merk&würdig (Wien)

Eher grell.
Ein grelles Gelb ist die Leitfarbe des Lokals, das sich betont locker gibt, fesches Design präsentiert und ausgesprochen frisch daherkommt. Es gibt viel zu schauen, wenn man das erste Mal hinkommt. Die Idee, dass das einst ein Fleischhauer war, beschleicht einen und eine jedoch zu Unrecht. Es war ein Copyshop, der jetzt auf ehemaligen Fleischhauer macht. Die Stühle erinnerten mich an Elternsprechtage in der Volksschule: Metallgestell und harte, sehr rutschige Sitzflächen aus Holz – und das auf Kinderhöhe. Das ist meine einzige negative Erfahrung in diesem wunderbaren Lokal: Die Sitzhöhe. Meine Frau hingegen war begeistert. Sie ist deutlich kleiner als ich.

Unser erster Blick gilt immer der Weinkarte, großteils Naturweine, maischevergoren, aber auch ein paar klassisch Ausgebaute sind darunter (39-59). Das Erfreuliche: Von sämtlichen Weinen kann man glasweise trinken, einfach den Flaschenpreis sechsteln, und schon kennt man den des Glases. Es wird übrigen großzügig ausgeschenkt, sechs Gläser bekommen sie so niemals aus einer Bouteille. Danke dafür!
Auch Bubbles gibt es glasweise, vom Schank-Fassprosecco (eher flach) über einen sensationell guten Sekt (Zuschmann Schöfmann, GV 21) hin zu Cremant. Nur der Champagner bleibt flaschenweise angeboten. Meno male. Meine Favoriten bei den Weißen: Der 21er Furmint vom Hartl Toni und der GV OMG vom Weingut Uibl/Ziersdorf. Dessen Rosé aus der 1000-Liter Amphore ist btw. auch ausgesprochen bemerkenswert.
Bei der Weinauswahl ist man am besten beraten, wenn man sich auf die Beratung verlässt. Es kamen dann auch Sachen, die nicht auf der Karte stehen und viel Freude bereiten. Auch für alkoholfreien Trinkgenuss ist gesorgt, so werden z.B. eigene Shrubs angesetzt. Ideale Speisenbegleiter und immer spannend zu trinken.

Zum Essen: Zu viele zu interessant klingende Gerichte – daher einfach einmal die Karte querbeet nach Chef´s Choice (75).
Davor aber noch den Auftakt (15) mit einem Glas Schaumwein nach Wahl, einer Karaffe Soda, hausgemachtes Sauerteigbrot (Weizen, Roggen), Rohmilchbutter und sehr, sehr gutes eingelegtes Gemüse. Das dazu gereichte Oshibori ist etwas "chewy".

Dann die Chef´s Choice: Jedes Gericht eine Freude, viel verschmitztes Lächeln und wirklich schöne gustatorische Überraschungen: Ein Dessert mit süß geschmorter Zwiebel anzubieten, ist, wenn man das einmal gekostet hat, gar nicht mehr mutig, aber auf jeden Fall genial. Das vergisst Dein Leben nicht: Cipolla dolce/Karamell/Mascarpone/Kalamansi Crumble. Ebenso zum Ausflippen gut das Reh-Tataki mit BBQ-Zwetschke, Topinambur, Radicchio und Maiwipferl, oder das Bio-Stundenei mit Grünkohl, Comte Prestige, La Ratte und Schalotte ... das geht alles so wunderbar zusammen, macht so viel Freude und letztendlich glücklich. Das ist es, was Gastronomie ausmachen soll.

Fazit: Ein wunderbarer Abend, gerade auch wegen des hochkompetenten Service – und speziell wegen der Küchenleistung. Selten so gut gegessen und so gut begleitet getrunken. Gehet hin und schmecket - es wird nicht Euer letztes Mal gewesen sein.

Gregor Fauma

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