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Das Weinlog
04.09.04 @ 22:44
Es begann mit einem gebrochenen Versprechen
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(Zur Warnung: zum wiederholten Mal nicht wirklich lustig, dafür hoffentlich informativ, möglicherweise ein wenig interessant und vielleicht doch nicht allzu belehrend!).
Zugegeben, ein wenig konstruiert ist es schon, aber man verzeihe mir, dass ich mir den 5. September gewählt habe, um auf einen meiner Lieblingsweine zu reden zu kommen.
Immerhin jährt sich an diesem Tag zum 668. Mal die in Lyon erfolgte Papstweihe Jacques d'Euse, der als Johannes XXII. die Nachfolge Clemens des V. antrat. Sechs Wochen hatten 23 Kardinäle getagt, die in Lyon und auf Vermittlung Philipps des V. von Frankreich zu einem zweiten Anlauf zur Papstwahl zusammengekommen waren, bevor sie sich auf den damals bereits über 70 Jahre alten Bischof von Avignon und Kardinal von Porto einigen konnten und der mehr als zwei Jahre dauernden Vakanz des Papstthrons endlich ein Ende setzten.
Es war nicht nur sein fortgeschrittenes Alter, das die Kardinäle schlussendlich überzeugte, sondern auch sein Versprechen, die von seinem Vorgänger nach Avignon verlegte päpstliche Residenz wieder nach Rom zurückzuführen um dem später so genannten „babylonischen Exil der Kirche” bereits nach 9 Jahren wieder ein Ende zu bereiten.
Doch frisch geweiht änderte (?) er seine Pläne und kehrte in das wohlvertraute Avignon zurück. Nicht nur zeigte er keinerlei Anstalten sein Versprechen einzuhalten, vielmehr beauftragt er im darauffolgenden Frühjahr die Wiedererrichtung einer Sommerresidenz im idyllischen, wenige Kilometer vor Avignon gelegenen Ort Châteauneuf.
Chateuneuf war bereits seit 1125 als Teil der Grafschaft Venaissin in kirchlichem Besitz. 1157 bestätigte Friedrich Barbarossa im vergeblichen Bemühen, sein Verhältnis zum Papst zu verbessern diese Schenkung der Grafen von Toulouse und die diesbezügliche Urkunde gilt auch als erster schriftlicher Beleg von Weinbau in Châteauneuf.
Dennoch gilt Johannes XXII als Urheber des Châteauneuf-du-Pape, da er um seine Sommerresidenz Weinstöcke und Olivenbäume pflanzen ließ und damit den Ruf dieser Weine begründete. Und entweder war seine Vorbildwirkung enorm, oder aber seine Urheberschaft am mittelalterlichen Weinbau überschätzt, aber im Jahr 1334 (ein Jahr nach dem Tod von Johannes XXII im Alter von 88 Jahren – seine Wähler werden das wohl anders erwartet haben) wurden in Châteauneuf (immer noch ohne „du Pape”) bereits 3 Millionen Rebstöcke (in rot und weiß) gezählt. Das bedeutete eine Rebfläche von 600-800ha.
Während der nachfolgenden Jahrhunderte nahm die Erfolgsstory der päpstlichen Weine mehr oder minder unbeeinflusst von den politischen Umwälzungen ihren Lauf. Selbst die Reblauskatastrophe, von der auch Châteauneuf nicht verschont blieb wurde relativ glimpflich überstanden. Dies einerseits dank guter finanzieller Randbedingungen und anderseits wegen der Initiative von Joseph Ducos, der früh auf veredelte Unterlagsreben setzte und als Bürgermeister von Châteauneuf im Jahr 1893 auch die Umbenennung in Châteauneuf-du-Pape erreichte.
