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Das Weinlog
18.10.06 @ 18:42
Reifeprüfung
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Dass der Großteil der Weine (leider ach!) viel zu früh getrunken wird, bedauern österreichische Winzer aber auch solche aus anderen Weinbauregionen der Welt. Besonders gerne wird dieses Klagelied angestimmt, wenn sich ein Wein im Glas nicht so besonders entgegenkommend oder unbalanciert präsentiert.
"Der wird sicher noch!" heißt es dann und erklärend hinzugefügt: "Er ist nur gerade in einer verschlossenen Phase."
Dass die allermeisten Weine sehr jung getrunken wird ist zweifellos zutreffend, aber stimmt auch das "zu jung" in ähnlichem Maß?
Einige Schlaglichter:
- In einer Diskussion zur Vorbereitung einer Probe burgenländischer Blaufränkischer des Jahrgangs 2004 entgegnet ein lieber Freund und profunder Weinkenner auf die Behauptung, viele der Top-Österreicher der letzten Jahre würden sich doch etwas überholzt präsentieren, die Winzer setzten Barriques keineswegs ein, um in Verkostungen aromatisch und mit polierten Tanninen punkten (sic!) zu können, sondern (nahezu) ausschließlich um durch ungebrauchte Fässer das Risiko biologischer Beeinträchtigungen zu minimieren. Und wenn dann die Weine in der Jugend nach Möbelpolitur und Sägespänen schmecken und (zum allergrößten Teil) auch in dieser Verfassung getrunken würden, sei das der Fehler der Konsumenten und keineswegs derjenige der Produzenten.
- Es ist kein wirkliches Geheimnis, dass sich durch die Zugabe eines gewissen Anteils edelfauler Trauben die aromatische Komplexität und Attraktivität junger Weißweine ganz beträchtlich steigern lässt. Dass die solcherart "hergerichteten" Top-Rieslinge, Chardonnays oder Veltliner dann im Keller zu einem eher irregulären Reifeverhalten neigen und sich häufig nach einigen Jahren nicht in Balance und mit reizvollen Tertiäraromen sondern lasch und zerfallen präsentieren, kann dann doch keineswegs in der Jugend erfolgte Schminkversuche ihrer Hersteller zurückzuführen sein.
- Weißweine, die ihre vielfach exorbitanten Preise nicht zuletzt durch ihre Fähigkeit begründen, Jahre wenn nicht Jahrzehnte heranzureifen, sind weiße Burgunder. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts stellten Liebhaber dieser Weine jedoch plötzlich fest, dass seit dem Jahrgang 1995 speziell aber seit 1996 ein Phänomen zu beobachten ist, das mit dem Begriff "premature oxidation", "oxydation précoce" bzw. "vorzeitige Oxidation" bezeichnet wurde. Weine die eigentlich noch Jahre der Entwicklung vor sich haben sollten, präsentieren sich alt, müde, hochfärbig, oxidiert, tot. Das Irritierende ist, dass von diesem Phänomen oft nur einzelne Flaschen eines Kartons betroffen sind, andere völlig gleichgelagerte jedoch jung und frisch sind. Auch scheinen nahezu alle Winzer und alle Qualitätsstufen davon betroffen und last but not least ist es nach wie vor eher rätselhaft wodurch diese Beeinträchtigung hervorgerufen wird. Manche machen Korken dafür verantwortlich, andere sehen die Ursache in schonendem Pressen, starker Entschleimung, langer Hefestandzeit oder zu niedrigem Schwefel. Auch bestimmte Spritzmittel und boytritisbehaftete Trauben werden immer wieder als Auslöser angesehen. Aber genaugenommen ist dieser Effekt, der einen ganz beträchtlichen Anteil teurer Weine innerhalb weniger Jahre ruiniert, nach wie vor weitgehend unverstanden.
(Mittlerweile existiert eine eigene Website," rel="external">oxidised-burgs.wikispaces.com">Website, die sich diesem Problem widmet und auf der erfreute oder enttäusche Konsumenten ihre Erlebnisse mit diesen Weinen dokumentieren können.)
- und dann doch wieder ein Erlebnis wie dieses, das vergangenen Freitag ein großzügiger Spender bescherte:
In der Nase süß, reif, geradezu erotische Frucht, dabei merkbar flüchtig, Uhu, Lack, aber keineswegs störend, entwickelt sich gut im Glas und wird klarer, wahrlich betörend. Auch am Gaumen extraktsüß, schöne Fülle, reif, fast likörhaft, merkbarer Alkohol, auch hier Lack, ein Hauch Pilze, und dennoch unglaublich elegant und voll Zug und Leben, absolut faszinierend. Es fällt schwer, sich loszureißen, immer wieder will man (ich!) schnuppern und kosten:
Ein absolut sensationell gereifter Bonnes Mares von Pierre Ponnelle aus dem Jahr 1969.
Vermutlich war der Wein von Anbeginn köstlich, aber mit dieser Reife! Wirklich atemberaubend. Für mich sicher einer der besten Weine des heurigen Jahres. Da lohnt es sich dann doch, das eine oder andere Jahr zu warten.
Was also nun: Warten oder doch lieber nicht?

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