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Ein Buch von und über Magnus Nilsson
06.01.13 @ 15:32
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Dieses Buch ist kein Kochbuch. Es gibt einem jungen, schwedischen Koch Raum, um seine Überzeugung zu verbreiten. Koch Magnus Nilsson ist 29 Jahre alt. Er hat den Beruf Koch auch in einem Drei-Sterne-Lokal in Frankreich erlernt und zusätzlich eine Ausbildung zum Sommelier abgeschlossen. Er kennt sich also aus. In diesem Buch breitet er sein Fachwissen bezüglich Tierzucht, Tierhaltung, Jagd, Zerteilung, Lagerung und letztendlich Zubereitung episch aus. Die Gäste erfahren natürlich auch, wie sie am besten das Gericht verspeisen sollten.
Nilssons Überzeugung ist, die Produkte der umgebenden Natur zu verwenden. Er kocht aus altem Laub Suppen, richtet gerne auf Flechten an und zieht den Geschmack einer Birke in billigen Industrieessig, in dem er den Birkenstamm ein Jahr lang mit Essig immer wieder befüllt. Er jagt und sammelt alles Lebende rund um das Anwesen im Schwedischen Nirgendwo. Nur Salzwasserfische und Krustentiere kommen von weiter weg. Das Gemüse wird im eigenen Garten angebaut und für die langen Winter in Skandinavien konserviert. Den Geschmack der Kräuter konserviert er in Salzen.
Bezüglich Fleisch ist er gar nicht oder extrem heikel, das ist Ansichtssache. Er liebt es, alte Milchkühe zuzubereiten, und lässt auch all die anderen essbaren Tiere älter werden, als es üblich ist. Er erforscht, welches Fleisch gereift werden kann und welches man tunlich gleich zubereitet und gibt ausführlich Hinweise, wie man einen Elch oder eine Kuh am besten zerlegt. Prinzipiell kommt es ihm nicht auf das Stück, oder den Schnitt an – das Tier wird von Nase bis Schwanz verarbeitet und den Gästen zubereitet. Komplett altes, getrocknetes Fleisch zermalt er zu Pulver, mit dem er würzt.
Fisch tötet er nicht irgendwie, sondern ist für die optimale Tötungsart extra nach Japan geflogen, um dort in wochenlangem Training bei einem diesbezüglichen Guru die richtige Technik (Rückenmark ausstechen) zu erlernen.
Fleisch gart er nicht irgendwie, sondern setzt es gerne maximaler, direkter Hitze aus. Es muss außen hart am Verbrennen sein, dann lässt er es rasten, damit sich die Temperatur nach innen zieht und der Kern des Fleisches gerade nicht mehr komplett roh ist. Niedertemperaturgegartes ist ihm ein Greuel, er bevorzugt sämtliche Garstufen auf einer Gabel.
Innereien, und die liebt er, kommen oft als Creme-Klecks von Herz und Leber zu den Gästen. Wo er die vielen Innereien bezieht, kommt nicht klar aus den Texten hervor. Denn die zwei Milchkühe, die er pro Jahr schlachten lässt, reichen nicht für sein Gericht „Rohes Rinderherz mit Mark und geriebener Streckrübe“. Und auch die Lämmer haben nur zwei Nieren, die er gerne den Gästen zubereitet. Da passt das nicht zusammen, da speilen sich Text und Absichten.
Karotten schält er nicht irgendwie. Wenn der Text nicht zynisch gemeint ist, so hat er 10 lange Jahre gebraucht, um eine Karotte so zu schälen, dass sie seinen Ansprüchen genügt. Er reinigt sie unter Wasser von der Erde, entfernt penibel Erd- und Sandreste (niemals mit Bürste, sondern mit Fingernägeln), stutzt das Grün, um dann letztendlich doch zu einem eher stumpfen Sparschäler zu greifen und die Schale in einem Stück abzuziehen. Verstehe das, wer wolle, und teile es mir bitte mit.
Gemüse, so betont er, ist ihm wichtiger als Fleisch und er führt auch viele Gerichte ohne Fleischanteil in seinem Restaurant. Trotzdem, das wird einem beim Lesen der Rezepte und Bestaunen der Fotos klar, kommt das Gemüse eher zurückhaltend bis homöopathisch auf die Teller.
Auch bei der Jagd, da kennt er sich aus: Er weiß, wann man auf das aufgescheuchte Mohrhuhn schießen muss. Nämlich dann, wenn es nicht mehr im Steigflug ist, sondern schon ein wenig an Distanz gewonnen hat. Die Schrotkugeln verursachen dann weniger Schaden am Fleisch.
In Summe präsentiert sich Magnus Nilsson als recht aufgewecktes Kerlchen, das Freude an der Selbstversorgung auf Sterneniveau hat. Und dabei trägt er ganz schön dick auf. Sein radikaler Zugang, alles Lebende, das nicht gerade giftig ist, zuzubereiten, ist für viele Gastrojournalisten vorbildhaft. Er hat dazu auch einige Tausend Hektar Land zur Verfügung, darf jagen und sammeln, soviel er will. Damit versorgt er abends 16 Gäste nach strengem Zeremoniell.
Wie es dort aussieht und schmeckt? Das weiß Katharina Seiser:
www.esskultur.at
www.derstandard.at
Eine Kaufempfehlung? Ja, für alle, die sich ein Bild über einen Trend machen wollen, der von Skandinavien aus Europas Küchen verändern sollte. Nein für alle jene, die gerne im Supermarkt einkaufen gehen und Rezeptsammlungen schätzen.
Kaufbar bei www.hartliebs.at
Gregor Fauma
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