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Big Ones!
Fette Dinger für fettige Finger
19.02.12 @ 11:59
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Zwei echte Schwergewichte haben den Weg in meine Kochbuchsammlung gefunden.
JOEL ROBUCHON Die Klassiker
Matthaes Verlag GmbH
3 Kilogramm wiegt der Schinken "Robuchon die Klassiker" von Joel Robuchon. Auf fast 500 Seiten wird der Leser Fotoschritt für Fotoschritt durch Kochabläufe geführt. Wer Sicherheit sucht, findet sie hier. Als Beispiel "Kaisergranatravioli mit Trüffeln": 27 Zutaten, Vorbereitung und Zubereitung exakt beschrieben, auch das Fertigstellen und Anrichten wird bei jedem Rezept genau angeführt. 23 Fotos zeigen dann jeden wichtigen Handgriff, wie zum Beispiel die Sauce: Da wird Foie gras durch ein Sieb passiert, mit Butter vermengt und letztendlich mit ein wenig buttergebundenem Kohl und viel Trüffeljulienne (eh nur die schwarze ...) angerichtet.
Foie gras und Trüffel werden in diesem Buch eingesetzt wie sonst wo Knofel und Zwieblauch, fallen sie einmal weg, betreten Sevruga-Kaviar und Safran die Bühne.
111 Rezepte, rund um Taube, Bries, Lamm, Frosch ... ein dicker Schmöker zum Gustieren.
Ich sehe das Buch als "nice to have".
HESTON BLUMENTHAL The Fat Duck Cookbook
Cape Press Ltd./Bloomsbury Publishing
2,5 Kilogramm, die Sprache englisch, die wenigen, ausgesuchten Rezepte in Wahrheit kaum zum Nachkochen. Sondern zum Staunen. Staunen, staunen, staunen ... das bewirkt dieser Foliant des Wahnsinns. Das Buch ist ein Gesamtkunstwerk, die Skizzen, Grafiken und Fotos könnten allesamt in Museen moderner Kunst ausgestellt sein. Und so will es Heston Blumenthal auch: Alles Sinne ansprechen, nicht nur mit dem Gekochten. Toll.
Eine History beschreibt auf 125 Seiten die Genese seines Restaurants The Fat Duck.
Der zweite Teil gilt 45 Rezepten. Jedes Rezept nimmt mehrere Seiten in Anspruch, wird von seiner ursprünglichen Idee über die Geschichte des Ausprobierens bis hin zur perfekten Umsetzung ausführlich beschrieben. Ohne diese Geschichten zu den Rezepten, ohne diese extrem persönliche Art und Weise, sich einer kulinarischen Idee zu nähern, wäre die Rezeptsammlung ein Fall für die Klapse. Aber so aufgebaut erschließt sich dem Leser/Übersetzer eine neue Welt an Kreativität und deren mitunter skurrile Umsetzung.
Das Spannende an den Texten ist die nicht enden wollende Neugier Blumenthals an den Möglichkeiten, Geschmackskomponenten zu kombinieren. Er erforscht sie naturwissenschaftlich analytisch, arbeitet experimentell, beschreibt Misslingen, neue Versuche und die finale, genialische Verarbeitungsweise hin zu neuen, so noch nicht da gewesenen Kontrasten von Textur, Aussehen, Viskosität, Aromen, ...
