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SPEISING Open

30.11.08 @ 19:26

Rezept für Synästhetiker

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Lasse ich die Woche rückblickend passieren, so bleibt ein Bild am Rückwandprojektor meiner Imagination stehen. Es ist das Bild einer Vorspeise, die ich ab und an für Gäste gerne einmal zubereite. Denn die Gäste sind in der Regel nur ein Anlass, damit ich mir selbst etwas Feines zuzubereiten gestatte.

Die Genese eines Gerichts beginnt zu meist in einem Supermarkt oder auf einem Markt. Dort wird überlegt, abgewogen, verworfen, neu konzipiert, nach Inspiration gesucht, komponiert ... und mitten in Gedanken und mit getriebenem Blick Sonjaaa begrüßt, denn auch er hatte Lebensmittel notwendig.
Abgesehen von der erinnerten gab es wohl auch noch eine weitere Vorspeise und freilich, auch einen Hauptgang (main course würde B. Obama wohl dazu sagen) schleppte ich unzubereitet nach Hause. Das Desert wartete bereits im Eis.

Was sehe ich? Ich sehe schwarze Linsen, Beluga-Linsen. Ich sehe sie gedünstet - gedünstet bis zu einer knackigen Aldentheit; und dies in möglichst wenig Salzwasser, damit jenes tiefe Anthrazit erhalten bleibt, das ihnen den Namen verleiht. Und ich sehe sie im heißen Reindl beseite gestellt.
Ich sehe aber auch ein Rot-Orange, das den Betrachter in seinem Glanz, in seiner Transparenz und Fragilität förmlich zwingt, es mit den schwarzen Linsen in Kontakt zu bringen. Es ist Forellenkaviar. Sie können aber auch gerne Saiblingskaviar verwenden. Jedoch greifen Sie nie zu Ketakaviar, der pickt und es fehlt ihm an Turgor. Also, nicht nur der Name, auch die Farbe drängt zur Kooperation. Schwarze Kugerln, rote Kugerln, blitzender Glanz und knackige Konsistenzen - da fehlt noch etwas. Ich sehe einen Tiegel Ricotta und diesen mit etwas Creme fraiche und einigen Spritzern Milch zu einer glatten, festen und doch cremigen Grenze verrührt, die vorübergehend Belugalinsen von Forellenkaviar trennen soll.

Weingläser zu mir - Ihr sollt die Vorspeise bergen!
Es gleiten zwei Esslöffel sehr warmer, schwarzer Linsen in die Weingläser. Darüber nun schmiegt sich die kühle, weisse, glatte Creme, nicht mehr als einen Fingerdick hoch. Jetzt das Rot! Mit gegebener Vorsicht wird dick und großzügig eisiger Forellenkaviar auf die weiße Grenzschicht platziert. Großzügig, hört Ihr ..?! Da darf man in keiner Hinsicht kleckern - hier muss geklotzt werden.
Warum ist ganz einfach: Die Linsen ordne ich aromatisch zu den dumpfen, erdigen Geschmäckern. Geschmäcker, die mit Frische, Säure und Temperaturwechsel gehoben werden können. Das erledigt der kalte Kaviar. Jedoch nicht ganz alleine: Fein gehackte Limettenschalenschnitze werden in dezenter Dosis über den Forellenkaviar verstreut, um den Kaviar im Kampf mit den Linsen zu unterstützen. Dabei kommt ihm dann noch frisch gemahlener Pfeffer zur Hilfe, der neben den grünen Farbstrichen noch ein paar dunkle Punkte auf das Rot der Fischeier setzt. Das Weinglas ist maximal zu zwei Drittel befüllt, mehr würde ein Weniger an Eleganz bedeuten.

So, und jetzt stehen wir vor dem Frufru-Problem: Verrühren und auslöffeln? Plumper Derbling! So geht es richtig: Kleinen Finger weit wegspreitzen, langes Löfferl durch die Schichten führen, die Konsistenzgrenzen wahrnehmen und vorsichtig alle Farben, Geschmäcker, Konsistenzen und Temperaturen auf einen Hub zu den Sensoren bringen, die für das Genießen zuständig sind.
Was melden diese? Sie melden ein breites, warmes Grundaroma agrarischer Natur, mehlig erdig und kräftigen Biss einfordernd. Darin explodieren ständig die Kaviarkugerl wie helle Farbkleckse auf einer dunklen Grundierung, salzig, kalt, jedes Mal überraschend und nicht vorhersagbar. Die Limette bringt Süße und weitere Säure über das alles amalgamierende Ricotta-Cremefraiche-Gemisch - und der Pfeffer sorgt für eine hintergründige Schärfe.
Stille. Gut so. Deshalb lade ich mir ab und an Gäste ein.

Rundschau:
Der Standard empfiehlt, sich im japanischen Karaoketempel Senkoma (1010 Wien) auf die Snacks zu beschränken, der Presse schmecken die Makrele und die Ravioli im Riegi (1010 Wien) weihnachtlich-mediterran und der Kurier meint, dass Graz dank Café Sacher (Graz) wieder mitspielt. The London Times schreibt zur Küche im The Crutherland House Hotel: "... acceptably made but unimaginative, old-fashioned ..." - Für 75 Pfund bei einem Dinner für Zwei mit Weinbegleitung definitely zu wenig.

gf

www.derstandard.at
www.diepresse.at
www.kurier.at
www.timesonline.co.uk

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