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Christoph Wagner's Weblog

06.04.05 @ 01:33

Rudolf Kellner (1938-2005)

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Gestern am späten Abend ist mein Freund, langjähriger Nachbar, kulinarisch-önologischer Ziehvater und Wegbegleiter, Rudolf Kellner, gestorben. Er hatte davor lang zu leiden, aber er konnte dennoch sein Lebensprojekt, die Schaffung eines „Grande Cuisine”-Restaurants im — mittlerweile verkauften — „Altwienerhof” im fünfzehnten Wiener Gemeindebezirk nicht nur verwirklichen, sondern auch abschließen.

Rudolf Kellner hinterlässt nicht nur unauslöschliche Spuren, sondern ein kompaktes, erfülltes Lebenswerk, das auch in Zukunft - über seine zahlreichen Freunde und Schüler - noch allenthalben sicht- und schmeckbar bleiben wird.

Rudi war ohne Zweifel einer der größten Köche, die Österreich je hervorgebracht hat, vielleicht sogar der größte des vorigen Jahrhunderts, das „sein Jahrhundert” war. Und wäre Rudi Kellners Wiege nicht in der Wiener Herklotzgasse, sondern in Paris gestanden, er würde heute, so bin ich jedenfalls sicher, zu den bedeutendsten Köchen der Welt zählen.

Ich werde über Rudi Kellner, seine souveräne Beherrschung des klassischen Handwerks, seine Innovationskraft, seinen trotzigen Humor, seine unbändige Lust, wider den Stachel zu löcken, seinen nimmermüden Einfallsreichtum, seine verbockte Menschenfreundlichkeit und vor allem seine unerschütterliche, letztlich auch selbstzerstörerische Konsequenz demnächst sicher noch mehr schreiben.

Fürs erste bleibt mir nur, seiner Familie als Trost mitzugeben, dass sie einen der wahrhaft Großen unter sich hatte. Wenn es in diesem Land jemals Kochkunst gab, so hat sie nicht zuletzt, vielleicht sogar vor allem seinen Namen getragen.

Rudi Kellner hat mittlerweile an der ewigen Tafelrunde Platz genommen. Und vermutlich ist er gerade damit beschäftigt, das dortige Küchenniveau entscheidend zu heben. Denn schlechtes Essen hat er zeit seines Lebens mehr gehasst als alles andere. Es gibt also keinen Grund, warum er es im Jenseits nicht auch so halten sollte.

8 Kommentare | Kommentar abgeben

peter_s, 13.04.05 @ 20:15

Neue Wiener Küche und klassische Grande Cuisine
Rudolf Kellner mit seinem Altwienerhof war einer der -- ich glaube zehn -- Proponenten der "Neuen Wiener Küche", die (noch vor dem Erscheinen des ersten GaultMillau -- lang ist's her!) den Umschwung in Österreichs Restaurans eingeleitet haben. Als solcher hat er sich großen Verdienst erworben und ist nicht ohne Nachfolger geblieben.
Genausowichtig (vielleicht sogar noch wichtiger?) war für mich sein Einsatz als Bewahrer großer klassischer Küchentraditionen. Und darin sind Nachfolger oder Gleichgesinnte kaum zu finden!
Leider habe ich nur einmal (an einem schwülen Sommerabend im Hof) an einem seiner Escoffier-Menüs teilgenommen. (Manche Dinge schiebt man dummerweise auf bis es zu spät ist!) Auch wenn diese Art zu kochen sicher nicht modern (vielleicht auch nicht mehr "zeitgemäß") ist, halte ich es doch für sehr wichtig, daß das damit verbundene Wissen und Handwerk nicht verloren geht. Auch für die "Kochkunst" sind Museen erforderlich, in denen man die "Meisterwerke" vergangener Epochen kennenlernen und mit den derzeit gängigen Kochstilen vergleichen kann.
Leider sind sie rar und kaum zu finden (selbst in Frankreich).

