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09.04.07 @ 16:47
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--- Eintrag: Sonntag, 09.10.2005 | 23:18 ---------------------------------
Tempel des Apoll
1643 Jahre ist es her, dass die Pythia nicht umhin kam, zu erkennen, das schöne Haus sei gefallen, Apollon besitze keine Zuflucht mehr, der heilige Lorbeer verwelke, seine Quellen schwiegen für immer, verstummt sei das Murmeln des Wassers. Auch die vielen anderen dem Gott der Wahrsagerei geweihten Heiligtümer wurden seitdem dem Verfall preisgegeben und dienen heute im besten Fall noch der Förderung des Fremdenverkehrs.
Doch, wie hierorts bereits zu lesen, war Apoll in der Zwischenzeit - allen Widrigkeiten zum Trotz - keineswegs untätig und erfand, nicht nur die 7/10tel Flasche sowie das Verkostungsglas sondern inthronisierte auch mit den internationalen Weinkritikern höchst erfolg- und einflussreiche Nachfolger der Pythien. (Dass letztere ihre Trancezustände nicht mehr mit Ethylengas herbeiführen und auch das mit der Jungfräulichkeit als weniger wichtig ansehen, tut hierbei wenig zur Sache.)
Nur die Tempeln gingen ihm dann doch irgendwann ab und er sann auf Abhilfe, die schlussendlich in Brüssel gefunden ward. Dort war man gerne bereit, Neubauten von Weinkellern, Verkostungsstüberln und Ähnlichem generös zu fördern, und stieß mit diesem Angebot bei (österreichischen) Winzern auf willkommene Aufnahme. So wurden mit Hilfe engagierter Architekten und kunstfertiger Handwerker Gebäude errichtet, in denen modernste Kellertechnik vom Feinsten und klimatisierte Hallen zur Aufbewahrung der Erfolg verheißenden kleinen Holzfässer dazu dienen sollen, der Produktion des - nun ja zumindest ursprünglich dionysischen - Getränks bestmögliche Randbedingungen zu bieten. Zusätzlich wurden (und das scheint der eigentliche Zweck der Bauten) Räumlichkeiten innen und außen edel und eindrucksvoll mit Glas, Holz, Stein und Metall ausgestattet, um (auch) dem gemeinen Volk die Möglichkeit zu geben, in angemessener Atmosphäre dem Götter- oder besser Gottestrank und damit Apoll selbst zu huldigen.
Die Priester dieser Heiligtümer werden sich davon (wie auch schon vor mehr als zweitausend Jahren) wohl auch selbst den einen oder anderen persönlichen Vorteil erhoffen.
Dass bei der Betrachtung dieser (meist relativ kleinen) Bauten sowie der Verkostung mancher der produzierten Weine gelegentlich der Eindruck entsteht, hier würde nicht nur versucht, Weine zu produzieren, deren Konzentration für deutlich größere Gebindegrößen ausreichen könnte, sondern auch der, dass die architektonischen Bemühungen ein Vielfaches an Grundfläche zu erfüllen imstande wären, wird der Gott der Mäßigung wohl eher zähneknirschend aber dann halt doch einfach zur Kenntnis nehmen.
Ein wenig unklar bleibt noch, weshalb Apoll gerade bei den österreichischen Winzern auf derart freudige Aufnahme stieß (sonst vielleicht noch bei einigen Spaniern und Italienern; die Kalifornier haben vermutlich einen anderen Zugang), denn die allermeisten französischen Winzer würden im Fall des Falles ihr Geld (und das der EU) dafür ausgeben, zusätzliche Weingärten in optimalen Lagen zu erwerben, als dafür, prächtige Bauten zu errichten.
Dem Architekturzentrum Wien ist dafür zu danken, eine Erfassung von zwanzig dieser neu errichteten Kultstätten zusammengestellt zu haben und bis 6. Februar 2006 der Öffentlichkeit zu präsentieren.
P.S.: Irgendwie scheint es Dionysos doch auch gelungen zu sein, seinen sabotierenden Kommentar zu den, in dieser - ansonsten technisch und darstellungsmäßig perfekt aufbereiteten - Ausstellung präsentierten, Prachtbauten unterzubringen: In einem eher unauffälligen Eck steht ein kleiner Fernseher auf dem kommentarlos und ohne Pause Folgen der aus den 80ern stammende Fernsehserie „Falcon Crest” laufen.
Heinrich Steininger
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