Es war auch Ducos, dessen Untersuchungen zur Wahl der für Châteauneuf-du-Pape geeigneten Rebsorten ganz maßgeblichen Einfluss auf die heutige Zusammensetzung hatte, denn er entschied sich Ende des 19. Jahrhunderts für die folgenden 10 Rebsorten die er im heute noch gut bekannten Weingut Château la Nerthe anpflanzte:
- Grenache und Cinsault wegen der Süße, der Wärme und der Molligkeit
- Mourvèdre, Syrah, Muscardin und Vaccarèse wegen der Festigkeit, der Haltbarkeit, der Frische und ihres durstlöschenden (sic!) Charakters
- Counoise und Picpoul wegen des Alkohols, der Annehmlichkeit, der Frische und des spezifischen Bouquets
- Clairette und Bourboulenc wegen der Finesse, des Feuers und des Glanzes
Diese zehn und drei weitere (Terret noir, Roussanne, Picardan) bilden seit 1935, dem Jahr in dem die AOC Châteauneuf-du-Pape beschlossen wurde, die mythische Symphonie der zugelassenen Rebsorten. Doch wie es Mythen so in sich haben so deckt sich auch dieser nur zum Teil mit der Realität und im Wesentlichen bilden heute die Rebsorten Grenache, Cinsault, Syrah und Mourvèdre die Grundlage nahezu aller produzierten Châteauneufs. Doch die von Joseph Ducos aufgelisteten Charakterzüge, die findet man doch in guten Weinen aus dieser Region wieder.
Nun genug geschwätzt und doch noch ein paar Notizen zu Weinen mit denen ich mich gemeinsam mit einigen lieben Freunden vergangenen Freitag versuchte gebührend auf den Jahrestag vorzubereiten:
Château-La-Nerthe ”Cuvee des Cadettes 1995
(28% Mourvèdre, 28% Syrah, 44% Grenache) (im Andenken an Joseph Ducos, der Ende des 19. Jahhunderts erstmals eine Cuvée dieses Namens füllte)
zunächst fleischig – rauchige Nase; physiologisch reif und etwas Rumtopfaromen aber ohne markante Surmaturitée; dann konzentriert kräutrig mit etwas Blutorangen; die Frucht wirkt ziemlich jugendlich; dicht; auch medizinale Anklänge;
Am Gaumen markantes Tannin; Kakao vom Aroma und vom Tannin; nur leicht gereift; recht deutliche Säure; dann süße dunkelbeerige Frucht; sehr guter Zug; im Finish etwas ruppig; sehr jung; wird mit Luft zunächst stoffiger und leichtfüßiger; klingt nicht mehr so trocken aus; verschließt sich dann jedoch wieder in Richtung trockene Würze; 17.5
Château de Beaucastel 1995
(einer der ganz großen Klassiker des Châteauneuf, der für sich in Anspruch nimmt alle 13 Rebsorten zu verarbeiten. Ich für einen hohen Mourvedreanteil "berüchtigt")
zu Beginn verhaltene Nase; etwas kräuterig; wird etwas Luft feiner und entwickelt immer tiefere Frucht; klar; wirklich jugendlich; dann auch etwas animalischere Noten
im Gaumen glaubten wir Holz zu erkennen (kann aber nicht sein); Süße; feines Tannin; richtiggehend elegant; wirkt modern gemacht (ist er aber nicht); recht guter Zug; wirkt in diesem Stadium nicht zu konzentriert und vielleicht mit etwas wenig Druck in der Mitte; antrinkbar aber noch jugendlich; klingt recht fein aus; nach einer Stunde wirkt der Wein deutlich konzentrierter und tiefer; mehr Struktur und Tiefe; ganz toller Zug; Länge; 18.5
Château Janasse Vieilles Vignes 1998
in der Nase zunächst ziemlich fleischig, üppig; nahezu faulige Noten; sogar etwas oxidative Anklänge; diese Töne gehen innerhalb einer halben Stunde ganz weg; dann immer noch etwas animalisch; überreif, aber doch recht klar.
Im Mund massiv; deutlicher aber doch einigermaßen integrierter Alkohol; deutliche Süße; auch hier zunächst oxidative Anklänge; an der Grenze zur Monströsität; nach 30 Minuten besser balanciert; sehr gute Konzentration; gute Länge; straffer; viel Potential 18.0
Domaine Clos du Caillou Réserve 1998
Rumtopf; sehr konzentriert; süß; ziemlich gekocht; überreif; merkbar Holz (diesmal wirklich); etwas vordergründig; ziemlich Pferdestall; wird klarer; etwa ätherisch;
markante Süße; sehr üppig; wirkt fast wie ein Sumo-Ringer; kräftiges Tannin; deutlich gekocht; Rumtopf; Dörrpflaumen; etwas medizinale Noten; dennoch lebendig; wird straffer; guter Zug; viel Potential aber im Moment einfach "too much" 17.5
-hs.

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