Hier eine komplette Beschreibung, von Idee übers Ausprobieren hin zum finalen Rezept:
Gebratene Jakobsmuschel, mit ihrem Tartare, Kaviar und einer Velouté von weißer Schokolade:
Vorweg erklärt Heston, dass es eigentlich ein alter Hut ist, süße Gerichte durch Zugabe von Salz interessanter zu machen. Salz nimmt ein wenig Süße heraus und bringt die anderen Geschmäcker stärker zur Geltung. Er empfiehlt, einmal ein paar Flocken Fleur de Sel auf Bitterschokolade zu geben, der Effekt bewirkte Wunder. Salz gehört ebenso wie Zucker in die Patisserie. Und bei weißer Schokolade zeige sich diese Effekt besonder schön. Und dann fragt sich Heston, ob auch andere salzige Zutaten Süßes heben können und probierte mit Sardellen, geräucherter Entenbrust usw herum, bekam aber keine brauchbaren Ergebnisse. Jedoch mit Kaviar, mit Kaviar hat es mehr als geklappt. Die Samtigkeit der Schokolade und die buttrige Salznote des Kaviars schmelzen im Mund zu einer herausragenden Kombination. Die dahinter liegende, wissenschaftliche Erklärung, muss er auch noch klären lassen - und zwar bei seinen Freunden des Labs in Firmenich, bei Francois Benzi.
Dieser erklärte erst einmal erster Hand, dass sowohl Kaviar als auch Schokolade besonders reich an Aminen sind und diese, neben anderen Stoffen, für den Geschmack in Käse und gekochtem Fleisch verantwortlich sind. Diese Erkenntnis reichte Heston Blumenthal schon, um von einem weiten Feld an ganz neuen Kombinationsmöglichkeiten zu träumen und kaufte sich aus diesem Grund die Datenbank VCF Volatile Compounds in Food und das Werk von Steffen Arctander Perfume an Flavour Materials of Natural Origin, um neue Kombinationen, Paarungen zu entdecken. Dieses Kompendium der Moleküle führte ihn zu neuen kulinarischen Verbindungen wie Kaffee und Knoblauch, Mandarine und Thymian, Petersilie und Banane, Gurke und Veilchen, Kirschen und Mandeln mit Foie gras ... und er führt das auf seine Naivität zurück. Denn wer naiv und ohne tiefe Sachkenntnis sich an Neues heranmacht, hat mehr Spielraum für Kreativität als ein Spezialist, der immer schon vorher weiß, warum irgendetwas nicht gehen kann. Das Molecular profiling sieht Blumenthal als Werkzeug für Kreativität, und es unterstützt Intuition, Vorstellungskraft und Emotion, aber es ersetzt sie nicht. Ohne Instinkt und Erfahrung bringt das alles nichts.
Weil Blumenthal ein weihnachtliches Gericht machen wollte und seine ersten Assoziationen die Mandarinen in den über Nacht aufgehängten Strümpfen waren, tippte er Mandarine in die VCF-Datenbank, bekam eine Unzahl an Inhaltsstoffen als Antwort, die er alle in Actanders Werk gegencheckte und fand Nerylacetat als jenen Stoff, der ihn für sein weihnachtliches Gericht am meisten interessierte, denn er kommt in Bergamotten, Kakao, Ingwer und Zitrusfrüchten vor. Diese Ingredienzen für sein weihnachtliches Gericht werden alle von Nerylacetat "zusammengehalten". In der Flasche riecht dieser Ester des Nerols hochkomplex, wunder- aber undefinierbar und Blumenthal verlor nach eigenen Angaben ein wenig die Orientierung, wusste aber, dass dieser natürlich vorkommende Stoff enormes Potential für seine Küche hat.
Der Genuss am Mandarinenverzehr liegt für Blumenthal im Schälen der Mandarine. Weil dabei benetzen die kleinen Öldepots mit ihren ätherischen Essenzen, die in der Schale beim Schälen aufgebrochen, werden die Finger, welche dann die Stücke zum Mund und unter die Nase führen. Der wahre Genuss kommt also über den Geruch. Weil das so ist, hat Blumenthal begonnen, alle möglichen Dinge damit zu benetzen, mit besonderem Erfolg bei Schokolade und Banane.
