigten Ruf, verlieren.

Neulich beschwerte sich ein guter Koch – Kollege aus Graz im RollingPin* - über eine lokale Zeitung, die keck behauptete, dass in den steirischen Wirtshäusern fast nur mehr mit Produkten aus der Industrie gekocht würde. Kein Wunder für mich, wenn das Bild und die fachbezogenen Aussagen fast aller unserer kochenden Superhelden ständig neben Sonderangeboten der Lebensmittelindustrie zu sehen ist.
Jetzt lass ich euch wieder in Ruhe und schau mir ein Rezept an. Ganz ein Tolles.

Euer Burning Börni

www.rollingpin.com
Bild: www.toonsup.com/omb

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