MartinK, 07.04.05 @ 16:05

Altpariserhof
Zufällig gestern abend noch mit einem Gast, nicht wissend von dessen Ablebens, über Herrn Kellner gesprochen, und ebenfalls festgestellt, daß meiner Meinung nach, auch wenn ich eher der jüngeren Riege angehöre, er einer der wenigen ( sicherlich in Wien) war, der einen mehr oder weniger, wunderbaren frankophilen Einschlag hatte, wie man ihn in Wien nur suchen, leider jedoch seltenst finden kann.
Höchsten Respekt vor seiner Kochkunst.

noapino, 07.04.05 @ 00:17

Savoy nicht Bristol
meine Erinnerung hat mich wohl getrogen, als ich Rudi Kellner im Londoner Bristol (gibt's das überhaupt?) wähnte. Wie ich dem bürgermeisterlichen Beitrag aus dem Jahr 1995 entnehme war es das Savoy.

Ich bitte um Nachsicht.

noapino, 06.04.05 @ 22:47

kein Genuss ist voruebergehend
"Bedenken Sie, was Natur und Kunst, was Handel, Gewerke und Gewerbe zusammen schaffen müssen, bis ein Gastmahl gegeben werden kann. Wieviel Jahre muss der Hirsch im Walde, der Fisch im Fluss oder Meere zubringen, bis er unsre Tafel zu besetzen würdig ist, und was hat die Hausfrau, die Köchin nicht alles in der Küche zu tun! Mit welcher Nachlässigkeit schlürft man die Sorge des entferntesten Winzers, des Schiffers, des Kellermeisters beim Nachtische hinunter, als müsse es nur so sein. Und sollten deswegen alle diese Menschen nicht arbeiten, nicht schaffen und bereiten, sollte der Hausherr das alles nicht sorgfältig zusammenbringen und zusammenhalten, weil am Ende der Genuss nur
vorübergehend ist? Aber kein Genuss ist vorübergehend: denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend, und was man mit Fleiß und Anstrengung tut, teilt dem Zuschauer selbst eine verborgene Kraft mit, von der man nicht wissen kann, wie weit sie wirkt."
Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre

Rudi Kellner lebte und arbeitete nach diesem Prinzip und so ist auch die Erinnerung an ihn selbst und den Genuss, den er uns ermöglicht hat, bleibend.

Neben diesen Genüssen, den immer wieder aufregenden Gerichten, den bis weit in die Nacht andauernden Speisefolgen (nicht nur bei den legendären Escoffiergalas) und einer Reihe teilweise skurriler Anekdoten, werde ich wohl nie den fast rührenden Stolz vergessen, mit dem Rudi Kellner berichtete, die Ehre gehabt zu haben, im Londoner Bristol unter einem Koch gelernt zu haben, der seinerseits noch unter Georges Auguste Escoffier gearbeitet hatte.

andreasbigler, 06.04.05 @ 18:45

Die Guten ....
... es scheint so, als ob Sie alle viel zu früh sterben müssen - begonnen hat's mit meinem GroVa (Opa), der einen wirklich göttlichen Kriachal brannte, dann hat es einen meiner besten Hawara, den Hansi Hölzl erwicht, und jetzt Big Rudi, menschlich als Lebender gesehen, voll orsch!

Ich bin mir aber sicher, dass alle drei - obwohl sie total unterschiedlich sind - im Himmel gemeinsam einen drauf machen, der Hansi wird seinen unvergleichlichen Bassfinger rollen lassen, so wie er es in seinen Anfängen beim Weber (Dradiwaberl) getan hat, der GroVa wird sagen, "do hauts eich an guten Söbabrenntn eine, und Big Rudi wird seinen unvergleichlichen rieeeeeeeeesigen Espresso trinken, der sogar einen Elefanten aus der Bahn geworfen hätte.

Für euch drei dreh ich voll auf und lass den Blue Jeans Blues von ZZ Top laufen, denn wer ein geiles Leben hatte und Freude verbreitete, der wird auch im nächsten Leben unvergesslich bleiben ........

Und bitte, liebe Andrea, das Posting nicht löschen, auch wenn es mit Zotenausdrücken gespickt ist, aber es ist wirklich beschissen, solche Todesnachrichten lesen zu müssen!!!

Ich bitte um eine Speisingnet - Schweigeminute.

Liebe Grüße an alle
Andy Bigler

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