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Das Weinlog

16.04.07 @ 14:16

Preisgestaltung

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Auf Anregung eines geschätzten Mitglieds unserer Gemeinde darf ich einen neuen Thread zum Thema Preispolitik in der Weinszene eröffnen. Über Weinpreise in der Gastronomie haben wir schon viel diskutiert, aber es ist auch wirklich erstaunlich, wieviel bei Tagen der offenen Kellertüren und ähnlichen Marketingveranstaltungen verlangt wird. Und was dafür geboten wird.

Es ist wohl klar, dass diese Veranstaltungen kein Anlass für ein günstiges Besäufnis sein sollen, sondern der Verkauf angekurbelt werden soll. Durch hohe Preise kann man eine bestimmte Klientel fernhalten, aber man muss schon aufpassen, dass man nicht auch kaufinteressierte Weinfreunde vergrämt. Man könnte ja den Preis hoch ansetzen und einen großen Teil als Weingutscheine refundieren...

Anlassfall war jedenfalls das Jungweinschnuppern in Göttlesbrunn und das ist der Brief eines enttäuschten Weinfreundes an die Verantwortlichen:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    aufgrund des schoenen Wetters und der Vorankuendigung fuer das Jungweinschnuppern machte ich mich heute nach Goettlesbrunn auf, um dort 2 nette Stunden zu verbringen und vielleicht den einen oder anderen Wein zu verkosten. Ich liebe guten Rotwein, geniesse ihn zu gutem Essen und bin seit Jahren Stammkunde von Winzern Ihrer Region.

    Bei unserer Ankunft heute Sonntag um 16 30(!) wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir 20 Euro Eintritt zu bezahlen haetten, um kosten zu duerfen. Wir hatten also noch 3.5 Stunden Zeit. Um diesen Geldbetrag trinke ich 4 sehr gute Glaeser Wein in einem Wiener Haubenlokal! Wir machten darauf aufmerksam, dass wir nicht vorhaetten, viel zu trinken und gerne auch per Kostprobe bezahlen. Das wurde uns nicht eben freundlich verweigert. Ein Winzer machte uns darauf aufmerksam, dass wir Montags wieder kommen sollten.

    Etwas irritiert, aber inspiriert vom schoenen Wetter und der extra wegen des Fests getaetigten Anreise, bezahlten wir in der guten Hoffnung, fuer diesen exorbitant hohen Eintrittspreis auch Einiges geboten zu bekommen. Leider stellten wir fest, dass exakt das Gegenteil der Fall war. Mit Ausnahme von ein paar Bratenfettschuesserln bieten Sie nichts als Ihren Wein, den ich dann auch noch kaufen sollte. Keine Kultur, keine Musik, kein Essen – einfach nichts. Als Journalist, als Architekt und als Esser liebe ich den Purismus, aber die kostenpflichtige Ausschank der angebotenen Ware ist letztendlich mehr als zu wenig. Als Kunde bin ich betreten bis erschuettert, fuehle mich extrem geneppt und ueberlege, jemals wieder in Goettlesbrunn einzukaufen. Ich habe vielleicht 10 Kostproben von zeitweise sehr ueberheblichen Winzern probiert – das entspricht einem Achterlpreis von ca. 8 Euro. Bei aller Liebe zu Goettlesbrunner Weinen: mit solchen Preisen ab Hof haette ich selbst im Burgund erhebliche Probleme.

    Keineswegs will ich auf Ihre Kosten trinken, aber ich habe nicht die geringste Lust fuer Ihre Marketingveranstaltung einen solchen Preis zu zahlen. Als Gourmet und Weinliebhaber habe ich auch keine Lust, uebertriebenen Weingenuss anderer Festgaeste zu bezahlen. Und ich muss wohl nicht hinzufuegen, dass ich heute keine einzige Flasche kaufte.

