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Das Weinlog
07.09.06 @ 22:25
Lecker - oder die Mär vom süßen Wein
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Für meinen ersten Beitrag als Traubing-Autor hab' ich mir ein Deutsch-Österreichisches Thema ausgesucht. Wer kennt nicht folgende Konversation beim Weineinkauf ab Hof?
Winzer (höflich): "Was möchten Sie denn probieren?"
Kunde (bestimmt): "Nur die trockenen!"
Nach einigen Schlucken teilweise doch recht sauren Weins wird dann ein halbtrockener Wein untergejubelt.
W. (schelmisch): "Probieren Sie den mal."
K. (entzückt): "Mmhh, der ist aber gut."
W. (triumphierend): "Der ist aber nicht ganz trocken."
K. (etwas böse und enttäuscht): "Dann nehm' ich ihn nicht!"
Beinahe jeder Winzer hat das schon erlebt, mit immer gleichem Ausgang. Als Konsequenz wird jeder Wein kompromisslos auf "Zucker komm raus" rasch vergoren, selbst 3 Gramm werden nicht toleriert, wozu hat man sich im Labor die Mühe gemacht, alles verbrennende Turbohefen zu züchten.
Anders in Deutschland, wo seit einigen Jahren eine Handvoll qualitätsversessener Winzer entgegen dem Publikumsgeschmack unverkennbare Rieslinge erzeugt. Die mögen zwar legistisch halbtrocken sein, zeigen das aber höchstens mit einem nichtssagenden neudeutschen "feinherb" oder gar nicht an, wozu auch? Das Zeugs schmeckt ja trocken, authentisch und vor allem lecker, wie man dort zu sagen pflegt.
Auch vielen österreichischen Power-Rieslingen stünde es nicht selten gut, wenn sie das eine oder andere Volumensprozent Alkohol gegen Zuckergrade und weitere Verweildauer im Winzerkeller eintauschen würden. Damit könnten sie sich von vielen schon zum Überholen ansetzenden und mit Alkohol ohnehin besser zurechtkommenden Grünen Veltlinern wieder abgrenzen und ihre Klasse und vor allem Eigenständigkeit langfristig sichern. Gelungene Beispiele restsüßer Austro-Rieslinge gibt es von Graf Hardegg, Wimmer-Czerny oder sogar aus Wien von Fritz Wieninger oder Jutta Ambrositsch. Auch Slowenien Auswanderer Erich Krutzler hat auf Dveri Pax entsprechendes im Portfolio, ob seine Frau diese Kunde in ihre eigentliche Heimat tragen und dort einen Umdenkprozess in Gang setzen wird, ist in der erzkonservativen Wachau dann doch eher unwahrscheinlich.
Dabei geht es gar nicht um die Aufgabe der sehr erfolgreichen österreichischen Weißweinstilistik, sondern um ein permanentes Hinterfragen persönlicher Geschmacksmuster und um Offenheit gegenüber anderem, in meiner Branche auch Koexistenz genannt. Skeptiker können ab sofort im Wiener Schwarzen Kameel einen Eigenversuch starten und den 'Saarriesling Alte Reben' von van Volxem und den Riesling 'Oberer Reisenberg' von Jutta Ambrositsch parallel verkosten. Es lohnt sich, dem Abbau von Vorurteilen und dem eigenen Genuss zuliebe.
13 Kommentare | Kommentar abgeben
TomCool, 13.09.06 @ 00:00
Weil's grad so passt
zahel, Nussberg Grande Reserve: halbtrocken.
Und der Wein bietet genau das, was den meisten trockenen Weinen fehlt. Er schmeckt nicht einfach nach Äpfeln, Steinobst, Wiese, Gräsern, mineralisch oder was weiß ich.... er schmeckt nach WEIN!!! Nach dem Moment, wenn eine vollreife Traube in deinem Moment beim Biss zerplatzt.
Der "weinigste" Wein, den ich dieses Jahr getrunken habe.
gtrts1, 11.09.06 @ 18:59
Zum Thema
Die Balance aus allen Eigenschaften macht es aus. Meist nur Zufallstreffer, da selbst durch die ausgefeilteste Kellertechnik nicht machbar (zum Glück)! Lasst euch immer wieder auf neue Überraschungen und Erfahrungen ein! Gebietslastigkeit und Winzerfixierung ist ein Zeichen von Engstirnigkeit! (Dasselbe gilt natürlich auch für Sortenfixierte). Ein Hoch auf die Restsüsse!!!
-pv, 11.09.06 @ 17:03
world class statt blue nun
@Fausto: richtig erkannt, wenn Restsüße als nahezu einziger Geschmacksträger übrigbleibt und bestenfalls zum Kaschieren von Weinfehlern dient, stimmt was nicht. Dann landet auch die ganze (Weinviertler) DAC-Geschichte ganz schnell in der gleichen Schublade wie einst Liebfrauenmilch. Nicht das Zusammenspiel von Jahrgang, Herkunft und Winzer, sondern Paragraphen und starre Erwartungen von Kostjurys prägen den Wein. Dessen gleichbleibender Einheitsgeschmack à la longue genauso verlässlich wie langweilig und austauschbar wird.
Ganz was anderes stellen da echte Weltklasserieslinge aus hochreifem und gesundem Traubenmaterial aus kleinen Erträgen, das langsam und spontan ohne Rücksicht auf Präsentationstermine oder Kundenbestellungen bis zum natürlichen Stillstand vergoren wird, dar. Hefekontakt wird ausdrücklich gesucht, BSA toleriert, unvergorener und ausschließlich als Fructose vorhandener (und damit sogar für Diabetiker geeigneter!) Restzucker wird von im Übermaß vorhandener Mineralität und Säure nahezu aufgefressen. Solche Weine könnte es auch in der Wachau geben, theoretisch zumindest.
Fausto, 09.09.06 @ 21:20
restsüsse, dort wo sie passt
Keine Frage, dass beim Riesling ein paar Gramm Restzucker nicht stören, zumal wenn sie von einer sortentypischen Säure abgefedert werden. Das Problem ist heute bei österreichischen Weissweinen, vor allem beim Grünen Veltliner, ein ganz anderes:ein immer stärker um sich greifender Einheitsgeschmack, Veltliner, die mit ein paar Gramm Restzucker auf gefällig hergerichtet werden, und Weissweine, die von vielen Winzern gnadenlos entsäuert werden, als wären 90% der Weissweintrinker magenleidend.Nur nicht anecken ist die Parole, und die Konsumenten, die immer nur Natur& Bio rufen, verziehen das Gesicht, wenn sie einmmal einen wirklich trockenen, nicht entsäuerten Veltliner im Glas haben. Es gibt nur wenige Ausnahmen unter der österreichischen Winzern, die wirkliche Terroirweine ohne viele Eingriffe machen, und sie sind nicht unbedingt alle in der hochgejubelten Wachau zu Hause. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema..
alma, 08.09.06 @ 21:43
willkommen!
... in traubing und Gratulation zum rasanten Start.
Den Ambrositsch-Riesling konnte ich beim jüngsten Wien-Besuch gleich zwei Mal kosten: glasweise im Schwarzen Kameel ebenso wie im neuen ON in der Wehrgasse: dort passte er hervorragend zu den doch markant gewürzten Speisen!

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