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SPEISING Open
10.03.11 @ 10:11
Was man mit Bier außerhalb des Mainstreams so alles anstellen kann
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Um mich euch, den Lesern, mal kurz vorzustellen: Mein Name ist Patrick Hopf, Maître und Sommelier im schönen Restaurant RieGi in der Schauflergasse im 1. Wiener Gemeindebezirk. Ich bin seit März 2007 in Amt und Würden, und habe nach Stationen in Deutschland in den Schweizer Stuben und dem Grand Hotel Axelmannstein nebenbei meine Ausbildung durch die Deutsche Wein-und Sommelierschule gemacht, nachdem ich in eben genannten Schweizer Stuben meine Ausbildung zum Restaurantfachmann absolviert hatte. Als Bayer, der sich in die wohl liebevollste Stadt, die mir bekannt ist, verkuckt hat, habe ich beschlossen, meine berufliche Zukunft nach Wien zu verlegen (glaubt mir, meine Familie fand das nicht so „leiwand“, vor allem, weil mir nach inzwischen sechs Jahren hier in Wien wohl etwas der bayerische Dialekt abhanden gekommen ist). Nach Stationen in den Drei Husaren, dem Grand Hotel und dem Schwarzen Kameel beim schrulligen, aber liebenswerten Herrn Gensbichler, landete ich endlich in meiner jetzigen Wirkungsstätte, dem RieGi, dem ich nun, neben dem Küchenchef Georg Rotböck, meinen fachlichen und gastronomischen Stempel aufdrücken darf. (Halleluja, so etwas ist heute leider viel zu selten, das man sich so ausleben kann)
Nun, es betrug sich folgendermaßen zu:
Wieder mal auf der mentalen Suche nach einem Novum in der Wiener bzw. österreichischen Gourmet-Gastroszene und beim Genuss eines Bio-Bieres namens Hadmar von der Privatbrauerei Zwettl aus dem schönen Waldviertel bei meinem lieben Freund Hannes Pruscha vom Appiano kam mir der Gedanke, wie es wohl wäre, verliehe man unseren ausgefeilten Speisen einmal anders eine Harmonie durch die Paarung mit diversen Bieren internationaler Herkunft. Man glaubt es kaum, was es da so alles gibt. Die Suche nach den Quellen führte mich zu einer kleinen Vertriebsfirma in Osttirol, die ein sensationelles Angebot an belgischen, holländischen und englischen Bieren aufweisen kann, und auch sonst um die Möglichkeit, andere Sachen aufzutreiben, nicht verlegen ist. Nach der Order von diversen Proben freute ich mich bereits auf unsere Menüfolge und die dazugehörige Verkostung der Biere.
Einmal vorweg, die Belgier nehmen das Reinheitsgebot nicht so genau, aber das ist genau genommen in diesem Fall ein Segen gewesen. Außerdem sind diese Biere extrem lagerfähig, teilweise bis zu 10 Jahre unter Weinkellerbedingungen.(!!!)
Nun zu meinem Resumee:
Die erste Speise war unsere Variation vom steirischen Bauerngockel mit Gänseleber, zu der ich ein belgisches Bier mit dem Namen „Barbar“(!!!) kostete, 8% alc., gelbgoldfarben, das mit etwas Honig aromatisiert wurde, und dadurch eine subtile Süße, getragen von malzigen und kräuterartigen Nuancen und einer sehr dezenten Perlage zur Schau trug. Genial, wie es die diversen Aromaten aus den verschiedenen Zubereitungsarten der Komponenten unterstrich, z.B. den confierten Gockel in Amaranthpopcorn oder die Praline aus Gänseleber und Haselnüssen.
Der zweite Streich war unsere Interpretation von Spanferkel, Bratkartoffeln und Calmar (Confierter und gepresster Rüssel, knusprig gebraten, gelierte Bratkartoffel, fritierter Calmar, in Kümmelsud geschmorter Calmar und Knoblauchschaum). Hierzu gab es ein Chimay Grand reserve, ein Trappistenbier aus Belgien, 9% alc., Kastanienbraun,in einer Champagnerflasche mit Champagnerkorken und Agraffe(!!!), malzig, fruchtig, würzig, cremige Perlage, schmeichelte sehr am Gaumen, und hat durch eben seine Würzigkeit die gehaltvollen Aromen des Gerichtes ideal zur Geltung gebracht.
