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Christoph Wagner's Weblog
02.03.04 @ 02:50
Barcelona
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Zunächst muss ich einmal sagen: Ich bin ein Lissabon-Fan, und wer Lissabon liebt, der muss mit Barcelona zwangsläufig seine Probleme haben. Freilich: Da gibt´s all die Gaudi-Bauten. Die sehen für mich andererseits alle aus wie Hundertwasser-Häuser, von denen die Farbe abgebröckelt ist.
„Du Glücklicher", erklärte mir eine Freundin vor meinem Abflug. „Du darfst nach Barcelona fahren. Dort gibt es soviele schöne Straßen, und soviele schöne Menschen!"
Ich Banause. Ich eilte durch die Straßen, an den schönen Menschen vorbei, und konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Barcelona schlicht und einfach zu schön und zu sauber ist.
Das gilt in mancher Hinsicht auch für Barcelonas Küchen. Obwohl: Da ist dieser Markt in den Ramblas, und der hat schon was. Zum Beispiel diese Glasaale, verdammt teuer, aber hinreißend gut. Und dann war da dieser andalusische Gockel. Gut und gern seine drei, vier Kilo schwer, mit einem Hahnenkamm, so groß wie Lammhoden. Den hätte ich gerne in der Pfanne gehabt.
Aber ich muss mich zurückhalten: User Andy Bigler is watching me, und der hat Probleme mit Froschschenkeln und so Zeug. Was mich allerdings auch schon zu einem meiner gastrosophischen Lieblingstehemen bringt: dem Biss.
Als ich in dem wunderbaren El Raco de Can Fabes, einem berühmten Michelin-Dreisterner, der etwa 30 km von Barcelona in einem kleinen Kaff namens Sant Celoni liegt, Froschschenkel auf der Karte sah, ergriff diese wundersame Emotion von mir Besitz, die, ganz im Gegensatz zu dem von mir geschätzten Erich Fromm, nur zwei Worte kennt, nämlich: Haben, haben.
Ich bekam meine zarten Fröschlein auch, mit für ein Gourmetlokal erfreulich viel Knoblauch und passenden weißen Bohnen, und sie waren so zart wie die Fesseln chinesischer Konkubinen. (Dass man Meiste Quax zuvor bei lebendigem Leibe die Haxeln ausgerissen hat, halte ich eher für eine Sitte des chinesischen Mittelalters. Ich stelle mir viel lieber vor, dass meine Frösche bei leiser Musik in den Froschhimmel...
Nein, kein Hansi der Zweite. Die Frösche waren einfach da, und es war gut so. Von unserer 9er-Gruppe haben mich, obwohl Frösche EU-konform sind, alle dafür verachtet, und dennoch wollten einige kosten. Mein Tischnachbar, den ich aus anderen, eher literarischen Gründen sehr schätze, aß mir sogar den letzten Frosch weg, um mir danach dreist ins Gesicht zu sagen: „Der schmeckt ja nach gar nichts."
Da muss ich, glaube ich, unbedingt ein feinschmeckerisches Missverständnis aufklären. Fast alle in meinem Bekanntenkreis, die sich für Gourmets halten, meinen nämlich, dass das, was den überzeugendsten Eigengeschmack habe, das Beste sei. Ich hingegen bin der Überzeugung, dass der Biss dem Geschmack mindestens ebenbürtig ist. Und darin liegt auch der Grund, warum Schnecken, Wachteln, Rebhühner, Hummer, Langusten, Kalbskopf, Seeohren und Seegurken, Schweinsohren und Kutteln bei vielen vorsichtigen Essern so unbeliebt sind: Ihre Delikatesse erschließt sich nahezu ausschließlch durch den Biss, und genau darin, diesen Biss mit passenden Aromen zu umranken, besteht die Kunst des Kochs. Eine Taube, ein Presalé-Lamm oder eine Hochrippe ganz comme-il-fait auf den Tisch zu bringen, ist zwar auch eine Kunst, aber eine Kunst, die jeder versteht. Aber bei einem Seeohr oder einer Seegurke, da braucht es Imaginationsraft, und die ist nur den wahrhaft Großen eigen
Santi Santamaria, so heißt der Koch in Samt Celoni, ist einer der Großen, und er bewies dies auch übereugend anhand von Jakobsmuscheln mit einem Püree von sonnengetrockneten Tomaten und eines Ziegenkitzes, das mich — obwohl wir mitten in der Fastenzeit sind — höchst österlich stimmte. (Mel Gibsons Jesus-Film werde ich dafür lieber auslassen, die Schlachterei überlasse ich den Köchen bzw. ihren Lieferanten.)
Und was mir — außer seinem Namen und dem Biss seiner Gerichte — an Santi Santamaria noch gefallen hat: Der Mann hat meine Gewichtsklasse, weshalb er, im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, auch glaubhaft vermittelt, dass er das, was er seinen Gästen anbietet, auch selber gerne isst. Der Service ist nicht ganz auf der Höhe des Chefs. Doch darüber schreibe ich im nächsten Gusto.
El Raco de Can Fabes
Sant Joan 6
E-08470 Sant Celoni
(Catalunya)
Spain
Tél. + 34 93 867 28 51
Fax + 34 93 867 38 61
raco@relaischateaux.com
Homepage: www.racocanfabes.com
Von Barcelona A 7 exit 11 Sant Celoni; ca. 200 m hinter dem Rathaus
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