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Das Weinlog

16.06.04 @ 20:23

Bubble, Bubble, Risk and Trouble und ein Picknick

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nein, es dreht sich nicht schon wieder um Schaumwein und seine möglichen gesundheitlichen Risken bei Konsum oder zweckentfremdeter Verwendung als Einweg-Abschussvorrichtungen für zugehörige Korken.
Eher geht es um ökonomische Blasen und zwar um solche der Weinwirtschaft:
Auf der einen Seite sind seit der vergangenen Woche Subskriptionspreise der meisten der großen Châteaus bekannt: Pavie (ja der, der einigen EngländerInnen die Grausbirnen aufsteigen ließ) wird für den Endverbraucher alles inklusive so um die 160€ je Flasche kosten und für Mouton, Lafite und Co wird man gegen 250€-300€ zu berappen haben (falls man überhaupt hier noch von „berappen” sprechen kann). Der dieses Jahr besonders hochgelobte Montrose wird um 130€-160€ gehandelt (so man ihn bekommt). Damit sind die im Jahr 2000 erreichten historischen Höchststände nicht nur erreicht sondern locker übertroffen (Montrose kostet gleich doppelt soviel viel vor drei Jahren, von den wohlfeilen seinerzeitigen 20€ für den ebenfalls hochgerühmten Jahrgang 1990 wollen wir gar nicht träumen).
Für die vielleicht 100 Châteaus, deren Weine vor Robert M. Parkers Gaumen Gnade finden mag das eine auf den ersten Blick durchaus erfreuliche Aussicht bedeuten.
Doch auf jedes dieser Châteaus kommen im Bordeaux mindestens 100 weitere (in Summe gibt es im Bordeaux ca. 13.000) Weinproduzenten, denen sich der Markt bei weitem nicht so glänzend präsentiert.

300 dieser Produzenten haben sich vergangene Woche in Bordeaux zu einem Demonstrations-Picknick versammelt, um ihrem Unmut kundzutun:

- darüber, dass die großen Händler nur noch Interesse daran haben, die Top-Châteaus zu vertreiben, die ihnen aus der Hand gerissen werden und hohe Margen versprechen,
- darüber, dass ihnen Negotiants für den Inhalt eines Barriques (225l) gerade noch 180€ anbieten,
- eine beträchtliche Anzahl der Betriebe vor dem Bankrott steht und
- für Weingärten heute gerade noch ein Drittel von dem bezahlt wird, was man noch vor drei Jahren dafür erhielt.

Nun könnte man einwenden, dass der Großteil dieser Winzer einfach zu kleine und für den Weinbau ungeeignete Flächen bewirtschaftet und / oder einfach zu schlechte Weine produziert und man ihrem Dahinscheiden aus makroökonomischer und önophiler Sicht keine Träne nachzuweinen hätte.
Die Frage bleibt dennoch, ob das Sterben von – wie von manchen befürchtet – einem Drittel bis zur Hälfte dieser Winzer innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht doch weiterreichende Auswirkungen hat: z.B, auf nervös werdenden Banken, die nach erheblichen Kreditausfällen auch erfolgreicheren Produzenten die Kreditlinien streichen.
Auch von den meisten der großen Négotiants heißt es, sie hätten ihre Kredite bereits bis zum Letzten ausgenutzt und säßen auf vollen Kellern mit Weinen aus den Jahren 1997, 1998, 1999, 2001 und 2002, die sie renommierten Herstellern abgenommen haben, um ihre Allokationen für die wirklich ertragreichen Jahre nicht zu verlieren.

Also nicht wirklich beruhigende Anzeichen, besonders für diejenigen Weinliebhaber, die die obigen Preise heute zahlen und hoffen, dafür in zwei Jahren auch wirklich den Wein zu bekommen.
Doch massive Ausfälle von Subskriptionen und der damit verbundene Image-Schaden, sowie das Überschwemmen des Marktes mit ansonsten unverkäuflichen Bordeaux aus den Sekundärjahrgängen können auch den Top-Produzenten nicht ganz egal sein.

Ein wenig beruhigend wirkt hier auf mich, dass die demonstrierenden Winzer sich zu einem Picknick zusammengefunden haben. Wenn ihnen noch Lust, Ruhe und Gelassenheit bleibt, sich zu Essen und Trinken niederzulassen besteht vielleicht doch noch Hoffnung, dass anstelle eines weitreichenden Niedergangs in den nächsten Jahren auch aus dem Bordeaux vermehrt attraktive und wieder leistbare Weine auf uns zukommen, die auch zu anderen Picknicks passen und bei denen man nicht froh sein muss, für das 08/15-Club Limit gerade noch einen Kostschluck zu bekommen.

-hs.

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