Unsere Kalbsniere mit Muskatblüte und roter Gewürzzwiebel (Rosa glaciert, Muskatblütenschaum und Gelee, die rote Zwiebel in Portwein geschmort und eine Zwiebelcreme) war der dritte Gang, dazu ein Gouden Carolus Cuvee van den Kaizer, ein exclusives Spezialbier, welches nur einmal im Jahr in limitierter Menge gebraut werden darf, am 24. Februar, dem Geburtstag Kaiser Karls V., 11%alc., ebenfalls in einer großen Flasche mit Champagnerkorken, mit seinen Nougat- und Schokoladeanklängen und seinem dezent süßlichen Antrunk ein toller Begleiter zu Innereien, hätte ich mir auch gut zu voriger Gänselebergeschichte vorstellen können, oder zu einem Dessert mit Schokolade.
Als Finale ein geschmolzener Trüffelbrie mit hausgemachtem Traubensenfeis und Pfeffertrauben, gab es den Knaller schlechthin: Ein La Chouffe Golden Ale, dessen Etikett ein Blumen pflückender Gartenzwerg ziert, 8% alc., Orangegolden, ähnlich einem Hefeweizen, mit pfeffrigen und fruchtigen Noten nach Banane und einer angenehmen, gerade noch trockenen Malzigkeit mit champagnerartigem Mousseaux. Einfach nur geil. Aus.
Die Biere wurden alle in einem Weißweinglas serviert, und ehrlich gesagt, bei diesem Alkoholgehalt reicht auch ein Achtel, außerdem kommt die Nase der Biere toll zur Geltung. Was es noch zu sagen gibt, ist das ich leider nur ca. ein Viertel unserer Speisekarte mit den Bieren kombiniert hatte, aber ich arbeite daran, das auszubauen. Mit unseren neuen Menüs Ende März werde ich offiziell auch eine Bierbegleitung neben unseren Weinbegleitungen anbieten; und ich kann Euch sagen, die Resonanz der bisherigen Vorkoster aus unserem Stammgästebereich war durchwegs positiv bis begeistert und immer total überrascht, das war auch meine Intention. So soll es ein.
Ich werde euch gerne bei Interesse bezüglich der weiteren Entwicklung im Bierbereich auf dem Laufenden halten, schließlich soll man ja nicht still stehen ;-)
Liebe Grüße
Patrick Hopf
P.S.: wenn Ihr ein Bier kennt, dass es sich zu probieren lohnt, bitte meldet euch, über Tipps und Input freue ich mich immer, das Gleiche gilt natürlich beim Wein
18 Kommentare | Kommentar abgeben
PICCOLO, 30.03.11 @ 21:09
Rezepttipp
Einen Liter Schnaitl Dunkel oder Stiegl Parazelsus oder König Luitpold Dukle auf kleiner Hitze ein paar Stunden "verdunsten" lassen. So auf die Hälfte der Flüssigkeit... Dann mit zwei Löffel Honig und etwas Salz würzen. Das Gebräu dann über frische Rosmarin und Salbeiblätter samt ein oder zwei Lorbeerblätter, einer scharfen Chilischote schwarzen Pfefferkörnern gießen und in einer Flasche kaltstellen. Nach ein paar Tagen schon ist es soweit gebrauchsfertig.
Gibt ein wunderbar bieriges Geschmacksverstärkerlein, das man sogar für Süßspeisen verwenden kann.
Etwas Balsamessig dazugeben und dann wird ein gutes Bierparfüm für Käse.
PICCOLO, 30.03.11 @ 21:03
bitte "a Gulasch und a Bier!"
Aber selbstverständlich darf und soll und muss experimentiert werden! Ich habe meine Sinniererei etwas falsch abgefasst, weil ich Depp einfach schlampig formuliere (sich selbst einen Rempler geb) --
So : Aber was wirklich ausstirbt, und dafür müßten Gastronomen etwas tun. "Bitte ein Gulasch und ein Bier - das gehört doch zusammen in die österreichische Tradition.
Auch wenn man Edelbiere ausschenkt, dem Gast wieder dieses Wirtshauserlebnis bieten... mit einem Gulasch und einem Bier dazu.
