Ausflug ins unbekanntere Kamptal
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Kamptal, das ist geliebtes Weinbaugebiet, mit Langenlois als unwidersprochenem Zentrum mittendrin. Kamptal, das weckt aber auch andere Assoziationen, an herrschaftliche Sommerfrische der Jahrhundertwende, wo die kühlen Winde des Waldviertels, die hinunter ins Tal streichen, den hitzeflüchtenden Städtern ersehnte Abkühlung brachten. Ja, Kamptal ist auch Waldviertel, zumindest ein Stück davon. Und von einem Stück dieses Stücks will ich hier erzählen.
Eine Gegend außer der Zeit
Von Zöbing flussaufwärts beginnen sich die Weingärten immer mehr zu verlaufen, dafür verdichten sich in Richtung Gars die baulichen Dokumente jener vergangenen Epoche, die als „Sommerfrische“ noch bildhaft in den Köpfen schwirrt: wunderschöne Bauten wie das alte Flussbad in Plank oder auch jenes in Gars, die Villen mit ihren Holzveranden, von wohlhabenden Wienern im Damals gebaut, und noch heute liegt operettenhafte Flair über dem Städtchen am Fluss. Hübsch zu sitzen ist es in der Konditorei Ehrenberger mit ihrem großen Gastgarten; es locken vor allem süße Waldviertler Spezialitäten aus Mohn. Vorbei an der Babenberger Burgruine, herrliche Kulisse für das sommerliche Opern-Open-Air (heuer steht Verdis Trovatore auf dem Programm), steigt die Straße steil und kurvenreich an bis hinauf zu dem hoch über dem Fluss sich erstreckenden Plateau.
Hier taucht man ein in eine immer noch sehr stille, fast verwunschene Landschaft; ausgedehnte Wälder ziehen sich über die Steilhänge hinunter zum Kamp, der, von den Stauseen weiter westlich kommend, erst gut versteckt im Hornerwald fließt, hinter Stift Altenburg sich stark mäandrierend um die Wanderziele Ödes Schloss und Hängender Stein schlingt und unterhalb der Rosenburg in einer Biegung von 90° in Richtung Donau weiter fließt. Zwischen diesen Wäldern liegen weite Feldflächen, unterbrochen nur von wenigen Streusiedlungen: Wolfshoferamt, Tautendorferamt, Schiltingeramt sind Verwaltungsbezeichnungen, die aus der Geschichte dieses Landstrichs rühren. Einziges Zentrum des Dreiecks, das im Norden und Osten vom Kamp und schräg verbindend von der von Langenlois über Gföhl nach Rastenfeld führenden Straße begrenzt wird, ist St. Leonhard am Hornerwald. Weithin ist die auf der höchsten Erhebung stehende Kirche zu sehen, doch der Begriff „Zentrum“ ist hier ein sehr relativer. Wenn nicht gerade Wochenende ist und die Zweitwohnungsbesitzer, die viele der sonst verlassen stehenden Höfe restauriert und sich zu eigen gemacht haben, ein wenig Leben bringen, liegt auch hier, wie über der ganzen Landschaft, eine friedfertige Abgeschiedenheit.
Ein Wirtshaus fürs Wochenende
Das Wochenende ist auch für Christian Mayer, den jungen Wirt des gleichnamigen Gasthauses, die Hauptwirtschaftszeit. Als Sommelier war er jahrelang in illustren Saisonorten des Landes unterwegs, 2003 kehrte er ins elterliche Wirtshaus zurück. Vier Tische neben der alten Schank, ein paar mehr im Extrazimmer, eine kleine, wöchentlich wechselnde Karte und ein paar offene Bouteillenweine genügen, um ihn zur bevorzugten Anlaufstätte in einer kulinarisch nicht gerade verwöhnten Region zu machen. Die Leidenschaft für den Wein ist angesichts seiner Vergangenheit nicht verwunderlich; da er immer nur kleine Mengen vornehmlich aus benachbarten Weinbaugebieten kauft, ist für stete Abwechslung gesorgt.
Ziegen im Streuobstgarten
Vom Gasthof Hagmann aus, der in wohltuender Ruhe etwas abseits liegt (aber gilt das nicht für alles hier ein bisschen?), führen zahlreiche Wanderwege durch den bunten Mischwald, Himbeerschläge sind im Sommer ein lohnendes Ziel. Die Straße Richtung Etzmannsdorf wird von zahlreichen Apfel- und Zwetschkenbäumen gesäumt, sie liefern im Herbst eine reiche wilde Ernte. In der bäuerlich-schmucken Ortschaft Wanzenau dann steht der Hof des Mayer’schen Ziegenkäselieferanten. Familie Neuwirth produziert in ihrem Biobetrieb aber auch Schafskäse, Würste, Honig und vieles mehr. Es ist das bewusst gewählte Lebensmodell zweier Quereinsteiger, die aus dem Erlauftal in diese entlegene Gegend gezogen sind, um hier ihrem Traum vom sinnvollen Leben nachzugehen.
So autark wie möglich wollen sie sein, alles, was am Hof produziert wird oder „abfällt“, wird in einen Kreislauf eingebunden. An der alten Feldstruktur wurde nicht viel geändert; neben den Ziegen und Schafen haben eine Kuh, ein paar Schweine und Hühner auch ihren Platz. Feldfrüchte, Obst von den eigenen Bäumen, aber auch Wildkirschen und Berberitzen: alles wird verwertet, der Honig ist nun auch biozertifiziert. Die wichtigsten Produkte aber sind die verschiedenen Käsesorten von Schaf und Ziege, die sowohl an die umliegende Gastronomie geliefert werden als auch auf den Wochenmärkten der Region erhältlich sind. Der Keller des Hauses, das auf einem Felsen gebaut ist, hat durch seine hintere Felswand eine stets konstante Temperatur und dient so als idealer natürlicher Reiferaum. Gottfried Neuwirth, im früheren Leben einmal Marathonmeister und als Kind in einem Forsthaus aufgewachsen, sieht sich durch den frühen Zugang zur Natur und dem jetzt so achtsam geführten Leben als besonders privilegiert; er ist auch nicht nur als Bauer, sondern auch als Erzähler darüber eine faszinierende Persönlichkeit.