    Mit freundlichen Gruessen



20 Kommentare | Kommentar abgeben

OberkllnerPatzig, 22.04.07 @ 20:46

Dienstleistung / Sozialromantik
Mein Zugang ist weniger sozialromantisch, auch wenn ich dem durchaus etwas abgewinnen kann. Ich wünsche mir, vergebens und verzweifelt, eine echte Dienstleistungskultur in Österreich. Ich möchte nicht durch die Blume betteln müssen, wenn ich mir etwas wünsche (zb das Öffnen einer speziellen Flasche in einer Vinothek). Auch kann ich auf ein gönnerhaftes, bemühtes Erfüllen meines Wunsches verzichten ("seufz, wenns unbedingt sein muss..."). Ob Arzt, Mechaniker, Wirt oder Kellner - ich möchte für mein Geld eine freundliche Bereitschaft zur Dienstleistung, ein `Sich mit mir Auseinandersetzen´.
Schöne Fassade ist immer fein, sollte aber das Sahnehäubchen auf dem Zugang zum Kunden darstellen, nicht dessen Ersatz.
Zuviel verlangt? Ich weiss.

mazi, 22.04.07 @ 15:55

Jawohl!
Genau so stelle ich mir das nämlich vor: die Atmosphäre muss passen, das Gefühl, als Käufer und Genießer ernst genommen zu sein und nicht nur als einer, der herum erzählt, wie wahnsinnig hip der und der gestylte Weintempel grad ist.

Danke, Oberkllner Patzig, Du hast mein Bild wieder ins rechte Licht gebracht - ich dachte schon, mit dem Anspruch, dass man sich Rundumbetreuung in diesem Sinne wünscht, nämlich ernst genommen zu sein anstatt als Weihnachtsgans gesehen zu werden, wäre ich hoffnungslos als Sozialromantikerin enttarnt...:-))

OberkllnerPatzig, 22.04.07 @ 13:07

Kauffaktor Wohlfühlen
Gebietsvinotheken sind mein Hobby, die unterschiedlichen Konzepte spannend zu beobachten. Die Antipoden sind für mich Deutschkreuz und Gols. Aus Deutschkreuz kehre ich jedesmal mit einigen Kartons für mich und Freunde zurück, aus Gols mit leerem Kofferraum. Während in Deutschkreuz ganz der Wein im Mittelpunkt steht, man in Ruhe und mit viel Zeit seinen Favoriten herausschmecken kann, so bietet Gols eine architektonisch interessante, stylische "Weinbar", wo für mich aber so überhaupt keine Kostatmosphäre aufkommen will. Man kann viel anschauen, aber nicht viel kosten. Weiters ist der Kostvorgang nicht anonym, sondern gedrängt an der Bar, es fehlt an Kontemplation und einfachem Zugang zu Vergleichbarem. So macht mir Kosten&Kaufen keinen Spass.
Das Weinquartier in Retz macht es auch recht gut: Ein riesiges Angebot, eine lockere, weinige Atmosphäre, viel Platz und gut aufbereitete Infos. Wiewohl mir die Weintemperatur nicht ausreichend kühl schien. Auf jeden Fall stehen der Wein und potentielle Käufer im Mittelpunkt, und nicht ein zeitgeistiges Schicksein.

In Deutschkreuz stehen zusätzlich noch Mineral- und Leitungswasser herum, ebenso Brotkörbe. Da macht das Kosten Spass, der Einkauf übersteigt den Durst der kommenden Jahre und ein Wiedersehen mit Freunden ist garantiert. Die Deutschkreuzer pokern hoch: nur 10 Eier Eintritt für Weinglas, Wasser und Brot, selbst Granaten aus hervorragenden Jahren sind in beliebiger Menge zu verkosten, die Weine trinkreif, kundige Beratung und "Weinöffnung" dezent präsent. Bei einer gewissen Einkaufsmenge, die ich immer noch erreicht habe, werden die 10 Eier eingerechnet. So viel Leistung verführt zum Kauf - und ich konnte noch jedesmal beobachten, wie auch andere Bacchanten die Kofferräume anfüllten.

Ich wünsche mir, dass dieses Konzept auch in anderen Regionen verfolgt wird (für mich und die Winzer) und den Verkauf dem entsprechend pusht.

mazi, 21.04.07 @ 21:23

Natürlich!
Gern, lieber dfw, für Dich mach ich eine auf - ist mir ein "alle heiligen Zeiten Wein", der Achs. Das WIRD eine sein, wenn ich Dich einlad! :-))

@Preis zahlen: Ja, natürlich zahlt man den Preis - aber rechnet sich eine Verkost-Vinothek wirklich nicht aus dem Verkauf? Vielleicht, wenn zu viele vorbei kommen, die nur kosten und nicht kaufen. Oder ist der Preis so eng kalkuliert? Das meine ich jetzt durchaus ernst und nicht zynisch!

dfw, 21.04.07 @ 17:11

@mazi !!!
hast noch was vom Achs, Pannobile ???
wenn ja, dann würde ich gern einer Einladung folge leisten. Aber nur zum Wein - keine Trüffeln :-); diesmal.

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