Leitgeb - Zum alten Weinstock (Rudersdorf)

Gute hundert Jahre ist er alt, der Uhudler-Weinstock, dessen Blätterdach sich wie ein großer, grüner Schirm über den Garten des hübschen Landgasthauses breitet, dem er seinen Namen gibt. Im „Alten Weinstock”, nach seinem kochenden Patron kurz auch Leitgeb genannt, ist allerdings nicht nur schön und schattig einkehren, sondern es lässt sich — und das sieht man der bescheidenen Fassade kaum an — auch geradezu luxuriös tafeln.

Markus Leitgeb, so lässt sich der Speisekarte unschwer entnehmen, will hoch hinaus und verwöhnt seine Gäste daher auch mit gebratenen Jakobsmuscheln auf Octopuscarpaccio, einer (vorzüglichen) Crème brûlée von der Gänseleber und Hummer-Spargelrisotto sowie Zitronengras-Pannacotta. Schön für die Rudensdorfer, dass es derlei nun auch in südlichen Burgenland gibt, denkt sich der von weit her angereiste Städter, der hier in der Einschicht keineswegs Urbanität, sondern deren Antithese sucht.

Doch bevor er laut zu meckern beginnt, hat er dieselbe beim "Leitgeb" auch schon gefunden, und zwar in Form von typisch pannonischen Gerichten wie Krautstrudel, Paprikafischsuppe, gebackenem Surschnitzel, Kalbsstelze mit Rahmpolenta, Rahmschmarren auf frischem Rhabarber sowie jeder Menge autochthoner Weine, die sich – meist Blaufränkisch – eine an internationale Mainstreams unangepasste, tellurische Eigenart bewahrt haben, die daran erinnert, dass der pannonische Pan halt doch ein Verwandter des Weingottes Dionysos ist.

Christoph Wagner

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