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SPEISING Open
27.04.09 @ 12:12
Der Frühling – Magische Zeit
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Ob ein Pilz eine Pflanze oder ein Tier ist, das scheint noch gar nicht sicher bestimmt zu sein. Den früheren Kulturen erschienen diese Erscheinungen in allen Vegetationszonen der Erde als göttlich. Ihre rätselhaften, tödlichen oder berauschenden Inhaltsstoffe, auch heilkräftige Wirkungen, berühren die Fantasie des Pilzkundigen bis in unsere Zeit. Die Wirkungen sind bei jedem Pilz höchst beeindruckend, wenn man auch die Auswirkungen relativieren muss. Sensible Menschen spüren Champignons als beruhigende Kraft.
Es ist jetzt die Zeit, wo man an den Rändern von Laubwäldern, im jungen Gras südöstlich bis südwestlich zur Sonne gelegen, die vielleicht besten Pilze des Jahres finden kann. Die Morchel. Ein rätselhaftes Gewächs mit eigenartigem Namen. Sprachforscher führen ihn auf das alte Wort für Möhre zurück. (morhel – 12.Jhdt.)Tatsächlich aber sind die Beschreibungen dieses Pilzes sehr von christlicher Moralvorstellung geprägt. Mit Möhre bezeichneten männliche österreichische „Waldbewohner“ Kärntens vor gut 40 Jahren und der Steiermark ihr bestes Stück. Und darum ging es auch bei der Morchel. Ihre Form, ihr sauberes Aussehen und ihr schnelles dahinwelken nach offenbar erledigter Arbeit in der Natur erinnern an das männliche Geschlecht und wurden zum Fetisch paganer orgiastischer Kulte. Ob im Marstempel zu Rom oder unter der heiligen Esche im thüringischen Wald, Riten um den Geschlechtstrieb, zum Frühling, waren stets von diesem Pilz begleitet. Zur katholischen Firmung, die ja aus einem heidnischen Einweihungsritus zur Geschlechtsreife hervorgegangen ist, rührte der Kärntner Bauer Eierspeise mit Morcheln.
Bei der Stinkmorchel, die ja ungenießbar ist und niemanden interessiert, erfährt man aus dem lateinischen Gattungsnamen sofort: Phallus impudicus. Wirklich nichts, das in den Mund genommen werden soll.
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So ein mit „Doppel Moralin“ behaftetes Genussmittel muss ich einfach wieder in das richtige Licht setzen und seine Bedeutung doppelt unterstreichen: Ja, es fördert die Potenz und man sollte just zum Wonnemonat Mai ein paar Schock davon verputzen. Morcheln wurden in der Tat schockweise gegessen. Ich glaube, ein Schock waren 60 Stück. An dieser Zahl erkennt man bereits die magische Bedeutung. Wir wollen aber keine Schamanen der Pilze sein, wir bereiten sie zu. Eine Besonderheit ist aber noch der Fall, dass die guten Pilze fast als Männlein und Weiblein auftreten. Die „Männchen“ sind von dunklerem etwas grauerem Aussehen. Die Weibchen schön goldig, ockergelb. Roggenmorchel und Weizenmorchel, sagt der Bauer.
Die Morchel ist so sauber, fast antiseptisch und soll nicht gewaschen werden. Einfach in zerlassener Butter schwenken, mit Rahm angießen und kurz durchköcheln. Oder zur Eierspeis. Mehr sag ich nicht. Fühlt euch als Firmlinge, gerade zum ersten Mal bereit für feinsinnige Erotik.
Nicht weit vom „Morchelchen“ entfernt wohnt der Haselstrauch. Man sieht es der Staude mit ihren Nüssen gar nicht an, aber ihren Kräften zollten die alten Kelten, Goten und Alemannen höchste Anerkennung. Sie hängen zu zweit im Gezweige, wie Hoden. Die Signaturlehre, wonach jedes heilsame Gewächs von jedem der es braucht und sucht von selbst zu erkennen sei, macht es uns leicht. Haselnüsse machen stark.
Schon im grünen Zustand wurden sie Medizin und magische Operationsgegenstände. Die junge Rinde des Haselstrauchs soll man abschälen, sie trocknen und pulverisieren. Das soll ein gutes Mittel sein, über jede Frau einen festen Liebeszauber zu verhängen. Das soll als Gewürz zu Liebesmahlzeiten zu mittelalterlichen Zeiten bei jungen Herren im Schwange gewesen sein. Zu Froschschenkeln in Knoblauchsoße soll es der gute Casanova verwendet haben. In Olivenöl gemischt zum Salat sei es fein gegen Steinleiden.
Was aber wirklich wunderbar schmeckt, ist Haselnussöl, wenn man es zur Butter mit den Morcheln in die Pfanne gibt, man beachte aber dabei eine niedere Temperatur beim Anbraten der zarten Pilze. Das ist vor allem auch bei den Steinpilzen oder Eierschwammerln ein guter Ratschlag. Haselnussöl fördert ebenfalls die Potenz der Herren und die Libido-Fähigkeit der Frauen.
Eine Sage gibt es über den Haselwurm, der unter gewissen Haselsträuchen vorkommen soll. Die Haselsträucher sollten von Misteln bewachsen sein. Vielfach sind die Namen dafür. Paradieswurm, Wurm der Erkenntnis usw. Wem es gelingt, so einen Wurm zu fangen und von seinem Fleisch zu essen, bekommt übernatürliche Kraft. Er wird unermesslich reich, besitzt die Fähigkeit zu fliegen oder kann unsichtbar werden. Fortan versteht er die Sprache der Tiere und bekommt über alle Dinge, die es gibt, Wissen. Die ganze Welt liebt ihn. In einer Tiroler Sage wird dem großen Arzt Aureolus Bombastus von Hohenheim nachgesagt, einen solchen Wurm verzehrt zu haben. Fortan habe er jede Wissenschaft verstanden und sei so zu dem Arzt geworden, den wir unter dem Namen Paracelsus kennen. Mitunter auch ein Gründervater der modernen Gastrosophie.
Still burning, Börni
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