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SPEISING Open

17.04.08 @ 01:00

Besteckladenschwuchtel

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Ich kann nicht anders, ich muss es Euch gestehen: Ich pflege intime Verhältnisse ausserhalb meiner Ehe. Ich verspüre Leidenschaft für oft Unscheinbare und gebe dieser regelmäßig nach. Dies alles auch noch unter Tags und zum Ärger meiner Frau. Das ist nicht überraschend, kostet es mich ja obendrein Geld. Aber was soll ich machen, wenn sich diese Teile auch noch in Auslagen anbieten, aufpoliert und oft schön verpackt? Negieren, vorbeigehen, in anderen Sachen Erfüllung finden? Nein! Ich gebe es zu: Ich bin eine Besteckladenschwuchtel.
Ich fühle mich von Hausrat magisch angezogen und möchte daher auch von Emanzen und nicht von Homosexuellen wegen der Bezeichnung gerügt werden!Und überhaupt, geschätzter Widerspruch, diesmal hast Du Pause.

Ach, was für ein erhebendes Gefühl, eine Ingwerreibe abzutasten ... welch Erfüllung das Einswerden mit einem Dampfgarer von Fissler ... und die Klimax, der Alleswender von Eduscho!
Und glaubt ja nicht, ich falle auf so Auslagenschwalben italienischer Designherkunft herein, sicher nicht. Ich erkenne Qualität sofort und lasse mich nicht von schnödem Design blenden. Natürlich zählt auch der optische Eindruck, sonst hätte ich nicht zig Pfannen gleicher Größe im berstenden Kastl, aber in erster Linie muss die Haptik stimmen: Wie fühlt sich der Griff an, ist das Teil kopflastig oder ausbalanciert, hält die Farbe im Geschirrspüler und bleiben diese Griffkunstwerke bei 220 Grad formkonstant? In diesen Momenten muss man tief in sich versinken, die sensorischen Papillen der Handflächen zur einzigen Kontaktstelle mit der Außenwelt werden lassen und sich die Frage stellen: Willst Du Dich mit mir einlassen? Wollen wir uns binden?
Sollte die Verkaufskraft mich mit einem "bitteschönwiekannichhelfen" aus meinem Vorspiel reissen, verlasse ich fluchtartig das Gschirrgschäft und brauche Minuten, um mich wieder zu fangen.
Es geht aber auch anders: Mit einem von Heinrich Lohse gestohlenem "Mein Name ist Fauma, ich kaufe hier ein" betrete ich Haardt&Krüger in der Schottengasse und wundere mich über die maßlose Ignoranz der anwesenden Verkäuferinnen. Lustlos streife ich durch das angeramschte Geschäft, betatsche blassiert überteuertes Geschirr und lache manchmal schälmisch in mich hinein, wenn ich die Preise lese. Mit einer desinteressierten Frage gebe ich dann jedoch langsam zu erkennen, das ich gesteigertes Interesse habe, um mich schlussendlich im Diskurs mit Verkaufsnovizinnen als Klumpert&Graffel-Fetischist zu outen. Jetzt haben mich die Hyänen in der Reissen und lassen nicht mehr los: Ich bekomme die geilsten Stücke quasi am Silbertableau serviert, man schiebt mir delikates Kleinod zu und führt mich wissend lächelnd zu den Schärfsten aller Anwesenden, den Küchenmessern. Hier verzweifeln die jungen Damen an meiner Binarität, arbeite ich doch am liebsten und tagtäglich mit einem 365+ Gemüsemesser von Ikea (6,- Euro) einerseits, und mit Keramikklingenmesser um halbe Vermögen andererseits - ich bin also ausgestattet.
Da weiss nur eine Rat, hier muss die Puffmutter her: Mit dicken, kurzen Fingern kramt sie in ihrem Ladl und verbirgt das Teil geschickt hinter ihrer Masse. "Vielleicht gefällt Ihnen ja was ganz anderes, der Herr?" meint sie mit schönbrunner Umlanddeutsch und unterstellt mir Perversitäten. Empört will ich rufen, was ihr den einfiele, doch dann zeigt sie mir das Zeug: Aus Metall, klein wie einer meiner sechs Sparschäler, spitz, pinzettenartig - ich weiss nicht weiter. Kaltschweissig und kurzatmig entringe ich mir ein "wasisdas, sofort!" und ernte nur ein maliziöses Lächeln.
Die Dame will es wissen, will mich auf die Spitze treiben - ich öffne den Krawattenknoten (Krawatte gehört sich bei Haard&Krüger), hechel hörbar "ichmusseswissen", entreisse ihr das Konstrukt (ein praecox kündigt sich an), doch mit aller Routine verzögert Madame und schiebt den Höhepunkt noch etwas hinaus: "Na, was könnte man denn damit anstellen, Gnäherr? Hams ka Idee?" - Sekunden wie Minuten - und mit einem "Des is a Paradeiserstrunkansatzentferner" liefert sie mich dem Höhepunkt, dem Verschmelzen haptischer Sensationen mit emotionaler Erfüllung, aus. Danke.

Visiten wie diese pflastern meinen sündigen Weg, geben mir den notwendigen Ausgleich zum lauen Alltag. Ein Alltag mit Küchenladen, die sich nicht mehr schließen lassen - und finden, nein, finden tu ich nichts mehr darin. Liegen doch ständig irgendwelche nie verwendeten Spiegeleiformer, Ölpinsel, Sparschäler, Knoblauchenthäuter, Entkorker, Tropfstopps, Gummiringerl, Spießchen, Garthermometer, Umrührer, Pastaheber, Gewürz-Tee-Eier und vor allem eine Legion an "Pfannenwender" im Weg. Die Faszination an einer neuen Errungenschaft entschwindet umgehend im Dunstabzug und wird auch von meiner Frau nur als Klumpert und Graffel desavouiert. Zeit, mich wieder einmal beim Eduscho aufzuheizen ...

Gregor Fauma

www.it-syndicate.at/haardt/
www.ikea.com/at/de/catalog/products/10099878
www.homowiki.de/Schwuchtel
www.eduscho.at

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