Sein weihnachtliches Gericht, die ursprüngliche Absicht, endete in einem knusprigen Mandarinenkrokant, welcher beim Aufbrechen die Gerüche freigibt, überzogen mit Joghurtpulver und mit beigestellter Fingerbowle, die Bergamotte, Ingwer, Eukalyptus und getrocknete Orangenzesten aromatisch bereitstellte ... alles Aromen, die das Weihnachtsgerichte widerhallen lassen: Von der prickelnden Mandarinen- und Ingwercreme mit Joghurt und karamellisiertem Blätterteig bis zum Mandarinenconfit und Mandarinensorbet mit Bergamotte und Thymian. So hat Blumenthal seine Weihnachtsassoziationen mit Wissenschaft verbunden und seine Speisenfolge entsprechend entworfen.
Nur wieder zum ursprünglichen Gericht - die weiße Schokolade mit Kaviar kommt nach dem Hauptgang und schließt die Lücke zwischen Pikant zuvor und Süß in Folge. Der Kaviar kommt klumpig auf einem Schokodiskus serviert. Ein feines, simples Gericht, meint Blumenthal. Nach Jahren auf der Karte nahm er es für einige Zeit runter, um es später, mehr die Idee, neu kombiniert wieder zum Leben zu erwecken. Die Schoko-Kaviar-Kombi sollte Beitrag für ein neues Gericht werden. Schalotten, Jakobsmuscheln und noch ein paar Feinheiten mehr machten aus dem Original, aus der Basis ein neues, aufregendes Gericht.
Hier jetzt die Anleitung dazu:
Jakobsmuscheln:
8 Lebende, Schale mindestens 14 cm Durchmesser.
Muscheln auslösen, vom Corail und Bärten befreien, reinigen und abtrocknen. Kühl stellen.
Velouté von weißer Schokolade:
100 g Traubenkernöl
350 g Jakobsmuschelabschnitte (Bärte)
170 g dünne Karottenscheiben
80 g fein geschnittener Lauch
80 g fein geschnittener Fenchel
80 g fein geschnittene Schalotten
130 g fein geschnittene Champignons
5 g fein geschnittener Knoblauch
2 g schwarze Pfefferkörner
4 g Koriandersamen
200 g Noilly Prat (trockener Wermuth)
390 g Schlagobers
450 g halbfette Milch
12 g Petersilie (Blätter und Stängel)
130 g weiße Schokolade, gehackt
Tafelsalz
VORGEHEN
In 50 g rauchend heißem Öl die Muschelbärte 5 Minuten sautieren, abseihen und die Flüssigkeit auffangen. Pfanne reinigen, wieder 50 g Öl erhitzen und die abgeseihten Bärte zugeben, in Folge die Gemüse, gemörserten Pfefferkörner & Koriandersamen zugeben und anschwitzen, bis das Gemüse beginnt weich zu werden. Mit Noilly Prat ablöschen und zu Sirup einkochen. Dann die abgeseihte Flüssigkeit dazugeben, ebenso Milch, Obers und Petersillie. Auf 70 Grad erhitzen, dann Herd abdrehen und 20 Minuten ziehen und abkühlen lassen. Durch ein feines Stofftuch abseihen, vorsichtig erwärmen und die weiße Schokolade einrühren, salzen, kühlstellen.
Eingelegte Zitronen
250 g Wasser
175 g Weißweinessig (Chardonnay)
90 g Staubzucker
6 Amalfi-Zitronen und keine anderen, denn deren Haut ist nicht nur essbar, sondern auch köstlich
VORGEHEN
Zucker in Essig und Wasser auflösen (dazu entsprechend erwärmen), die Flüssigkeit auf mindestens 5 Grad herunterkühlen. Halbierte Zitronen in 2 mm dicke Scheiben schneiden, mit der Marinade bedecken und mindestens 48 h kühl stellen.
Grelotconfit pro Portion
1 Grelot Zwiebel (kleinste, runde, weiße Zwiebel)
50 g ungesalzene Butterwürfel
VORGEHEN
Zwiebel halbieren, Wurzelansatz entfernen, in 2 mm dünne Scheiben schneiden.