Schönes dunkles Rindsgulasch vom Wadschinken in dem sich die glänzenden Augen des Gniessers "spiegeln"... Das schön gezapfte Bier mit Schaumhaube die zwei Zentimeter überm Glasrand endet, der Braubart....
connaisseur1, 30.03.11 @ 19:59
@piccolo
ja da bin ich bei ihnen, aber was spricht dagegen, experimentierfreudige brauer nicht einmal mit neuheiten überraschen zu lassen, innovative ideen umzusetzen oder einfach mal das tun, was die anderen nicht tun?
alles auf diesem schönen planeten durchlebt einen wandel, eine evolution, warum sollte bier davon ausgeschlossen werden?
und nicht jeder hat eine unverträglichkeit, die sie ja leider haben. ich fühle mit ihnen, und es sit sehr schade, das ihnen deswegen bestimmte bereiche, die welt des genusses betreffend, nicht mehr zugänglich sind.
aber ihr biergeschmack ist sehr gut ;-)
lg
PICCOLO, 26.03.11 @ 23:23
Bier ist nicht gleich Bier...
Für mich muß bier aus flaschen oder ordentlichen Fässern kommen. Es muß Enzymfrei sein und darf kein Haltbarkeitsmittel beinhalten. Enzyme verursachen bei mir intensives Sodbrennen mit Magenschließmuskel Unterfunktion. Wenn ich mich hinlege rinnt mir das Bier praktisch zurück! Also wirds völlig unverdaulich. Ich kenne inzwischen einige Leidensgenossen.
Puntigamer, Gösser und Reininghaus waren einst gute biere, seit die Maurerbrauerei BrauAG das Unternehmen Steirerbrau vor gut 20 Jahren geschluckt hat ist das Geschichte.
Meine Lieblingsbiere hier kommen alle aus kleinen Brauereien die noch nicht mit Trick arbeiten, das Bier schnell und billiger zu sieden.
schnaitl, Raschhofer, Uttendorfer, Murauer, Hirter, Schleppe, Stiegl, Adambräu sind meine Favorits. Stiegl Parazelsus und Schnaitl dunkel gefallen mir zum Kochen. Das Dunkelbier kann man mit etwas Honig gut einreduzieren soweit man es braucht. Es wird leicht gesalzen ein brauchbarer haltbarer Geschmacksverstärker für viele Gerichte, sogar Salat lässt sich damit gut parfümieren. die Herbe des Bieres mit der Süße des Honigs ist hoch interessant..
Prosit
connaisseur1, 25.03.11 @ 23:18
@thomasf
hat sich wohl auch nicht gehalten, nun, gottseidank gibt es erfreulichere nachrichten aus der welt der genussmittel, als irgendwelche plastikmagnums bier. wenn sie wenigstens aus glas wären und mit einem bügel- oder champagnerverschluss.......
als bayer bin natürlich sehr heikel, bier betreffend.
--- 04.09.18 @ 20:56
Über eine Monokultur aus Klonen künstlich geschaffener Lebewesen – über den Weinbau / PICCOLO: Aus einem alten "Spiegel" Artikel 30.10.1978 - Deutsche Winzer ziehen der Biene wegen den Zorn des Waldgängers Wellenstein auf... [mehr]
--- 04.11.17 @ 09:30
Über würdige, reife Weine / schischi: Mein persönliches Highlight - Uns hatte einmal ein Winzer, das muss so um 2010 gewesen sein, einen Weißwein... [mehr]
--- 09.10.17 @ 20:27
Was Chemtrail-Glaube und Biodynamischer Weinbau eint / OberkllnerPatzig: Feuer - Was man womöglich noch hinzufügen kann ist, dass manche Winzer, die sich rühmen,... [mehr]
--- 18.04.17 @ 12:49
Rauf die Preise! / PICCOLO: Schnell kommt man ans Bildermalen... - Doch schwer an Leute die es bezahlen. So salopp sagen, die Preise sollen rauf,... [mehr]
--- 13.10.16 @ 13:42
Rauf die Preise! / Meidlinger12: Beisl - z.b. das Quell kann noch immer das große Gulasch um 6,90 anbieten. Muß aber... [mehr]
Peter Gnaiger's Sternen-Logbuch --- 04.08.07 @ 20:16
Tischgespräche --- 11.05.07 @ 11:48
Das Gastlog --- 04.09.06 @ 16:45
Das Weinlog --- 08.03. @ 11:45
Christoph Wagner's Weblog --- 04.02.06 @ 13:33