Expedit (Wien)

Nur ganz wenige Lokale haben den Mut zur Einfachheit, zur Beschränkung auf das Wesentliche, sowohl beim Ambiente als auch bei der Küche. Das betrifft das "neue" Beisel genauso wie das Luxuslokal, und besonders bei der Ethnoküche, die oft nicht kunstvoll sondern Alltagsküche ist, findet man mehr Schein als Sein.

Ganz anders im Expedit, das sich seit Jahren der einfachen ligurischen Küche verschrieben hat, und dazu nicht mehr braucht als ein großes Ecklokal in einem ehemaligen Stofflager, Industrieregale, Packtische - und eine treue Fangemeinde.

Eine Speisekarte sucht man hier vergebens. Die wenigen, täglich wechselnden Gerichte werden vom Kellner vorgelesen. Da gibt's zu Mittag fünf, sechs Nudelgerichte, darunter so typische ligurische Spezialitäten wie Trofie mit Walnusspesto, ein, zwei Vorspeisen wie Fenchel mit sauer eingelegten Sardinen, und klassische Nachspeisen wie Panna cotta oder Torta della nonna.

Zum "italienischen" Ambiente gehören eine Vitrine mit Antipasti, Olivenölkanister und Nudelpackungen ebenso wie der ständig laufende Fernseher, vor dem sich schon mal spontan die Gäste zusammenfinden.

Am Abend gibt's etwas mehr Auswahl, mit diversen Antipasti, einigen Nudelgerichten und Hauptspeisen wie Ragouts von Kaninchen oder Wildschwein.

Wer Meeresfrüchte liebt, der sollte sich in den Wintermonaten keinesfalls die Muscheln entgehen lassen. Duftende Cozze in Weissweinsud, serviert in einer großen Blechschüssel, dazu ein Glas ligurischen Wein und frisches Weissbrot - und die Welt ist selbst an einem grauen Wiener Wintertag wieder in Ordnung.

So einfach kann Genuss sein.

11 Kritiken | Kritik verfassen

TBolt, 24.06.11 @ 08:55

An dieser Stelle mal ein kurzes Sammellob für geschätzte zwanzig Besuche in den letzten drei Jahren: bessere Pasta bekommt man in Wien nur sehr schwer und in dieser Lage schon überhaupt nicht zu solchen Preisen. Weinauswahl ist schwer ok, das Schremser Roggenbier aber der heimlich Favorit. Dauerbrenner!

dfw, 31.01.08 @ 15:55

mehr schein als sein
das urteil von mazi, kubse und andy bigler ist ja was !!!

wie oft ich schon dort war, kann ich nicht sagen; irgendwie hab ich die ligurische küche im expedit anders in erinnerung, als das, was uns da unlängst beschert wurde. es kam einfach keine richtige italianita auf. kein richtiger wunsch nach völlern und dolce far niente. dass dann zu später stunde kein käs da war......., na ja.
die boccia-bahn.... auch na ja.

thw, 21.06.07 @ 12:49

Kehrseite
Prinzipiell muss man Gerold Ecker (und seinem Gefühl als Gastronom) gratulieren.
Wenn man jedoch außerhalb der üblichen Küchenzeiten (jedoch noch vor 23 Uhr) eine Kleinigkeit zu sich nehmen möchte wird man im Expedit ordentlich zur Kasse gebeten. Eine Vorspeisenplatte mit etwas Schinken und Parmesan wird dann mit 34 Euro verechnet. Das mag vielen Usern vielleicht durchaus angemessen erscheint - zu ergänzen wäre jedoch, dass 3 Teller á ca. 10-15 Euro bestellt und angekündigt waren. Auf Nachfrage trug der Chef die Rechnung Punkt für Punkt vor um - nach geäußerter Unzufriedenheit der Anwesenden - mit dem Hinweis man solle sich doch die Rechnung in den A. schieben diese über den Tisch warf um zu entschwinden. Mut zur Einfachheit mag ja küchenmäßig lobenswert sein. Was die Behandlung der Gäste angeht sollte man etwas weniger rustikal agieren!

andreasbigler, 17.05.07 @ 10:26

Glücklicher Weise
gehe ich persönlich hauptsächlich in ein Lokal wegen der Küche und der Getränke und das Ambiente ist eher zweitrangig, daher kann ich auch nicht anders, als sehr großes Lob aussprechen.

mazi, 17.01.07 @ 21:44

Die wohl genussreichsten Momente meines kulinarischen Lebens hab ich im Expedit verbracht - atemberaubend intesive Geschmacksexplosionen! Unbedingt einen verschwiegenen Tisch hinter all den Nudelschachteln suchen, man denkt sofort an einen skurril genialen Film, wo ein Galan einen Freund becirct, um der Dame seines Herzens einen Überraschungsabend im Lagerraum einer Fabrik zu bereiten. Wunderbar schräg...