Ca 10 g Wasser erhitzen, Butter zu einer Emulsion einrühren und ganz leicht sieden lassen. Zwiebel darin 2-3 Minuten garen, bis der Geschmack des Rohen entwichen ist, die Zwiebel aber noch Biss haben. Zur Seite stellen.
Schalottenconfit
100 g Brunoise von Schalotten (2 mm)
Olivenöl
VORGEHEN
Schalotten gerade mit Olivenöl in einer Pfanne bedecken, auf 90 Grad erhitzen, zudeckeln und 2 h auf dieser Hitze halten. Die Würferlform sollen sie behalten. Abkühlen.
Jakobsmuscheltartar
knapp vor dem Anrichten zubereitet
14 g Schalottenconfit
100 g Muscheln, in 5 mm Würferl geschnitten
10 g eingelegte Zitronen
7 g Langustinenöl (haben Sie nicht? aber geh.)
3 g Marinade von den eingelegten Zitronen
feines Meersalz
schwarzer Pfeffer
40 Kerbelblätter
VORGEHEN
Schalottenconfit erwärmen, in einem Sieb überschüssiges Öl abtropfen lassen.
Alles, bis auf den Kerbel, mit einander vermengen, abschmeckend mit Salz und feinst gemahlenem Pfeffer würzen. Kerbel im letzten Moment vor dem Einsatz zugeben
Anrichten 4 Portionen
120 g Jakobsmuscheltartar
14 g Grelotconfit
Velouté von weißer Schokolade
4 g Jakobsmuscheln
Olivenöl
Tafelsalz
Schwarzer Pfeffer
12 g Kaviar
Erbsenkeimlinge zum Garnieren
geraspelte weiße Schokolade zum Garnieren
Langustinenöl zum Garnieren
VORGEHEN
Das Tartar in 4 Portionen teilen, in eigene Schüsserln geben und mit Grelotconfit bedecken.
300-400 g Velouté erwärmen und leicht aufschäumen.
Eine beschichtete Pfanne rauchend heiß erhitzen. Währenddessen einzelne Jakobsmuscheln horizontal in drei Scheiben schneiden, mit Olivenöl bestreichen und mit Salz und Pfeffer würzen. In der Pfanne für 15 Sekunden ankaramellisieren, nur auf einer Seite.
Die Velouté in die Schüsserl um das Tartar (mit dem Grelotconfit darauf) löffeln. Darauf die karamellisierte Muschelscheibe platzieren und mit 3 g Kaviar toppen. Mit Erbsensprossen und mit geraspelter Schokolade abschließend garnieren. Mittels Pipette 10 g Langustinenöl auf den Schaum träufeln. Servieren.
Diesen Raum, und durchaus noch ausführlicher, nimmt ein Rezept in Anspruch.
Der dritte Teil des Buchs widmet sich der Wissenschaft. Beschrieben werden Techniken und Ausrüstung, Wissen wird gut vermittelt. Die Anatomie und Physiologie der Muskulatur und ihre Auswirkungen auf den Garprozess zum Beispiel. Oder "Ice Cream Science", eine Lieblingstextur des Autors. Der Equipmentteil nimmt einem ein wenig die Hoffnung auf Nachvollziehbarkeit, das Kapitel zur Wahrnehmung von Geschmack ist ausgesprochen gut aufbereitet. Zuletzt werden (semi-)wissenschaftliche Artikel aneinander gereiht, welche die Tiefe der Thematik drastisch vorführen. "Sind Geschmacksvorlieben angeboren oder anerzogen?", "Parfümerie und Küche", "Multisensorische Wahrnehmung", "Cremigkeit", "Emulsionen und Emulgatoren in der Küche", ... und der geniale Text "Wie sich Aromen beim Kochen entwickeln und verändern".
Ich empfehle allen, das Buch mit www.dict.cc oder www.leo.org zu lesen und zu übersetzen, die Inhalte wollen erarbeitet werden.
Ich sehe das Buch als "must have".
Gregor Fauma
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