An einem der Wege, die auch wieder hinunter ins Tal nach Gars führen, ziehen plötzlich frei in der Landschaft stehende Skulpturen die Aufmerksamkeit auf sich, in einem Eichenwäldchen ergibt die Ansammlung alter schmiedeeiserner Grabkreuze ein pittoreskes Bild. Dieses „Kunst in der Natur“-Projekt zweier Künstler, die am Wachtberg ein neues künstlerisches Zentrum geschaffen haben, gibt in einer ohnehin schon von meditativem Charakter geprägten Landschaft zusätzlichen Anstoß zum Verweilen, zum Innehalten.
Wieder Richtung St. Leonhard zurückkehrend, gelangt man zum Gasthaus Staar, wo vor wenigen Jahren noch einzig die alte Lehmkegelbahn als Attraktion diente. Heute ist dem geräumigen Gasthof eine Geisterwerkstatt an- und umgehängt, das mystische Waldviertel hat so einen vor allem von Kindern frequentierten südlichen Ausläufer.
Drunten am Fluss
Hinter St. Leonhard schlängelt sich die Straße durch den Hornerwald steil hinunter zum Kamp. Tief ins Gelände geschnitten ist hier der Fluss; an einer kleinen Lichtung liegt der Weiler Steinegg mit dem Gasthaus Dunkler. Die Zimmer direkt zum Wasser versprechen Nächte voll Wassergemurmel, im idyllischen Innenhof schmecken die Waldviertler Schmankerl besonders gut. Kurz bevor das Hochwasser kam im Jahre 2002, feierte man gerade das 100jährige Jubiläum, nun strahlt wieder alles in frisch renoviertem Glanz. Aber die Sandsäcke an der Naturterrasse zum Ufer zeugen noch von der seither nicht so einfach vergehenden Angst.
Etwas unterhalb von St. Leonhard Richtung Westen fallen ausgedehnte Gewächshäuser hinter der weißgetünchten Fassade eines alten Bauerngehöftes auf: hier wird biodynamisches Saatgut gezüchtet. Auch wenn der Vertrieb von Reinsaat fast ausschließlich übers Internet erfolgt, ist ein Blick in die Plantagenlandschaft ein lockend ungewohnter. So gut wie alle Gemüsesorten werden angeboten, Kräuter und Blumen, aber auch Besonderheiten wie asiatisches Blattgemüse, Erdmandel, Haferwurz und einiges aus dem Sortenarchiv der Arche Noah in Schiltern. Von hier fällt die Straße langsam ab in Richtung Wegscheid, einer Ortschaft direkt am Kamp, deren einst wirtschaftlicher Glanz mit Säge und Mühle nun zu einem Bild von idyllischer Verlassenheit wurde.
Stausee und Karpfenteich
Bei Thurnberg liegt der erste der Kamp-Stauseen und der in seiner Infrastruktur bescheidenste; gutbürgerliche Fischlokale wie der Idolsberger Gasthof am See passen zum Charakter einer Landschaft am Rande des Trubels. Der beginnt spätestens bei den „großen“ Seen, Dobra und Ottenstein; mit Schloss- und Seerestaurant, mit mannigfachen Sport- und Freizeitmöglichkeiten landet man hier plötzlich im vielbesuchten touristischen Wunderland.
Doch zurück ins Entlegenere: in Krumau, am anderen Ende des Thurnberger Stausees, sitzt man im Gasthof zum Braunen Hirschen mit Blick auf die stattliche Burg, bei einer fast schon rührend altmodischen Küche. Und kehrt man zurück ins untere Kamptal, so ist ein Besuch der Weinbeisserei der Brüder Hager in Mollands der alles rundende Abschluss.
Adressen
Gasthof Hagmann
3572 St. Leonhard 36
02987-2231
Mo Ruhetag
Biohof Neuwirth
3573 Wanzenau 17
02985-2601
Kunst am Wachtberg
Helene und Dieter Graf
3571 Gars, Am Wachtberg 78
0664-97 07 740
www.wachtberg.org
Gasthaus Dunkler
3591 Steinegg 12
02987-2270
Di Ruhetag
Reinsaat Emmelmann
3572 St. Leonhard 69
02987-2347
Gasthof am See
3544 Idolsberg
Seestraße 7
02731-216
Di, Mi Ruhetag
Angelika Deutsch
empfohlen am 11.08.07 @ 15:51
1) Mayerwirt (St. Leonhard): Das Wochenende ist auch für Christian Mayer, den jungen Wirt des gleichnamigen... [mehr]
2) Staar (St. Leonhard): Das Gasthaus Staar mit seiner alten Lehmkegelbahn ist in kulinarischer Hinsicht... [mehr]
3) Zum Braunen Hirschen (Krumau/Kamp): In Krumau, am anderen Ende des Thurnberger Stausees, sitzt man im Gasthof zum... [mehr]
4) Weinbeisserei (Mollands): Eine unglaublich tiefe Zufriedenheit hat mich durchströmt. Eine Entspannung, die... [mehr]
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